Fußball als Neuanfang
Drei Tage Vorbereitung müssen bei dieser besonderen Weltmeisterschaft ausreichen - und Trainer Jiri Pacourek hat seine Spieler gerade erst kennengelernt: Mit ihnen tritt er beim Homeless World Cup in Amsterdam an, der Straßenfußball-Weltmeisterschaft der Wohnungslosen.
Nationaltrainer Jiri Pacourek hat seine Mannschaft vor zwei Monaten zusammengestellt, hat seine Spieler aber trotzdem gerade erst kennengelernt. Drei Trainingstage als Vorbereitung müssen reichen, um sich auf die Weltmeisterschaft der Wohnungslosen in Amsterdam vorzubereiten. Denn für Jiri Pacourek geht es bei diesem Turnier nicht ums Gewinnen.
"Mir ist es wichtig, dass die auch sehen, wenn am Tag beide Spiele verloren gehen, dass es auch trotzdem ein schöner Tag mit der Truppe sein kann. Und dass jeder für sich selbst ein Erlebnis mit nach Hause nimmt. Oder sich in seinem Leben dann stärken kann, dass ist natürlich super."
Seine Spieler hat der Nationaltrainer bei der Deutschen Meisterschaft der Wohnungslosen ausgewählt. Einer von ihnen heißt Oliver Würfel. Er ist derzeit in einer Einrichtung für Wohnungslose in Hannover untergebracht. Er spielt erst seit einigen Monaten in seinem Team in Hannover. Bei der Deutschen Meisterschaft hat Oliver Würfel sofort eine positive Erfahrung gemacht:
"Nach dem ersten Spiel kam Jiri gleich zu mir und buff, das war auf jeden Fall so ein Lottogewinn. Als ob Gott auf dich guckt und dir sagt, alles klar ich gib dir noch eine zweite Chance und du nutzt sie jetzt oder nicht."
Beim Neuanfang helfen
Er ist derzeit auf Bewährung und will mit Hilfe des Fußballs nochmal neu Anfangen. Seit er für die Weltmeisterschaft in Amsterdam nominiert worden ist, hat er einiges bewegt.
"Ich hab versucht mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Bewerbung schreiben und so. Ich fange jetzt am 1.9 eine Umschulung an um eine Ausbildung zu bekommen. Ich habe zwar eine Ausbildung und einen Realschulabschluss aber wegen meinen Vorstrafen bin ich nicht mehr tragwürdig und deswegen fang ich jetzt neu an."
Der Sport soll den wohnungslosen Fußballern beim Neuanfang helfen. Die Kriterien: Die Teilnehmer müssen in den vergangenen zwölf Monaten obdachlos gewesen sein oder sich zurzeit in einer Drogentherapie befinden und in den vergangenen 24 Monaten ohne festen Wohnsitz gewesen sein. Mit Fußball will Jiri Pacourek sie aus dem Alltag reißen:
"Die Wohnungslosigkeit ist auch mit Suchtkrankheit oder psychischen Krankheit verbunden. Dann vermittelt man durch Sport auch Erfolgserlebnis. Man powert sich aus, man erlebt wieder was anderes als der Alltag, welcher sich nur um die Beschaffung von Suchtmittel drehen kann."
"Es gibt natürlich auch Rückschläge"
Bevor er es zum Nationaltrainer und Sozialarbeiter in einem Fußballprojekt in Nürnberg gebracht hat, war er selbst mehrere Jahre spielsüchtig. Der Sport hat ihm geholfen aus dieser Situation wieder rauszukommen. 2010 spielte er in Brasilien für die Deutsche Mannschaft bei der WM der Wohnungslosen. Die Weltmeisterschaft soll es auch den anderen Spielern möglich machen, etwas zu verändern. Seit drei Jahren ist Jiri Pacourek Trainer und kann von vielen positiven Erfahrungen berichten:
"Ich bin sogar jetzt noch im Kontakt mit ein paar Spielern über Facebook oder per Telefon und man sieht sich auch bei den lokalen Turnieren. Und dann sieht man auch, da ist eine Ausbildung oder Wohnung gefunden. Es gibt aber natürlich auch Rückschläge, da ist noch etwas passiert oder sie sind eine Therapie eingegangen. Ich kann nicht sagen, dass von acht Teilnehmern alle acht voll in der Gesellschaft integriert sind nach einer Weltmeisterschaft. Aber es ist eine Erfahrung mit der man arbeiten kann und die man positiv nutzen kann."
Auch der 21-jährige Marcel Kelsch ist wohnungslos und lebt derzeit in einer Einrichtung in Frankfurt. Auch er will versuchen den positiven Schwung zu nutzen:
"Es ist so, dass ich eine krasse Drogenvergangenheit habe und durch den Fußball, durch die Chance mit Amsterdam habe ich mir selber auch eine Ziel gesetzt, dass ich aufhören will mit allem. Mir geht's blendend und ich will das auf jeden Fall so beibehalten."
Fehlende Anerkennung in Amsterdam zurückholen
Für die Weltmeisterschaft hat er zwar auch sportliche Ziele, aber Marcel Kelsch geht es auch um etwas anderes:
"Vielleicht auch ein Ziel Tore zu schießen. Und ein gutes Bild als Mannschaft abzugeben. Auch beim Thema Flüchtlinge. Mir ist das auch sehr wichtig. In Amsterdam wollen wir einen Banner machen, Mit 'Willkommen Flüchtlinge'. Es ist doch ein Thema, das uns alle angeht."
Und damit ist er wieder auf der gleichen Linie wie sein Trainer Jiri Pacourek:
"Was ich persönlich anstreben würde, ist einmal einen Fair-Play Pokal beim Homeless World Cup zu gewinnen. Ich glaube, dass ist auch die größte Anerkennung für die Fußballer."
Und genau dieses Anerkennung fehlt vielen Spielern im Alltag. Die wollen sie sich in Amsterdam zurückholen.