Bringt ein Twitter-Coming-out die Trendwende?
07:19 Minuten
Homosexualität ist im Fußball immer noch ein Tabu. Der australische Profispieler Joshua Cavallo hat sich jetzt in einem Video geoutet. Doch Sportjournalist Ronny Blaschke glaubt nicht, dass der mutige Schritt eine grundsätzliche Wende bringt.
In den sozialen Medien erhält Cavallo für sein Coming-out viel Anerkennung. Sein Verein Adelaide United teilt das Video und bekennt sich zu seinem Spieler. Auch europäische Fußballprofis wie der französische Weltmeister Antoine Griezmann oder der spanische Weltmeister Gerard Piqué gratulieren ihm zu der Entscheidung, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Piqué schreibt auf Instagram: "Ich möchte dir für diesen Schritt danken. Die Fußballwelt hängt weit zurück, und du hilfst uns dabei, voranzukommen."
Ersehntes "prominentes" Coming-out
In der Fußballwelt hätten viele ein derart prominentes Coming-out seit Jahren herbeigesehnt, sagt der Sportjournalist Ronny Blaschke. Auch wenn der 21-jährige Joshua Cavallo aus Australien nicht der erste aktive Profispieler sei, der sich zu seiner Homosexualität bekenne. Inzwischen gebe es etwa ein gutes Dutzend in den USA, Norwegen und anderen westlichen Demokratien, die daraus kein Geheimnis machten.
Trotz der Solidarität und Bewunderung, die Cavallo im Augenblick erfahre, erwarte er allerdings nicht, dass sich an den grundlegenden Strukturen im Fußball etwas ändern werde, so Blaschke.
Cavallos Bekenntnis sei ein Schritt in die richtige Richtung, doch es wäre wünschenswert, dass die gleichen Spieler und Vereine, die ihn jetzt für sein Coming-out feiern, künftig auch genauer hinsehen würden, wo ihre Sponsoren ihr Geld verdienen, oder in welchen Ländern die Vereinstrikots hergestellt würden.
Eine Bastion "überkommener Männlichkeit"
"In mehr als 60 Ländern steht Homosexualität immer noch unter Strafe, und die Clubs, die Fußballverbände, die jetzt jubeln, wollen dort natürlich auch nicht auf Umsätze verzichten", sagt Blaschke. Gerade bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar und entsprechenden Trainingslagern in den Arabischen Emiraten handle es sich um Länder, "wo Homosexuelle immer noch mit Strafe, manchmal sogar mit Todesstrafe zu rechnen haben."
Bei den Olympischen Spielen sei man bereits viel weiter, betont Blaschke. An den diesjährigen Spielen in Tokyo hätten mehr als 150 Sportlerinnen und Sportler teilgenommen, die offen homosexuell oder bisexuell leben.
"Außerhalb des Fußballs scheint es ein kleineres Problem zu sein", so der Journalist. Der Fußball sei offenbar "die letzte Bastion dieser harten, überkommenen Männlichkeit." Dafür spreche auch, dass etwa ein ehemaliger Nationalspieler wie Philipp Lahm selbst in Deutschland von einem Coming-out eher abrate.