Morde, Korruption und Landraub
Als Präsident hat Juan Orlando Hernández Honduras in einen Militärstaat verwandelt. Das Land versinkt in Chaos und Gewalt. Und obwohl ihm Verbindungen zur Drogenmafia nachgesagt werden, strebt Hernández eine zweite Amtszeit an - mit Billigung der USA.
Eine der höchsten Mordraten weltweit, zahllose Menschenrechtsverletzungen, nicht aufgeklärte Morde und Straftaten gegenüber Umweltaktivisten, dazu kommt an diesem Sonntag die höchst umstrittene Kandidatur des amtierenden rechtskonservativen Präsidenten Juan Orlando Hernández für eine zweite Amtszeit, die die Verfassung gar nicht vorsieht. Die Lage in Honduras ist fatal. Das weiß niemand besser als Joaquín Mejía. Er betreibt einen der letzten regierungskritischen Sender, die im Land zu empfangen sind und ist Teil eines unabhängigen Think-Tanks des Jesuitenordens.
"Und deshalb wird eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung sein, alle legalen und illegalen Möglichkeiten auszuschöpfen, um uns mundtot zu machen, und das sehen wir mit großer Sorge."
Joaquín Mejía geht fest davon aus, dass der alte Präsident auch der neue sein wird: Juan Orlando Hernández, der seine erste Amtszeit genutzt hat, um sich wichtige Alliierte zu suchen: Die großen Medienunternehmen, die Eliten der katholischen und evangelikalen Kirchen sowie das Militär. Ein kluger Schritt, meint Mejía, der als Jesuit der Befreiungstheologie anhängt. Denn regelmäßige Umfragen zeigen, dass die Honduraner diesen Institutionen großes Vertrauen schenken.
"Das zeigt uns auch, mit welcher Art von Gesellschaft wir es hier zu tun haben: Wenn die Honduraner sagen, dass sie der Kirche vertrauen, dann heißt das, dass sie auf göttliche Lösungen warten für die tiefgreifenden Probleme, die wir haben. Und wenn die Menschen sagen, dass sie dem Militär vertrauen, dann heißt das, dass sie auf eine autoritäre Politik der harten Hand setzen."
Genau dafür steht Juan Orlando Hernández. Als Präsident hat er Honduras zusehends in einen Militärstaat verwandelt. So wurden während seiner Amtszeit allein 15 neue militärische Sicherheitsbehörden geschaffen, auch der Verteidigungsetat wurde stark erhöht. Nun erntet er die Früchte seiner Lobby-Arbeit.
"Präsident Juan Orlando Hernández hat Familienangehörige und Freunde auf den wichtigsten Posten der Armee installiert. Deshalb können wir jetzt beobachten wie die Armee, die 2009 geputscht hat, um – in Anführungsstrichen – die Demokratie zu verteidigen, sich heute nicht mehr einmischen will. Heute gibt es einen neuen Verfassungsbruch, aber jetzt sagt die Armee, das sei alles eine politische Frage und würde sie nichts angehen."
Gegen die Interessen der USA geht gar nichts
Sie lässt den Präsidenten gewähren bei seiner Wiederwahl, die laut honduranischer Verfassung eigentlich verboten ist. Vor acht Jahren war das noch ganz anders. Auch der damalige Präsident Manuel Zelaya Rosales wollte die Amtszeitbeschränkung verändern – und dafür per Referendum eine verfassungsgebende Versammlung einberufen. Doch bevor es dazu kam, putschte ihn die Armee aus dem Amt. Zelaya Rosales hatte den Fehler begangen, sich nicht die Unterstützung der Armee zu sichern – und vor allem zu enge Verbindungen zu linken Regierungen in der Region wie Venezuela zu unterhalten, womit er die Wirtschaftselite des Landes, aber auch die USA gegen sich aufbrachte. Gegen die Interessen der Großmacht im Norden können keine wichtigen politischen Entscheidungen in der Region getroffen werden. Die US-Regierung sorgte in den Tagen nach dem Putsch dafür, dass der gestürzte Präsident Zelaya Rosales nicht wieder ins Amt kam – auch wenn die offizielle Version der USA bis heute anders lautet. Aber neuere Untersuchungen beweisen die Einmischung.
Diese Probleme hat der aktuelle Präsident nicht. Der internationale Aufschrei gegen die umstrittene Wiederwahl ist dieses Mal ausgeblieben. In einem seinem bunten, tanzbaren Wahlwerbespot lässt Juan Orlando Hernández verkünden, dass es mit dem Land endlich aufwärts geht.
Seine erneute Kandidatur hat er sich ganz offiziell vom obersten Gerichtshof absegnen lassen. Also formal alles in Ordnung mit der Wahl? Nicht ganz, meint die honduranische Rechtsanwältin Tirza Flores.
"Das Problem ist, dass die Rechtsstaatlichkeit im Land momentan praktisch nicht existiert. Es ist zwar richtig, dass wir auf dem Papier bestimmte Rechtsnormen und Gesetze und eine Verfassung haben, aber die Institutionen, die diese anwenden bzw. ihre Anwendung kontrollieren sollen, werden alle längst vom Präsidenten kontrolliert."
Tirza Flores ist selbst ein Beispiel dafür, dass Richterinnen und Richter in Honduras mittlerweile alles andere als unabhängig sind. Aufgrund ihrer kritischen Position zum Militärputsch von 2009 verlor Flores ihre Stelle als Richterin an einem Berufungsgericht in San Pedro Sula, dem Wirtschaftszentrum des Landes. Die Juristin klagte vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Wiedereinstellung – und bekam Recht. Doch umgesetzt wurde das Urteil vom honduranischen Staat bis heute nicht.
Dabei war die Absetzung von Tirza Flores kein Einzelfall. Auch Verfassungsrichter wurden aus ihrer Position entfernt, weil sie sich als zu unabhängig und renitent gegenüber den Wünschen des Präsidenten erwiesen. Doch dieser begnügt sich längst nicht mehr damit, die drei Staatsgewalten zu kontrollieren. Selbst eine Reform des Strafgesetzbuches in diesem Jahr habe Juan Orlando Hernández genutzt, um seine eigene politische Agenda durchzusetzen, so Flores.
"Diese Chance hat die Regierung ergriffen, um neue Straftatbestände einzuführen, die völlig antidemokratisch sind. Das Einzige, wozu sie dienen, ist die Kriminalisierung der sozialen Protestbewegungen oder der Meinungsfreiheit. So ist der Straftatbestand des Terrorismus nun sehr offen definiert, z.B. stellt es schon einen terroristischen Akt dar, wenn man die Bevölkerung oder Teile von ihr in Angst versetzt. Das ist so windelweich formuliert, dass das sehr breit ausgelegt werden kann."
"Honduras ist das gefährlichste Land für Umweltaktivisten"
Wer künftig eine Demonstration anführt, kann schnell des Terrorismus angeklagt werden und muss mit harten Strafen rechnen – ebenso wie Journalisten, die darüber berichten. Dass die Einhaltung von Menschenrechten nicht ganz oben auf der präsidialen Agenda steht, ist ein offenes Geheimnis – auch wenn die Regierung gerne das Gegenteil behauptet. Ein Beispiel für das harte Vorgehen des honduranischen Staates sind die Proteste der Studentinnen und Studenten für mehr Mitbestimmung an der staatlichen Universität UNAH, die von Sicherheitskräften wiederholt mit Repressionen, Gewalt und Verhaftungen beantwortet wurden. Im Frühjahr diesen Jahres veröffentlichte die internationale Nichtregierungsorganisation "Global Witness" einen Bericht, der Honduras zum "gefährlichsten Land der Welt für Umweltaktivisten" erklärt. Laut Recherchen der Organisation sind seit 2010 in Honduras mehr als 120 Aktivisten ermordet worden. Der wohl prominenteste Fall war der von Berta Cáceres, einer international bekannten Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, die eine Protestbewegung gegen das Wasserkraftwerk Agua Zarca anführte und im März 2016 von Auftragsmördern erschossen wurde.
"Agua Zarca ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt für eine Widerstandsbewegung, die es nicht nur in Lateinamerika, sondern auf der ganzen Welt gibt."
Das sagt der Mexikaner Gustavo Castro, selbst Umweltaktivist und einziger Augenzeuge des tödlichen Attentats auf Berta Cáceres. Denn Agua Zarca ist nur ein Beispiel von vielen. Seit dem Militärputsch von 2009 sind im ganzen Land zahllose Konzessionen für Bergbau-, Infrastruktur- und Energieprojekte vergeben worden, an denen meist internationale Unternehmen und Banken beteiligt sind. Im Fall von Agua Zarca etwa waren dies eine finnische und eine niederländische Entwicklungsbank; das deutsche Unternehmenskonsortium Voith Hydro unter Beteiligung von Siemens war für die Lieferung der Turbinen zuständig. Erst nach großem internationalen Druck stellten sowohl die Banken als auch Voith Hydro die Zusammenarbeit ein. Die oft heftigen Proteste gegen die Projekte durch die lokale Bevölkerung, die oft nicht an den Entscheidungen beteiligt wird, verhallen dagegen meist ungehört.
Um dem Scheitern des Rechtsstaates etwas entgegenzusetzen, hat im Frühjahr 2016 die Mission zur Unterstützung des Kampfes gegen die Korruption und Straflosigkeit in Honduras – kurz MACCIH – ihre Arbeit aufgenommen. Vorausgegangen waren monatelange Massenproteste im Land, ausgelöst durch einen Korruptionsskandal im System der honduranischen Sozialversicherung. Die Demonstranten hatten eine starke Antikorruptionsbehörde ähnlich der in Guatemala gefordert. Dort hatte die Behörde mit UN-Mandat nach akribischen Ermittlungen im Sommer 2015 die gesamte Regierung aufgrund eines Korruptionsskandals zu Fall gebracht. Guatemala war so über Nacht zum Vorbild im Kampf gegen die Korruption und Straflosigkeit für Länder in der ganzen Region geworden. Doch die honduranische Regierung wehrte sich gegen die Einmischung durch die neue Behörde, das Mandat der MACCIH ist entsprechend schwach – und die bisherigen Ergebnisse sind bescheiden.
"Wenn sie nicht die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hat, dann wird sie kaum Veränderungen bewirken können, weil wenn es jemanden gibt, der überhaupt kein Interesse an der MACCIH hat, dann ist es die honduranische Regierung, die natürlich auch kein Interesse daran hat, dass Straflosigkeit und Korruption untersucht werden. Deshalb braucht die MACCIH die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der honduranischen Gesellschaft, um aktiv werden zu können."
Doch die honduranische Gesellschaft sei selbst uneins darüber, wie sie mit den totalitären Tendenzen im Land umgehen soll, sagt die Anwältin Tirza Flores.
"Es gibt diejenigen, die denken, dass man aus Protest gegen das "Weiter so" die Opposition wählen sollte, aber es gibt auch andere Menschen in der gleichen Protestbewegung, die denken, dass man gar nicht wählen sollte, weil man so nur die Wahlen legitimiert. Ich persönlich denke, es ist wichtig zu wählen, auch um zu zeigen, dass es eine Opposition gibt, sonst spielt man dem Präsidenten doch nur in die Hände."
Chancen auf einen Wahlsieg kann sich die Allianz dreier oppositioneller Parteien, der auch die Partei LIBRE des gestürzten Ex-Präsidenten Manuel Zelaya Rosales mit angehört, wohl nicht ausrechnen – zumal auch die Wahlbehörden fest in der Hand der Regierung sind.
Drogengelder für den Präsidenten?
Bestätigt wird die Opposition aber durch aktuelle Ermittlungen von New Yorker Staatsanwälten. Danach soll die Drogenmafia gute Verbindungen zu höchsten politischen Kreisen in Honduras haben und der Präsident Orlando Hernández Drogengelder in sechsstelliger Höhe erhalten haben. Damit, so die Anschuldigungen, habe er seine Wahlkampagne 2013 finanziert. Die New York Times brachte die Geschichte ans Licht. Doch honduranische Medien griffen das Thema kaum auf, und die USA haben den Präsidenten noch längst nicht fallengelassen, meint Flores.
"Da sehen wir doch die Doppelmoral der US-Regierung. In ihrem offiziellem Diskurs kämpft sie gegen den Drogenhandel, aber wenn ein Präsident in einem bestimmten Land ihren Interessen dient, dann unterstützen sie ihn, solange er ihnen eben nützt. Und solange der Präsident die Unterstützung der USA hat, ist es kaum denkbar, dass die Vorwürfe ihm schaden."
Denn auch wenn Juan Orlando Hernández alles andere als ein Demokrat ist – solange er zumindest dafür sorgen kann, eine linkspopulistische Regierung im Land zu verhindern und internationalen Investoren die Türen öffnet, ist er genehm. Die US-Botschaft in Tegucigalpa hat sich bisher auffällig zurückgehalten mit eigenen Meinungsäußerungen zu den Anschuldigungen gegen den Präsidenten. Doch die USA wüssten aus der Situation einen strategischen Vorteil zu ziehen, meint der Jesuit Joaquín Mejía.
"Es ist üblich, dass die USA solche Information nutzen. Sie haben damit etwas in der Hand gegen den Präsidenten, der wichtig ist für die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen in der Region."
Soll heißen: Die USA erlauben Juan Orlando Hernández zwar die Wiederwahl, aber nach der nächsten Amtszeit ist endgültig Schluss. Für viele Honduraner sind die Wahlen vom kommenden Sonntag deshalb längst abgehakt. Jetzt sei es wichtig, an die nächsten Schritte zu denken, um zu verhindern, dass Honduras endgültig in die Diktatur abgleite, mein Mejía.
"Hier wissen doch alle, dass der nächste Präsident von Honduras wieder Juan Orlando Hernández sein wird, das ist doch allen klar. Das heißt der Plan ist jetzt, eine Bewegung aufzubauen, die dafür sorgt, dass er nicht Präsident bleibt, und die ihn in den nächsten zwei Jahren zum Rücktritt zwingt."