An einem Märztag im Jahr 1957 fliegt der Schweizer Ingenieur Walter Faber, ein sehr rationaler, kontrollierter Mensch, von New York nach Venezuela, um dort im Auftrag der UNESCO zu arbeiten. Aber über der mexikanischen Wüste hat das Flugzeug einen schweren technischen Defekt und muss notlanden.
Auszug aus Hörspiel
Durchsage Flugzeug: Attention! Attention!
Walter: Warum bin ich eigentlich nicht ängstlich? Die Maschine könnte zerschellen. Und ich bin eigentlich nur gespannt.
Erzähler: Sie waren in Haushöhe über den Boden geflogen.
Walter: Sand mit Agaven. Beide Motoren auf Vollgas.
Erzähler: Er hatte das Gesicht an das Fenster gepresst. Plötzlich war das Fahrgestell ausgeschwingt, ohne dass natürlich eine Piste kam. Und dazu die Bremsklappen.
Walter: Wie eine Faust gegen den Magen.
Die Passagiere überleben. Aber mit diesem Flug lässt Max Frisch in seinem Roman "Homo faber" eine Reihe von Zufällen im Leben von Walter beginnen, die so unglaublich sind, dass andere sie als schicksalhaft bezeichnen würden. Sein Sitznachbar im Flugzeug ist der Bruder von Walters Studienfreund Joachim.
Er versucht, seiner Geliebten zu entkommen
Zwei Jahrzehnte zuvor hatten sich Walter und seine Freundin Hanna getrennt; Hanna und Joachim wurden daraufhin ein Paar. Nach der Notlandung in Mexiko findet Walter Joachim erhängt in Guatemala auf. Und zurück in New York versucht Walter, seiner dortigen Geliebten zu entkommen, indem er seine geplante Reise nach Europa früher und per Schiff antritt. An Bord lernt er die junge Elisabeth kennen. Walter ist von Sabeth, wie er sie nennt, entzückt:
Auszug aus Hörspiel
Sabeth: Wirklich, Sie sollten heiraten.
Walter: Und?
Sabeth: Was und?
Walter: Na, würden Sie mich heiraten?
Sabeth: Moment!
Walter: Nein, ernsthaft: Würden Sie mich heiraten? Ich bitte Sie darum.
Sabeth: Das meinen Sie nicht im Ernst.
Walter: Warum nicht?
Sabeth: Weil, na ja … Also …
Walter: Ich meine es ernst, Sabeth. Wollen Sie mich heiraten?
Sie antwortet ihm nicht. Aber die beiden reisen gemeinsam mit dem Auto durch Europa und schlafen miteinander. Ihr Ziel ist Athen, wo Sabeths Mutter lebt. Und die ist ausgerechnet jene Hanna, mit der Walter liiert war. Nach einem Schlangenbiss und einem Sturz auf den Kopf stirbt Sabeth. Erst nach ihrem Tod erfährt Walter, dass sie seine Tochter war.
Auszug aus Hörspiel
Erzähler: 6 Uhr 45
Walter: Ich verstehe, dass Hanna nach allem, was geschehen ist, Athen nie wieder verlassen will: das Grab unseres Kindes.
Im Roman ist alles aus Walters Perspektive geschildert. Das Buch ist der Text, den er aufschreibt. So bleiben wir als Leser mit ihm gefangen in seiner Sprache und Welt. Die Hörspielfassung sprengt diese Ich-Blase und fügt einen allwissenden Erzähler hinzu.
Paula Beer haucht Sabeth wunderbar Leben ein
Das war ein Risiko, funktioniert aber in dieser einfühlsamen Inszenierung von Leonhard Koppelmann sehr gut. Paula Beer haucht der lebenslustigen Sabeth wunderbar Leben ein. Großartig aber ist Matthias Brandt als Walter. Er ist so überzeugend, dass an seiner Seite selbst Eva Mattes als Hanna blass wirkt. So zum Beispiel, als Walter aufgrund von schweren Magenschmerzen im Krankenhaus liegt und Hanna ihn besucht:
Auszug aus Hörspiel
Walter: Wenn es Krebs wäre, dann hätten Sie mich doch sofort unters Messer genommen und nicht noch gewartet. Das ist doch vollkommen logisch. Glaub mir, so ist das.
Hanna: Du siehst es eben wieder als Techniker.
Walter: Wie meinst du das?
Hanna: Die Technik ist einfach ein Kniff. Ein Kniff, um sich die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen. Verstehst du, Walter. Der Techniker erträgt die Schöpfung nicht. Er hält sie nicht aus, weil er mit ihr als Partner nichts anfangen kann.
Und so erkennt Walter Faber spät, vielleicht zu spät, dass er das wahre Leben verpasst hat.
Max Frisch: Homo Faber
Hörspiel
Mit Matthias Brandt, Eva Mattes, Paula Beer, Ueli Jäggi und anderen
Bearbeitung: Heinz Sommer
Regie: Leonhard Koppelmann
Der Hörverlag, 6 CDs, Laufzeit 7 Stunden und 11 Minuten
Empfohlener Verkaufspreis: 29 Euro