Homosexualität und Islam

Schwierige Annäherung

Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin.
Hatte zum Thema Islam und Homosexualität eingeladen: Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin. © picture alliance / dpa / Maja Hitij
Von Kemal Hür |
Der Berliner Moscheeverein hat ein geplantes Treffen von Homosexuellen in einer Moschee abgesagt - der Druck in türkischen Medien war zu hoch. Stattdessen debattierten Moscheevertreter, Politiker und Homosexuelle in einer Kirche über das Thema.
"Was ist schon normal", singt der Berliner Künstler Donato Plögert und prangert damit die Homophobie an. Nun ist "normal" ein schwieriger Begriff, aber gestern Abend in der Kreuzberger Jerusalemkirche stellte sich tatsächlich die Frage: Ist das normal? Denn mit dem Schlager wurde in der Kirche eine Veranstaltung eröffnet, die ursprünglich in einer Moschee stattfinden sollte. Thema: Islam und Homosexualität. Der Vorsitzende der Şehitlik-Moschee, Ender Çetin, formuliert eine sehr liberale Haltung dazu.
"Ich würde, wenn ein homosexueller Muslim in unserer Gemeinde aktiv ist und man auch weiß, dass er homosexuell ist, mich dafür einsetzen, dass er dennoch aktiv ist in unserer Gemeinde und dass er – wenn er diskriminiert werden würde, würde ich mich vehement dagegen wehren. Wenn einer meinetwegen die Identität hat: Ich bin homosexuell, aber ich bin Muslim und möchte das praktizieren, dass das auch zu einer Selbstverständlichkeit werden muss."
"Viele Muslime fühlen sich provoziert"
Eine klare Position, die Ender Çetin auch in seinem Vortrag vor etwa 200 Menschen in der Kirche formuliert, darunter der Berufsverband schwuler Führungskräfte. Doch warum durfte dann die Veranstaltung nicht in der Moschee stattfinden? Çetin sagt, die breite Vorberichterstattung in der Türkei und die darauffolgende Diskussion innerhalb des Berliner Moschee-Vereins hätten den Vorstand zum Handeln und schließlich zur Absage gedrängt.
"Dass das Thema aus der Türkei in der Medienlandschaft so viel auch hier Andrang gefunden hat, dass viele Muslime sich eben provoziert gefühlt haben, auch gedacht haben, die Moschee dient jetzt dafür, dass sie Homosexualität legitimiert, dem wollten wir auf jeden Fall aus dem Wege gehen."
Mit dem Ergebnis, dass der Lesben- und Schwulenverband, LSVD, und das angeschlossene Zentrum für Migranten der Veranstaltung in der Kirche fernblieben. Für den Verband sei es wichtig gewesen, in der Moschee empfangen zu werden. Jouanna Hassoun, die das Zentrum für Migranten beim LSVD leitet und homosexuelle Muslime psychosozial betreut, sieht ihre Klientel dem Zwang ausgesetzt, sich zwischen ihrer sexuellen Orientierung und der Religion entscheiden zu müssen.
"Wenn man Gewalterfahrungen hat, Diskriminierungserfahrung, und dann werden sie natürlich quasi gezwungen, sich entweder für ihre Homosexualität oder für den Islam zu entscheiden. Und wenn man aber beides ist, entscheidet man sich dann eher für die Homosexualität und sagt, wie kann ich einer Religion gehören, die mich nicht akzeptiert."
Sie dürfen ihre Homosexualität nicht ausleben
Jouanna Hassoun berät und betreut aktuell 25 homosexuelle Muslime. Sie kennt schwule Muslime, die zu Ehen gezwungen oder selbst eine Frau geheiratet haben, weil sie ihre Homosexualität in der muslimischen Gesellschaft nicht ausleben dürfen. Auch lesbische Frauen lebten in Ehen mit heterosexuellen Männern. Wenn sie zur Beratung kämen, seien sie oft depressiv, sagt Hassoun.
"Ich kann jetzt keinen Fall nennen, wo ich sagen würde: Er hat es geschafft, das so zu vereinbaren als praktizierender Muslim und als Homosexueller, der keine Depressionen oder psychischen Probleme mit sich bringt."
Ender Çetin betont, dass seine Moschee für die homosexuellen Muslime da sei. Doch, so vermuten Kenner der islamischen Verbände, habe die Şehitlik-Moschee Druck von der Religionsbehörde aus der Türkei bekommen und die Veranstaltung deswegen abgesagt. Denn die Şehitlik-Moschee gehört dem Verband DITIB an. Und dieser gilt als der deutsche Ableger der türkischen Religionsbehörde. Çetin hält trotzdem weiter an einem Dialog mit dem Lesben- und Schwulenverband fest. Und auch dieser ist offen dafür – aber nur in der Moschee. Vermitteln könnte vielleicht Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat.
"Die unterschiedlichen sexuellen Identitäten gibt es in allen Religionen. Und deswegen muss sich auch der Islam diesem Thema öffnen. Denn das ist Alltag. Alltag in der Moschee, weil es diese Menschen gibt. Und deswegen wäre mein Appell an die Stellen, die Druck machen, diesen Druck rauszunehmen und uns hier zu ermöglichen, dass wir diesen Dialog auch in Moscheen führen können."
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