Der Streit um die Globuli
Seit Jahren tobt eine Auseinandersetzung über den Nutzen von Homöopathie. Was fasziniert Ärzte an der Homöopathie, dass sie diese in ihr Programm aufnehmen? Haben die Methoden, die sich Samuel Hahnemann vor 200 Jahren ausdachte, eine Berechtigung in Arztpraxen?
"Homöopathie hilft bei allen Krankheiten, die keiner chirurgischen oder intensivmedizinischen Behandlung bedürfen. Ein sorgfältig ausgewähltes homöopathisches Arzneimittel heilt schnell, sanft, sicher, nebenwirkungsfrei und dauerhaft auch schwere, akute und chronische Erkrankungen, wie Migräne, Neurodermitis, Asthma bronchiale, Colitis, Rheumatismus für die sonst nur Linderung, aber keine Heilung möglich ist. Dies gilt auch für akute Krankheiten bakterieller oder viraler Natur."
Ein gewaltiges, ein großes Versprechen. Abgegeben von Cornelia Bajic, Ärztin und Homöopathin, erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte.
Das Versprechen klingt, als wäre Homöopathie eine ganze normale, unstrittige und vor allem nachgewiesener Maßen wirkungsvolle Therapie. Als könnte Homoöpathie helfen, Krankheiten schnell und einfach zu heilen. Als könnte Homoöpathie mehr als alle anderen Therapien, die Ärzten zur Verfügung stehen. Das Versprechen klingt gut.
Krankheiten heilen – über Jahrhunderte war das die Aufgabe selbsternannter Heiler, die ihren Patienten zur Genesung verhalfen. Oder zum Tod. Der Einfluss der Wissenschaft in die Heilkunst wuchs erst im 18. und 19. Jahrhundert. Erkenntnisse, die heute selbstverständlich erscheinen, mussten sich erst mühsam durchsetzen.
In dieser Zeit, in der es auch noch manch brachiale Vorgehensweise bei der Heilung gab, erfand Samuel Hahnemann die Homöopathie. Sanft, helfend, nebenwirkungsfrei. Und auch noch bezahlbar.
Für homöopathische Präparate wird ein Wirkstoff verdünnt
Arzneimittel - dieser Begriff für homöopathische Mittel ist juristisch irreführend. An Arzneimittel werden besondere Anforderungen gestellt, festgelegt im Arzneimittelgesetz: Sie müssen eine klinische Prüfung bestehen, ihre Wirksamkeit muss nachgewiesen werden. Anforderungen, die an homöopathische Präparate gar nicht erst gestellt werden. Vielleicht ist das auch gar nicht nötig, denn für homöopathische Präparate wird ein Wirkstoff verdünnt. Homöopathen nennen das "potentieren". Dr. Jens Behnke von der Carstens-Stiftung; eine Stiftung, die sich für die Verbreitung der Homöopathie engagiert:
"Das bedeutet, es werden Stoffe verabreicht, die nicht in Substanz, also molekular wägbar, in der Regel, gegeben werden. Sondern solche, die stufenweise verdünnt und verschüttelt werden. Das kann man sich so vorstellen, dass beispielsweise Atropa-Belladonna, die Tollkirsche, die ja stark giftig ist in Substanz, die wird in einem bestimmten Verhältnis verdünnt. Bei den sogenannten C-Potenzen wäre das beispielsweise 1-100. Für Zetensimal. Und eine Verdünnung Atropabelladonna 1-100 mit Alkohol wäre dann die Potenz C1. Dann nimmt man einen Teil dieser C1 Potenz und wieder hundert Teile Lösungsmittel und hätte eine C2 und so geht das munter fort."
Zwischen diesen Verdünnungsvorgängen wird das so hergestellte Mittel noch geschüttelt. Das soll sinnvoll sein – so hatte sich das der Homöopathie-Erfinder vor rund 200 Jahren gedacht.
"Das bedeutet, es werden Stoffe verabreicht, die nicht in Substanz, also molekular wägbar, in der Regel, gegeben werden. Sondern solche, die stufenweise verdünnt und verschüttelt werden. Das kann man sich so vorstellen, dass beispielsweise Atropa-Belladonna, die Tollkirsche, die ja stark giftig ist in Substanz, die wird in einem bestimmten Verhältnis verdünnt. Bei den sogenannten C-Potenzen wäre das beispielsweise 1-100. Für Zetensimal. Und eine Verdünnung Atropabelladonna 1-100 mit Alkohol wäre dann die Potenz C1. Dann nimmt man einen Teil dieser C1 Potenz und wieder hundert Teile Lösungsmittel und hätte eine C2 und so geht das munter fort."
Zwischen diesen Verdünnungsvorgängen wird das so hergestellte Mittel noch geschüttelt. Das soll sinnvoll sein – so hatte sich das der Homöopathie-Erfinder vor rund 200 Jahren gedacht.
Langes Gespräch zwischen Arzt und Patient
Globuli für ein gutes Gefühl bei Patient und Arzt. Ein Gefühl, dass auch durch ein langes Gespräch zwischen Arzt und Patient erzeugt wird. Genau dieses Gespräch ist für viele Homöopathie-Patienten wichtig. Homöopathen gehen seit Erfindung der Homöopathie davon aus, dass ihr Tun und ihre Mittel heilen. Wie - das können sie nicht erklären. Aber sie beharren darauf, dass da etwas wirkt. Das ist ihnen wichtig. Doch gibt es Belege dafür? Kann etwas wirken, was bis unter die Nachweisgrenze verdünnt wurde? Die Naturwissenschaft sagt eindeutig: Nein. Jens Behnke sieht das anders:
"Nein das heißt das sicherlich nicht. Das heißt, dass sie sich nicht mittels eines bestimmten Modells erklären lässt. Nämlich unter Berufung auf die Vorstellung, dass Moleküle auf Zellen wirken. Selbstverständlich lässt sich die Wirksamkeit hochpotentierter Arzneimittel wissenschaftlich untersuchen. Sie lässt sich eben nur nicht mittels einer bestimmten Theorie erklären. Und das scheint auch in der Tat die Problematik zu sein unter der die Homöopathie in der Regel leidet. Dass bestimmte Vorstellungen naturwissenschaftlicher Vorstellungen nicht greifen, wenn man die Homöopathie erklären will. Man geht dann eben den Weg, dass man sagt, ein Phänomen, das hier vorliegt, lässt sich nicht unter Rückgriff auf bestimmte Theorien erklären. Dann gibt es das einfach nicht."
Ärzte arbeiten unter Zeitdruck
Es gibt Naturgesetze. Ebenso gibt es die Regel, dass ein wissenschaftlicher Beweis eben erst dann als erbracht gilt, wenn er unabhängig von anderen reproduzierbar ist. Bei der Homöopathie soll es anders sein: Wenn ein Wirkstoff nicht wirkt, dann ist eben der Patient nicht hinreichend von der Wirkung überzeugt. Oder der Körper ist einfach zu schwach. Das ist das Problem der Homöopathie: Einige glauben an ihre Wirkung, andere nicht. Homöopathie hat ihre Anhänger. Eines der Argumente für die Homöopathie ist der Zeitfaktor. Jemand, der homöopathisch arbeitet, würde zuhören. Das Anamnesegespräch dauert und soll dem Patienten Vertrauen vermitteln. Ärzte arbeiten unter Zeitdruck. Patienten beklagen das – und die Ärzte selbst. Erst seit 2013 können Ärzte ausführliche Patientengespräche über zehn Minuten bei den Krankenkassen abrechnen – bei lebensbedrohlichen Krankheiten. Eine homöopathische Erstanamnese (Dauer mindestens eine Stunde) können Ärzte dagegen bei vielen Krankenkassen problemlos abrechnen.
Claudia Witt war an der Berliner Humboldt-Universität Professorin für Komplementärmedizin. Ihr Lehrstuhl wurde von der Carstens-Stiftung finanziert. Claudia Witt galt als homöopathiefreundlich. In einer Stellungnahme erklärte sie:
"Meine Aussage – dass nicht belegt ist, dass homöopathische Arzneimittel mehr als ein Placebo sind – gilt auch heute noch. Die Studienergebnisse zur Wirksamkeit sind uneinheitlich, und meine Einschätzung basiert auf der zumeist schlechten Qualität der Studien. Man kann aber nicht einfach sagen, Homöopathie sei wirkungslos. Erstens ist Homöopathie mehr als die Gabe von Arzneimitteln. Zweitens ist es methodisch nicht korrekt, einfach den Umkehrschluss zu ziehen, im Sinne von: Nun liege der Beweis vor, homöopathische Arzneimittel seien ein Placebo. Das lässt auch die Qualität der Studien nicht zu. Prinzipiell ist dies aber eher eine akademische Diskussion, die wichtige versorgungsrelevante Information ist: Es konnte nicht gezeigt werden, dass homöopathische Arzneimittel besser wirken als Placebo."
Wer Homöopathie kritisiert, muss mit heftiger Gegenwehr rechnen. Homöopathie ist verbreitet. Die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens von den Grünen, erklärte zur Homöopathie:
"Ich bin überzeugt davon, dass es wirkt, und dass es individuell in vielen Fällen einfach das beste Mittel ist oder beste Weg ist, um die Selbstheilung der Menschen zu aktivieren. Das Zweite ist einfach, dass ich es anmaßend finde, dass irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen, Krankheitsprozesse und Genesungsprozesse mal eben so einfach erklären könnte."
"Ich bin überzeugt davon, dass es wirkt, und dass es individuell in vielen Fällen einfach das beste Mittel ist oder beste Weg ist, um die Selbstheilung der Menschen zu aktivieren. Das Zweite ist einfach, dass ich es anmaßend finde, dass irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen, Krankheitsprozesse und Genesungsprozesse mal eben so einfach erklären könnte."
Kosten für Homöopathie werden von vielen Krankenkassen übernommen. Homöopathie ist auch da privilegiert, denn normalerweise übernehmen Krankenkassen nur die Kosten für Therapien, deren Wirkung zweifelsfrei feststeht. Der Dresdner Arzt Jan Oude-Aost:
Wissenschaftlich ist das widerlegt
"Mich stört an der Homöopathie etwas ganz anderes, nämlich dass es das wissenschaftliche Denken in der Medizin verwässert oder behindert oder ad absurdum führt. Wenn man sagt, so wie das im Moment ist, wir lassen Homöopathie als medizinische Behandlung gelten, dann gibt es keine Maßstäbe mehr im Grunde. Denn nach welchen Maßstäben will man denn Homöopathie messen? Wissenschaftlich ist das widerlegt. Da kann man auch sagen, ich mache astrologische Medizin. Die hilft genauso gut wie Homöopathie, warum soll die nicht auch so wirksam sein, die hat eben nur nicht so eine Tradition."
(Online-Text: md)
Das Manuskript im PDF-Format gibt es hier zum Herunterladen.