Kinokolumne Top Five
Im Film "Wir" von Jordan Peele kämpft eine Familie gegen unheimliche Eindringlinge die ihre Doppelgänger sind © Claudette Barius / Universal Studios
Die besten Home-Invasion-Thriller
05:37 Minuten
Nirgendwo ist es schöner als zu Hause. Daher ist es wohl kaum etwas beängstigender als unangemeldeter Besuch von Fremden. "Home Invasion"-Filme bilden ein eigenes, perfides Genre. Wir stellen die fünf besten vor.
Platz 5: „An einem Tag wie jeder andere“ von William Wyler (1955)
Ein perfides Filmgenre, weil wir - wir Normalsterbliche - den Horror der Verunsicherung direkt nachempfinden können: „Home Invasion“ - Auflösung der Sphäre der Sicherheit.
„Entschuldigen die Störung, Gnädigste, aber ich glaube, ich habe mich verfahren“, meint oder besser: droht Humphrey Bogart ausnahmsweise als Bösewicht, um dann fortzufahren: „Machen Sie ja keine Geschichten, Gnädigste. Wenn Sie Lärm machen, zwingen Sie mich abzudrücken, verstanden?“ Drei ausgebrochene Sträflinge dringen in das Haus der Hillards ein, um Kohle für die weitere Flucht zu bekommen - gewalt- und mordbereit. Im Kern ist dies auch ein Klassenkampf, denn die Irritation der Hillard'schen bürgerlichen Ordnung, sie muss mit dem Tod bezahlt werden. Dann ist die Ordnung wieder hergestellt. 1950er-Jahre-Träume.
Platz 4: „Warte, bis es dunkel ist“ von Terence Young (1967)
Drei Gangster dringen in das Apartment der blinden Susy ein, um an eine Puppe mit Heroin zu gelangen. Doch einer der Fallstricke, die sich gern im Home-Invasion-Thriller auftun: Die brutalen Gangster haben wider Erwarten kein leichtes Spiel mit der Frau. Opfer- und Täter-Perspektive wechseln. Audrey Hepburn alias Susy wird in der Enklave ihres Zuhauses zur gnadenlosen Kämpferin, wenn sie ihre Blindheit als strategischen Vorteil und im Kampf um die Wiederherstellung ihrer Normalität nutzt.
Platz 3: „Fremde Schatten“ von John Schlesinger (1990)
„Young urban professionals“, kurz Yuppies, waren die großstädtischen Mittelschichtler der 1980er- und 90er-Jahre, karrierebewusst und gut bei Kohle. Patty und Drake kaufen ein Haus, vermieten darin zwei Wohnungen und werden von einem der Mieter zur Weißglut getrieben – mörderische Anschläge inklusive. Von wegen „Kündigung wegen Eigenbedarf“: Die beiden betuchten Bewohner von San Francisco werden den Kerl nicht los und entwickeln nun aber ihrerseits kriminelle Energie, um das doch hinzubekommen. Es geht hier nicht um das Gefühl, die häusliche Sicherheit zu verlieren, sondern um den Schutz des Eigentums. Erfolgreich und egal, mit welchen Mitteln auch immer. Feuchter Yuppie-Traum.
Platz 2: „Caché“ von Michael Haneke (2005)
Hier das geschützte Innere des Hauses, da, von außen eindringend, die Psychopathen, Serienkiller, entflohenen Sträflinge, Stalker oder Monster. Diese Standard-Dramaturgie des Home-Invasion-Thrillers treibt „Caché“ subtil auf die Spitze, verdichtet sie auf ihren Kern, indem die existenzielle Verunsicherung, vollkommen banal scheint's, allein dadurch ausgelöst wird, dass ein Briefumschlag mit einer Videokassette an der Tür hängt. Das Tape zeigt nur das Stadthaus von George und Anne (Daniel Auteuil und Juliette Binoche). Etwas - so diffus es auch war, unbestimmt - etwas ist eingedrungen und erzeugt nun ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung. Danach ist nichts mehr, wie es vorher war. George und Anne begegnen sich mit Misstrauen, die Normalität ihres Lebens zersetzt sich, und plötzlich steht George vor den verdrängten Geheimnissen seiner blutigen Vergangenheit. Das „home“, das „eigene Heim“ ist der Mikrokosmos der Gesellschaft, die sich brutal gegen die „invasion“ wehrt. „Home invasion“ als politische Metapher.
Platz 1: „Wir“ von Jordan Peele (2019)
„In unserer Auffahrt steht eine Familie!“, ruft Adas Tochter. Bedrohlich stehen sie da, vor dem Haus, dringen ein. Also flüchten? Kämpfen gegen unheimliche Eindringlinge. Doch was, wenn die – wie in diesem Fall, in dieser Geschichte – Doppelgänger von Ada und ihrem Mann und ihren Kindern sind? Wie können sie, die wir sind, in unseres, das ja damit ihres ist, eindringen? Alles, was uns ausmacht, jegliche Eindeutigkeit und Abgegrenztheit von Identität, ist aufgelöst. Und damit auch die Grenzen zwischen dem Draußen und dem Drinnen, aber auch dem Selbst und dem Anderen. Die, die eindringen, sind nur unser Spiegelbild. Brutalere Erkenntnis geht kaum noch. Denn was soll da noch Hausfriedensbruch sein?