Hommage an die Dunkelheit
Die Faszination der Farbe Schwarz scheint ungebrochen - in Hannover widmet sich eine ganze Ausstellung dem Thema. Den in "Back to Black" vertretenen Künstlern geht es um den Dialog aus Dunkel und Licht, urbane Nächte und bedingungslose Gegensätze.
Nein, dieser Song - "Back to Black" - von Nick Cave ist in der hannoverschen Ausstellung nicht zu hören - und spielt hier dennoch eine große Rolle. Denn der in Berlin lebende Künstler Gregor Hildebrandt hat ihn auf Tonkassetten überspielt, die Kassetten dann auseinandergenommen, die langen, schmalen Bänder zerschnitten und sie streifenförmig, dicht an dicht, auf eine Leinwand geklebt.
Das tiefschwarze Bild, das so entstanden ist und am Eingang sofort die Blicke anzieht, ist also nicht gemalt. Benannt ist es nach diesem Song von Cave - ein anderes Klebewerk ist nach einem Rockstück von "The Cure" betitelt.
Handwerklich fast schon ein Extremfall in dieser Schau, denn ansonsten fehlt es nicht an "Schwarz-Malern". Manche tragen dick auf - wie André Butzer, auf dessen großen Formaten die Farbe reliefartige Klumpen bildet. In seinen Bildüberschriften spielt er auf historische Personen an - auf Johannes den Täufer, Robert Bosch und sogar auf Adolf Eichmann - dabei ist doch alles ungegenständlich gearbeitet: Schwarz in Schwarz.
Rafal Bujnowskis Bilder wiederum lassen, von vielen Lampen angestrahlt, feine parallele Linien erkennen, die die Oberfläche überziehen und den Werken einen Hauch von Op-Art verleihen. Viele Varianten der "Schwarzen Kunst" hat man so für Hannover ausfindig gemacht. Dabei klingt "Back to Black" fast schon nach einem Trend in der gegenwärtigen Kunstszene. Kurator Frank-Thorsten Moll:
"Ich würde es nicht unbedingt Trend nennen, aber man kann schon beobachten, dass sich sehr viele Künstler einer Farbe zuwenden, die vor längerer Zeit noch als Unfarbe gegolten hat. Schwarz, so Matisse, ist eine Farbe, und so haben wir junge Künstler gefunden."
Soviel Schwarz war nie in diesen Räumen - auch wenn die Maler noch die eine oder andere Farbe hineingemischt haben. Weshalb konzentrieren sich junge Künstlerinnen und Künstler derart auf Schwarz?
Frank-Thorsten Moll: "Meine These wäre, dass die Maler, die sich mit Schwarz auseinandersetzen, sich eigentlich mit der Malerei selbst auseinandersetzen. Auch wenn es komisch klingt: die Themen, die in den Bildern zum Vorschein kommen, sind im Grunde nur Vehikel. Sie zeigen, wie der Maler um seine eigene Profession kämpft, um seine Möglichkeit als Maler. Es steht dahinter die Frage: Was kann ich als Maler überhaupt leisten, und wofür braucht mich die Gesellschaft?"
Vom Abenteuer des Malens erzählt diese Schau tatsächlich auf beeindruckende Weise. Nicht wenige Gemälde bewegen sich dabei auf dem Grat zwischen "gegenständlich" und "ungegenständlich" - manchmal auch sind Figuren angedeutet, die sich wie zufällig aus dem heftigen Malakt entwickelt haben. Und wenn Philipp Haager nimmermüde in einer Art Lasiertechnik Farbschicht um Farbschicht auf seine Leinwände bringt, entstehen am Ende stimmungsvolle Landschaften:
Philipp Haager: "Ich möchte das nicht verbergen, da komme ich her: Ich sitze gern in der Natur und schaue. Die Arbeiten sind mit Tusche gemacht, nass in nass gemalt. Bei mir war es eine intuitive Entscheidung, mit Tusche zu beginnen - wahrscheinlich habe ich sie genommen, weil sie schwarz war. Ich habe versucht, den Blick nach innen zu richten. Drei oder vier Jahre male ich schon so, und die Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft."
In der "Polen"-Serie von Florian Süssmayr meint man, Massengräber auf den braunschwarzen Gemälden erkennen zu können - wohl der bedrückendste Augenblick beim Gang durch diese Ausstellung. Überwiegend jedoch siedeln diese Künstler im Windschatten der Politik, abseits der Geschichte.
Hier und da beziehen sich junge Maler wie der Brite Peter Peri mit geometrischen Formen noch auf die Kunstgeschichte, den Konstruktivismus. Dennoch ist die Tradition eher als Fundus im Hinterkopf präsent. Niemand eifert hier zum Beispiel dem "Schwarzen Quadrat" nach, mit dem Malewitsch 1915 vorführte, dass Schwarz Alles und Nichts bedeuten und Emotionen und Spiritualität heraufbeschwören kann.
Eher schon als Vorbild erscheint jungen Malern ein Nachkriegsprotagonist wie Frank Stella. Im allgemeinen aber fühlen sich diese Künstler ganz frei im Umgang mit der Tradition und dem Schwarz.
Große dunkle Flächen verbindet Pablo Alonso mit rätselhaften Figuren und vielerlei Bildzitaten. Weshalb arbeitet er in Schwarz?
Pablo Alonso: "Jahrelang habe ich verdammt bunt gemalt. Das war dann nicht mehr möglich, ich hätte aus der Buntheit ein spezielles Thema für meine Malerei machen müssen. Aber diese formale Fragestellung war für mich nicht wirklich von Interesse. Es war also eine bewusste Entscheidung für Schwarz und Weiß. Und es war wichtig, erst einmal dabei zu bleiben - notfalls weniger zu malen, dafür aber in Schwarz."
Man muss keinesfalls schwarzsehen, was die Zukunft dieser internationalen Künstlerinnen und Künstler betrifft. Nur wenige sind hierzulande etabliert, die Kuratoren sind mit Erfolg auf Entdeckungsreise gegangen. Welche Bilder gefallen Frank-Thorsten Moll besonders?
Frank-Thorsten Moll: "Da geht es mir fast wie dem Bundestrainer, der erklären muss, warum er drei Leute nach Hause schickt. Beeindruckt hat mich zum einen Pat Rosenmeier, die mit ihren Magnolien, eher banalen Motiven, die These illustriert, dass es wirklich um Malerei geht und nicht um Inhalte. Begeistert hat mich auch Armin Boehm, der mit seinen Stadtansichten, aber auch mit seinen Sternenbildern zeigt, wie sich das Schwarz und das Licht gegenseitig bedingen. Und das Schwarz ist hier keine leere Projektionsfläche, sondern Träger von unwahrscheinlich vielen Farbinformationen."
Die großformatigen Stadtansichten Boehms bilden mit ihrem Dialog aus Dunkel und Licht, urbaner Nacht und viel Lampenschein eine neuromantische Facette in dieser Schau, mit der die Veranstalter im Ganzen sehr zufrieden sein dürfen:
"Mit 'Back to Black' wollten wir keine unbunte, langweilige oder todernste Ausstellung machen. Ich glaube, sie wird sich ganz anders vermitteln, nämlich als Sammelsurium von extrem vitalen, aussagekräftigen Gemälden."
Das tiefschwarze Bild, das so entstanden ist und am Eingang sofort die Blicke anzieht, ist also nicht gemalt. Benannt ist es nach diesem Song von Cave - ein anderes Klebewerk ist nach einem Rockstück von "The Cure" betitelt.
Handwerklich fast schon ein Extremfall in dieser Schau, denn ansonsten fehlt es nicht an "Schwarz-Malern". Manche tragen dick auf - wie André Butzer, auf dessen großen Formaten die Farbe reliefartige Klumpen bildet. In seinen Bildüberschriften spielt er auf historische Personen an - auf Johannes den Täufer, Robert Bosch und sogar auf Adolf Eichmann - dabei ist doch alles ungegenständlich gearbeitet: Schwarz in Schwarz.
Rafal Bujnowskis Bilder wiederum lassen, von vielen Lampen angestrahlt, feine parallele Linien erkennen, die die Oberfläche überziehen und den Werken einen Hauch von Op-Art verleihen. Viele Varianten der "Schwarzen Kunst" hat man so für Hannover ausfindig gemacht. Dabei klingt "Back to Black" fast schon nach einem Trend in der gegenwärtigen Kunstszene. Kurator Frank-Thorsten Moll:
"Ich würde es nicht unbedingt Trend nennen, aber man kann schon beobachten, dass sich sehr viele Künstler einer Farbe zuwenden, die vor längerer Zeit noch als Unfarbe gegolten hat. Schwarz, so Matisse, ist eine Farbe, und so haben wir junge Künstler gefunden."
Soviel Schwarz war nie in diesen Räumen - auch wenn die Maler noch die eine oder andere Farbe hineingemischt haben. Weshalb konzentrieren sich junge Künstlerinnen und Künstler derart auf Schwarz?
Frank-Thorsten Moll: "Meine These wäre, dass die Maler, die sich mit Schwarz auseinandersetzen, sich eigentlich mit der Malerei selbst auseinandersetzen. Auch wenn es komisch klingt: die Themen, die in den Bildern zum Vorschein kommen, sind im Grunde nur Vehikel. Sie zeigen, wie der Maler um seine eigene Profession kämpft, um seine Möglichkeit als Maler. Es steht dahinter die Frage: Was kann ich als Maler überhaupt leisten, und wofür braucht mich die Gesellschaft?"
Vom Abenteuer des Malens erzählt diese Schau tatsächlich auf beeindruckende Weise. Nicht wenige Gemälde bewegen sich dabei auf dem Grat zwischen "gegenständlich" und "ungegenständlich" - manchmal auch sind Figuren angedeutet, die sich wie zufällig aus dem heftigen Malakt entwickelt haben. Und wenn Philipp Haager nimmermüde in einer Art Lasiertechnik Farbschicht um Farbschicht auf seine Leinwände bringt, entstehen am Ende stimmungsvolle Landschaften:
Philipp Haager: "Ich möchte das nicht verbergen, da komme ich her: Ich sitze gern in der Natur und schaue. Die Arbeiten sind mit Tusche gemacht, nass in nass gemalt. Bei mir war es eine intuitive Entscheidung, mit Tusche zu beginnen - wahrscheinlich habe ich sie genommen, weil sie schwarz war. Ich habe versucht, den Blick nach innen zu richten. Drei oder vier Jahre male ich schon so, und die Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft."
In der "Polen"-Serie von Florian Süssmayr meint man, Massengräber auf den braunschwarzen Gemälden erkennen zu können - wohl der bedrückendste Augenblick beim Gang durch diese Ausstellung. Überwiegend jedoch siedeln diese Künstler im Windschatten der Politik, abseits der Geschichte.
Hier und da beziehen sich junge Maler wie der Brite Peter Peri mit geometrischen Formen noch auf die Kunstgeschichte, den Konstruktivismus. Dennoch ist die Tradition eher als Fundus im Hinterkopf präsent. Niemand eifert hier zum Beispiel dem "Schwarzen Quadrat" nach, mit dem Malewitsch 1915 vorführte, dass Schwarz Alles und Nichts bedeuten und Emotionen und Spiritualität heraufbeschwören kann.
Eher schon als Vorbild erscheint jungen Malern ein Nachkriegsprotagonist wie Frank Stella. Im allgemeinen aber fühlen sich diese Künstler ganz frei im Umgang mit der Tradition und dem Schwarz.
Große dunkle Flächen verbindet Pablo Alonso mit rätselhaften Figuren und vielerlei Bildzitaten. Weshalb arbeitet er in Schwarz?
Pablo Alonso: "Jahrelang habe ich verdammt bunt gemalt. Das war dann nicht mehr möglich, ich hätte aus der Buntheit ein spezielles Thema für meine Malerei machen müssen. Aber diese formale Fragestellung war für mich nicht wirklich von Interesse. Es war also eine bewusste Entscheidung für Schwarz und Weiß. Und es war wichtig, erst einmal dabei zu bleiben - notfalls weniger zu malen, dafür aber in Schwarz."
Man muss keinesfalls schwarzsehen, was die Zukunft dieser internationalen Künstlerinnen und Künstler betrifft. Nur wenige sind hierzulande etabliert, die Kuratoren sind mit Erfolg auf Entdeckungsreise gegangen. Welche Bilder gefallen Frank-Thorsten Moll besonders?
Frank-Thorsten Moll: "Da geht es mir fast wie dem Bundestrainer, der erklären muss, warum er drei Leute nach Hause schickt. Beeindruckt hat mich zum einen Pat Rosenmeier, die mit ihren Magnolien, eher banalen Motiven, die These illustriert, dass es wirklich um Malerei geht und nicht um Inhalte. Begeistert hat mich auch Armin Boehm, der mit seinen Stadtansichten, aber auch mit seinen Sternenbildern zeigt, wie sich das Schwarz und das Licht gegenseitig bedingen. Und das Schwarz ist hier keine leere Projektionsfläche, sondern Träger von unwahrscheinlich vielen Farbinformationen."
Die großformatigen Stadtansichten Boehms bilden mit ihrem Dialog aus Dunkel und Licht, urbaner Nacht und viel Lampenschein eine neuromantische Facette in dieser Schau, mit der die Veranstalter im Ganzen sehr zufrieden sein dürfen:
"Mit 'Back to Black' wollten wir keine unbunte, langweilige oder todernste Ausstellung machen. Ich glaube, sie wird sich ganz anders vermitteln, nämlich als Sammelsurium von extrem vitalen, aussagekräftigen Gemälden."