Gutes und schlechtes Homeoffice

Auf die Bedingungen kommt es an!

Illustration: Ein müder Mensch mit Laptop auf dem Schoß und vielen Arbeitsmails um sich herum.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert einen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Er fordert aber zugleich klare Regeln – zu Recht, meint Johanna Wenckebach. © Getty Images / iStock / Denis Novikov
Ein Einwurf von Johanna Wenckebach |
Vorher ein Privileg für Hochbezahlte, mit der Pandemie eine Arbeitsmöglichkeit für viele: das Homeoffice. Doch das ist nicht automatisch gut. Die Arbeits- und Sozialrechtlerin Johanna Wenckebach warnt vor Gefahren wie Selbstausbeutung und Vereinsamung.
Viele Menschen wünschen sich die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Das spart Fahrtzeiten und nimmt Druck aus einem eng getakteten Alltag. Vor allem für Menschen, die Sorgearbeit und Erwerbsarbeit vereinbaren müssen, zählt jeder Zeitgewinn. Frauen trifft es besonders: Sie stemmen immer noch den Löwenanteil der Sorgearbeit.
Vor der Pandemie war das Homeoffice ein Privileg hochqualifizierter und gut bezahlter Beschäftigter. Inzwischen ist es für viele zur Normalität geworden und wird von Beschäftigten auch eingefordert. Aber nicht alle machen ausschließlich gute Erfahrungen. Homeoffice führt nicht automatisch zu mehr Vereinbarkeit, Geschlechtergerechtigkeit und besserer Arbeit.

Konkrete Bedingungen sind entscheidend

Auf der Hand liegt, dass die konkreten Bedingungen mobiler Arbeit entscheidend sind: Gibt es einen geeigneten Arbeitsplatz und die nötige Ausstattung für konzentriertes und gesundes Arbeiten zu Hause? Oder hockt jemand am Küchentisch zwischen Familienmitgliedern? Auch schlechte technische Ausstattung verursacht Stress. Hier zeigt sich, ob Homeoffice von Arbeitgebern als Angebot für Beschäftigte gemeint ist. Oder ob Kosten für Miete und Büroausstattung gespart werden sollen. Das sind erhebliche Verteilungsfragen.
Zweitens wissen wir: Es kommt auf die Arbeitskultur im Unternehmen insgesamt an. Unsere Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass flexible Arbeitszeiten, Förderung von Teilzeit und mehr Frauen in Führungspositionen gute Erfahrungen im Homeoffice begünstigen.
Deutlich wird auch: Klare Regeln sind entscheidend. Fehlen diese, machen Beschäftigte unbezahlte Überstunden, weil sie dankbar sind, den Arbeitsort wählen zu dürfen.

Entgrenzung von Arbeit und Privatleben

Überhaupt stellt sich die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben als großes Problem dar: Wenn Arbeit durch ein kurzes Aufklappen des Laptops oder das blinkende Smartphone immer da ist, müssen Menschen sich permanent, auch in ihrer Freizeit, davon abgrenzen. Das kostet Kraft und verursacht Stress. Ständige Erreichbarkeit, fehlende räumliche Trennung, das Gefühl, die Arbeitsleistung im Homeoffice beweisen zu müssen – all das übt Druck auf Menschen aus. Dieser schadet nicht nur dem Wohlbefinden, sondern auch der Gesundheit. Schlafstörungen, Herzerkrankungen und psychische Erkrankungen sind sehr ernstzunehmende Folgen.
Und schließlich: Die Arbeitsstätte ist auch ein sozialer Ort. Dort mit Menschen in direktem Kontakt zu stehen, ist nicht nur wichtig für das Netzwerken im Interesse der Karriere. Es erfüllt auch menschliche Bedürfnisse. Viele Menschen geben an, im Homeoffice einsam zu sein. Wir wissen noch wenig darüber, welche Folgen der Wegfall sozialer Kontakte bei der Arbeit für die psychische Gesundheit mit sich bringt. Aber wir wissen, dass Menschen soziale Wesen mit Bedürfnis nach Miteinander sind.

Freiwilligkeit als Bedingung

Es erscheint mir deshalb sinnvoll, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Rechtsanspruch auf Homeoffice fordert. Er nennt aber zugleich klare Regeln und Freiwilligkeit als Bedingung, zu Recht.
Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, sollte mit einem Gewinn an Autonomie für Beschäftigte einhergehen. Es darf nicht zum Zwang werden. Oder als Begründung dafür dienen, gesetzliche Grenzen von Arbeitszeit aufzulösen. Genau das ist aber eine politische Forderung von FDP, CDU und Arbeitgeberverbänden. Mehr Freiheit bei der Wahl des Arbeitsortes darf für Beschäftigte nicht mit dem Preisschild versehen werden, immer verfügbar sein zu müssen und Arbeit „ohne Ende“ zu leisten. Und – ebenfalls ein häufiges Missverständnis, das Beschäftigte unter Druck setzt: Homeoffice ersetzt nicht den Bedarf an Kinderbetreuung und familienfreundlicher Arbeitszeit.
Technische Möglichkeiten haben sich durch Digitalisierung verändert, aber das körperliche und psychische Bedürfnis von Menschen nach Pausen, Erholung und regelmäßigem Schlaf nicht.

Johanna Wenckebach ist Wissenschaftliche Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Bis 2019 hat sie als Tarifsekretärin bei der IG Metall gearbeitet.

Porträt von Johanna Wenckebach. Sie trägt einen Blazer, hat die Arme verschränkt und schaut lächelnd in die Kamera.
© Johanna Wenckebach
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