Holocaust-Gedenktag

    "Krieg aus Blut und Dreck"

    Der russische Schriftsteller Daniil Granin während seiner Rede bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am Holocaust-Gedenktag im Deutschen Bundestag in Berlin
    Daniil Granin während seiner Rede bei der Gedenkveranstaltung im Bundestag © picture-alliance / dpa / Wolfgang Krumm
    Der 27. Januar ist Holocaust-Gedenktag. Am Tag, an dem 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde. Während der Gedenkveranstaltung im Bundestag wurde auch an das Ende der "Leningrader Blockade" vor 70 Jahren erinnert.
    Bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die "menschenverachtende Rassenideologie" verantwortlich für das systematische Morden in Auschwitz und Leningrad gemacht. Als Wiege des sogenannten jüdischen Bolschewismus habe Leningrad vernichtet werden sollen, so Lammert in der Holocaust-Gedenkstunde des Bundestages in Berlin. "Das Sterben in der Stadt war alltägliche Wirklichkeit geworden", sagte der Bundestagspräsident während des Erinnerns an das Aufbrechen der Blockade der Stadt vor 70 Jahren.
    Schriftsteller Granin als Hauptredner
    Hauptredner im Bundestag war der 95 Jahre alte russische Schriftsteller Daniil Granin. Er hat als Zeitzeuge die fast dreijährige Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen literarisch verarbeitet. Granin erinnerte an das Elend der belagerten Stadt, in der etwa eine Million Menschen durch Hunger, Kälte und Gewalt ihr Leben verloren. Es sei ein "Krieg aus Blut und Dreck" gewesen, sagte Granin: "Ich konnte den Deutschen lange nicht verzeihen".
    Russlands Präsident wirkte bei der Kranzniederlegung im heutigen St. Petersburg sichtlich bewegt, berichtete Gesine Dornblüth im Deutschlandradio Kultur. Er stammt selbst aus dem ehemaligen Leningrad. Sein Bruder starb während der Blockade der Stadt im Zweiten Weltkriegs und soll in einem der Massengräber liegen. Vor der Trauerzeremonie hatte das Militär unmittelbar vor dem Gedenkfriedhof, auf dem sogenannten "Prospekt der Unbeugsamen"“, eine Parade abgehalten.
    Knesset-Delegation in Auschwitz
    In Auschwitz gedachten 55 Parlamentsabgeordnete aus Israel der Opfer des Holocaust. "Stündlich stirbt ein Überlebender in Israel oder in der Welt. Deshalb ist es so wichtig, ihrer zu gedenken, bevor es zu spät ist", sagte der Veranstalter des Besuchs, Jonny Daniels. Es war die größte jemals ins Ausland gereiste Delegation der Knesset.
    Papst Franziskus hat am Holocaust-Gedenktag ein verstärktes Engagement gegen den Antisemitismus gefordert. Die Judenvernichtung bezeichnete er in einem Brief an den mit ihm befreundeten Rabbiner Abraham Skorka als "Schande für die Menschheit", berichtete der Sender Radio Vatikan. Die Menschen von heute müssten sich aktiv dafür einsetzen, "dass diese Schrecken sich nie wiederholen".
    Erinnerung in der Einwanderungsgesellschaft
    Die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wird hierzulande quer durch alle politische Lager als herausragende Verantwortung wahrgenommen. Allerdings hat sich die Gesellschaft der Bundesrepublik während der vergangenen Jahrzehnte in einer Hinsicht besonders gewandelt. In wachsender Zahl leben hierzulande Menschen und Staatsangehörige, deren Wurzeln in anderen Ländern liegen. Grünen-Chef Cem Özdemir hat sich stellvertretend ganz persönlich mit der Bedeutung der Shoah auseinandergesetzt. Das Verhältnis zu Israel sei Teil seiner Staatsräson, sagte der Grünen-Chef im Deutschlandradio Kultur.
    Seine Eltern wanderten als sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland ein. Er wurde 1965 im baden-württembergischen Urach geboren."Der Holocaust ist Teil des Erbes, das ich als Bundesbürger trage", so Özdemir weiter: "Nicht im Sinne von Schuld, die sich vererbt, sondern im Sinne von Verantwortung."
    Neue Medien zur politischen Bildung
    Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, fordert bei der Vermittlung des Holocausts in Schulen und Bildungseinrichtungen den verstärkten Einsatz von Neuen Medien. Es sei wichtig, das Thema zeitgemäß zu gestalten, sagte Krüger im Deutschlandradio Kultur. In Ländern wie Israel, Polen und den USA gebe es hierzu inzwischen hervorragende Internetprojekte. Hierzulande passiere in dieser Beziehung hingegen noch zu wenig, so Krüger. Man müsse bei der Vermittlung des Themas auch immer den "Brückenschlag in die Gegenwart" vornehmen, forderte er.
    hum
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