Programmhinweis: In der Ortszeit ab 22:05 Uhr sendet Deutschlandradio Kultur einen Kommentar von unserem Sportexperten Ronny Blaschke.
"Ein langwieriger und schwieriger Prozess"
Das Thema Homosexualität gehört zu den großen Tabus im Fußball. Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich nun als erster prominenter deutscher Fußballer als schwul geoutet. Er will damit die Diskussion über das Thema voranbringen.
Es ist ein Paukenschlag: Als erster prominenter Fußballspieler hat Thomas Hitzlsperger seine Homosexualität öffentlich gemacht - im Interview mit der "Zeit", das vorab in Auszügen auf "Zeit Online" publiziert wurde.
Er äußere sich zu seiner Homosexualität, sagt Hitzlsperger darin, "weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte". Der 31-Jährige habe das Gefühl, dass jetzt, nach dem Ende seiner Karriere, ein guter Moment dafür gekommen sei. Vor vier Monaten hatte Hitzlsperger, der unter anderem für den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg gespielt hatte, seine Profi-Karriere beendet. Zwischen 2004 und 2010 absolviert der ehemalige Mittelfeldspieler insgesamt 52 Spiele für die Deutsche Nationalmannschaft, darunter bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010. Homosexualität werde im Fußball "schlicht ignoriert", sagt Hitzlsperger. Er kenne bis heute keinen Fußballer persönlich, der das zu seinem Thema gemacht habe.
Das Klischee "Schwule sind Weicheier" passt nicht zum Profisport
Im Profisport seien "Kampf, Leidenschaft und Siegeswille untrennbar miteinander verknüpft". Das passe nicht zu dem Klischee, das sich viele Leute von einem Homosexuellen machten, nämlich: "Schwule sind Weicheier." Er habe sich "nie dafür geschämt, dass ich nun mal so bin". Trotzdem seien die Sprüche der Kollegen nicht immer einfach zu ertragen gewesen.
Das Bewusstsein, homosexuell zu sein, sei "ein langwieriger und schwieriger Prozess" in seinem Leben gewesen. "Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einem Mann zusammenleben möchte", sagt Hitzlsperger.
Seit 2009 arbeitet Hitzlsperger für "Zeit Online" als Kolumnist. Dort widmet er sich Themen wie Homophobie und Rechtsextremismus, die im Sport mit einem gewissen Tabu belegt sind, erklärt Deutschlandradio-Kultur-Sportexperte Thomas Wheeler.
Das Anliegen von Hitzlspergers Outing sei, dass auch aktive Profis offen über ihre Homosexualität sprechen könnten, sagt Thomas Wheeler. Er könne sich durchaus vorstellen, dass sich nun auch andere Spieler anschließen, dass zumindest ein kleiner Antrieb dafür da sei, so Wheeler. Im Fußball gingen die Fans teilweise respektlos mit den Spielern um, wenn sie von deren Homosexualität erfahren. Doch inzwischen gebe es auch homosexuelle Fanclubs. Aber die Toleranz müsse noch wachsen.
"Bin stolz auf dich"
Für seinen Schritt bekam Thomas Hitzlsperger viel Lob - aus Sport, Gesellschaft und Politik. So sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, sein Respekt für Hitzlsperger sei nun noch gewachsen. "Ich stehe zu unserem Wort, dass er von uns jede erdenkliche Unterstützung bekommt."
Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff erklärte: "Als Thomas noch aktiver Nationalspieler war, hatten wir von seiner Homosexualität keine Kenntnis. Er hat sich erst nach seinem Karriereende an uns gewandt und uns darüber informiert." Dass er sich nun auch öffentlich bekenne, verdiene Anerkennung und Respekt. Auch in den sozialen Netzwerken gab es zahlreiche Reaktionen. So twitterte etwa der frühere Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich: "Bin stolz auf dich. Gute Entscheidung und aus meiner Sicht richtiger Zeitpunkt."
Respekt fordert auch der frühere Bundesaußenminister Guido Westerwelle. "Der Schritt in die breite Öffentlichkeit liest sich viel leichter als er tatsächlich ist."
Der Sportbereich sei ein Bereich, der noch "total konservativ ist", sagte die ehemalige Bundesliga-Spielerin und Buchautorin Tanja Walther-Ahrens 2011 im Interview mit Deutschlandradio Kultur. Im Sport gebe es "immer noch ganz, ganz alte Strukturen, die sehr verkrustet sind". Es sei noch immer "so ein Männer-Bund", in dem wenige Frauen vertreten seien. Aber die Gesellschaft insgesamt sei bei dem Thema auch noch nicht weiter als der Sport.
abr mit dpa