Traut euch, CDU und CSU!
Nach der Entscheidung der Iren für die Homo-Ehe fordern viele, Deutschland solle endlich nachziehen. Doch die Union mauert und wähnt die schweigende Minderheit auf ihrer Seite. Ein Irrtum, meint Martin Steinhage.
Verkehrte Welt, könnte man meinen: Vor genau einer Woche stimmen in einem Volksentscheid über 60 Prozent der Iren für die Einführung der Homo-Ehe - in Irland wohlgemerkt, diesem angeblich so stockkatholischen Inselstaat.
Dagegen das vermeintlich ach so moderne und aufgeschlossene Deutschland vor drei Tagen: Das Bundeskabinett verabschiedet einen Gesetzentwurf zur "Bereinigung des Rechts der Lebenspartner", ein bürokratisches und kleinteiliges Sammelsurium von Rechtsvorschriften, mit deren Hilfe Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften abgebaut werden sollen. Und am selben Tag macht der Regierungssprecher deutlich: Es bleibt dabei, die feste Bande zwischen zwei Männern oder zwei Frauen erhält hierzulande nicht den gleichen Status wie die traditionelle Ehe zwischen Männlein und Weiblein.
In vielen europäischen Ländern ist die Gleichstellung bereits verwirklicht
Seit dem Jahr 2001 kennt das deutsche Recht die eingetragene Lebenspartnerschaft. Seitdem hat es zahlreiche und auch substantielle Nachbesserungen im Interesse der Betroffenen gegeben, allerdings stets unterhalb der Schwelle einer rechtlichen Gleichstellung von Hetero- und Homo-Ehe. Anderswo in Europa ist man da längst weiter: In Frankreich, Spanien, Schweden oder in Belgien – um nur einige zu nennen – wird kein Unterschied nach Geschlechtern mehr gemacht.
Dass Deutschland bei diesem Thema hinter vielen seiner Nachbarn zurückbleibt, liegt zuvorderst an CDU und CSU: Dort halten manche geradezu verbissen an der Vorstellung fest, die Ehe sei nun einmal allein die Verbindung von "ihm" und "ihr", und dabei solle es auch bleiben. Zur Begründung heißt es, die Einführung der Homo-Ehe würde die Ehe an sich unterminieren. Was ich nicht nachvollziehen kann, nicht als Hetero, nicht als Ehemann – und auch sonst nicht.
Doch in Wahrheit sind es ohnehin eher wahltaktische Überlegungen, die die Bremser bei CDU und CSU antreibt: in erster Linie die Angst, ein Teil der Stammwähler ginge verloren, wenn die Union auch noch diese vielleicht letzte Bastion des Wertkonservatismus räumte. Nur ignorieren die Strategen dabei, dass sich - zum Beispiel in den Großstädten, wo insbesondere die CDU vielerorts ohnehin einen schweren Stand hat - Unions-Sympathisanten auch abwenden könnten, eben weil sie nicht einverstanden sind mit diesem überholten Aspekt christdemokratischer und christsozialer Gesellschaftspolitik.
Ist die "schweigende Mehrheit" wirklich gegen die Homo-Ehe?
Wie auch immer: Noch geben sich die Gegner der Homo-Ehe in der Union zuversichtlich, dass sie die schweigende Mehrheit hinter sich haben. Und sie lassen sich auch nicht irritieren von Umfrageergebnissen, wonach zwei Drittel der Deutschen für eine Gleichstellung der Lebensmodelle sind.
Allerdings zeigt die Debatte in den vergangenen Tagen in aller Deutlichkeit: Die Bewahrer in der Union sind auf dem Rückzug, vielleicht sogar schon auf verlorenem Posten. Die Frage lautet längst nicht mehr, ob CDU und CSU irgendwann zu einer grundlegenden Änderung des Eherechts bereit sein könnten, die Frage lautet nur noch, wann sie diesen Schritt vollziehen. Denn viele Christdemokraten wie Christsoziale sind auch bei diesem Thema längst wesentlich moderner und mutiger, als es bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein hat. Und es werden immer mehr im Unionslager, die diese Haltung auch artikulieren, übrigens völlig unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.
Ein Signal gegen die Homophobie bestimmter Minderheiten
Wenn sich mit der Union zu guter Letzt auch noch die größte Bundestagsfraktion zu einem eindeutigen "Ja" zur Ehe für homosexuelle Paare durchringen könnte, wäre das eine längst überfällige Botschaft an die Lesben und Schwulen in diesem Land: "Ihr habt in jeder Hinsicht und überall die gleichen Rechte wie alle anderen auch!"
Und noch etwas: Auf diese Weise würde die Mehrheitsgesellschaft ein klares Signal senden an die Adresse bestimmter Minderheiten, ist doch Homophobie hierzulande vor allem unter Menschen mit Migrationshintergrund stark verbreitet. Ein Bekenntnis aller relevanten politischen Kräfte zur Homo-Ehe könnte – zumindest auf längere Sicht - helfen, wenigstens einige der notorischen Schwulenhasser von ihrem Irrweg abzubringen.
Der Volksmund weiß, "es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Daher lautet mein Appell an die beiden Volksparteien, liebe CDU, liebe CSU: Traut euch!