Die Ausstellung "Ende der Zeitzeugenschaft" ist vom 7. Juli 2022 bis zum 8. Januar 2023 im Centrum Judaicum in Berlin zu sehen.
Erinnerung an den Holocaust
Immer mehr Stühle bleiben leer: Anita Lasker-Wallfisch ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. © picture alliance/ZB/Michael Reichel
Was kommt nach den Zeitzeugen?
09:22 Minuten
Wie wird an die Shoah erinnert, wenn keine Zeitzeugen mehr leben? Diese Frage stellt eine Ausstellung in Berlin. In den Mittelpunkt rücken dann Ton- und Videoaufnahmen von Überlebenden, sagt Kuratorin Anika Reichwald.
Anita Lasker-Wallfisch hat Auschwitz überlebt, weil sie im Lagerorchester Cello gespielt hat. Seit Langem berichtet sie vor Schulklassen von ihren Erfahrungen in der Nazi-Zeit.
Überlebende wie Lasker-Wallfisch gibt es immer weniger, die Zeitzeugen des Holocaust sterben aus. Lasker-Wallfisch wird in diesem Jahr 97 Jahre alt. Wie kann an die Shoah erinnert werden, wenn es keine Menschen mehr gibt, die die Zeit selbst erlebt haben? Diese Frage stellt sich die Ausstellung "Ende der Zeitzeugenschaft?" in Berlin.
Veränderte Rolle der Überlebenden
In der Ausstellung finden sich vor allem Ton- und Videoaufnahmen. Auch von Anita Lasker-Wallfisch gibt es Bilder zu sehen. "Es gibt viele Videos, die uns zeigen, wie unterschiedlich die Überlebenden in Erscheinung getreten sind", sagt Anika Reichwald, die Kuratorin der Ausstellung.
Denn die Rolle, die die Gesellschaft den Überlebenden zugewiesen hat, hat sich im Lauf der Zeit geändert. Direkt nach dem Sieg der Alliierten sind sie als Augenzeugen in Erscheinung getreten, sagt Reichwald. In den 1960er-Jahren, z.B bei den Auschwitz-Prozessen in Frankfurt am Main, seien sie Tatzeugen vor Gericht gewesen. Und seit den 1980er-Jahren gebe es den Begriff der Zeitzeugen.
Wenn keiner der Zeitzeugen mehr lebt, rücken die Zeugnisse, also Ton- und Videoaufnahmen von Überlebenden, aber auch schriftliche Erlebnisberichte, in den Mittelpunkt des Interesses. "Die Zeugnisse müssen befragt werden", sagt Reichwald.
Wie divers ist die Erinnerung?
Interessant sei, in welchem Kontext sie entstanden sind, wer den Auftrag gegeben hat, aber auch wie die Atmosphäre eines Gesprächs war oder ob es untertitelt wurde. "Unendlich viele Fragen, die an so ein Objekt gerichtet werden können und die neue Perspektiven eröffnen", sagt Reichwald.
Aber auch der Ort, wo die Zeugnisse gezeigt werden, kann die Fragen an sie bestimmen. In Berlin dränge sich die Frage auf, wie vielfältig die Erinnerungskultur sei, meint Reichwald: "Dass sie sich so farbenfroh gestaltet und das auch nicht immer konfliktfrei, richtet den Blick darauf, dass wir in Zukunft dieses Verständnis dafür schaffen müssen, dass verschiedene Erinnerungsnarrative nebeneinander und miteinander verschränkt existieren."
(beb)