Hongkonger Verleger Jimmy Lai

Kämpfen bis zum letzten Tag

24:08 Minuten
Jimmy Lai steht vor einer dunklen Wand und schaut ins Licht
Gilt in China offiziell als Staatsfeind: der Verleger Jimmy Lai (71). © laif / Redux / Brent Lewin
Von Steffen Wurzel |
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"Ich habe schon lange aufgehört, mich von Angst leiten zu lassen": Jimmy Lai, milliardenschwerer Selfmademan und Verleger, bietet der chinesischen Führung die Stirn. Anstatt zu kuschen, geht er mit seiner Zeitung "Apple Daily" in die Offensive.
Chinas staatlicher Fernsehsender CCTV berichtete Mitte April ausführlich über Jimmy Lai. Genauer gesagt über die Festnahme des 71-Jährigen. Der Vorwurf der Behörden: Lai habe in Hongkong nicht genehmigte Demonstrationen und Versammlungen mitorganisiert, gemeinsam mit 14 weiteren Aktivistinnen und Aktivisten. Im Bericht des chinesischen Staatsfernsehens wird dieser Vorwurf als erwiesen dargestellt, der CCTV-Sprecher verliest minutenlang eine schriftliche Erklärung der chinesischen Behörden zum Thema. Die Unschuldsvermutung und viele andere Elemente von Rechtsstaalichkeit gibt es in Festlandchina nicht.
Kurz nach seiner Festnahme kommt Jimmy Lai im April wieder auf freien Fuß, mit Auflagen: Er darf zum Beispiel die Sonderverwaltungsregion Hongkong nicht verlassen.
Er werde weiterkämpfen bis zum Schluss, sagt der exzentrische Verleger im Gespräch mit der ARD, egal, was Chinas Führung mit ihm vorhabe. Weil er ohnehin nicht wisse, was genau auf ihn zukomme.

Eine typische Hongkonger Karriere

Der Hongkonger Jimmy Lai verkörpert vieles, wofür die autonom regierte Stadt im Süden von China berühmt und berüchtigt ist. Geboren wurde er Ende 1948 in der chinesischen Provinz Guangdong. Ein Jahr später kamen die Kommunisten an die Macht und gründeten in Peking die Volksrepublik China. Es kam zu verheerenden Hungersnöten. Um diesen zu entkommen, flüchtete Jimmy Lai nach eigenen Angaben im Alter von 13 nach Hongkong, auf eigene Faust, wie es heißt.
An Bord eines kleinen Bootes setzte er von Guangdong ins damals britische Hongkong über. In den folgenden Jahrzehnten legte Lai Chee-Ying, so sein chinesisch-kantonesischer Name, eine typische Hongkonger Karriere hin: vom Tellerwäscher zum Millionär, beziehungsweise vom Klamotten-Fabrikarbeiter zum millardenschweren Textilunternehmer.

In Macao gibt es bereits ein Sicherheitsgesetz. Welche Konsequenzen dieses Gesetz dort hatte, darüber spricht unser Korrespondent Axel Dorloff im Interview:
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Und zum einflussreichen Medien-Tycoon: Zwei Jahre vor der Übergabe Hongkongs an China gründete Jimmy Lai 1995 die Tageszeitung "Apple Daily". Bis heute gilt die Zeitung als Sprachrohr des prodemokratischen politischen Lagers der Stadt. Und ihr Verleger Jimmy Lai ist einer der lautesten Kritiker der Staats- und Parteiführung in Peking. Das von ihr auf den Weg gebrachte Sicherheitsgesetz für Hongkong bezeichnet Lai als schockierend:
"Das Gesetz wird Hongkong zerstören, denn ohne Rechtsstaatlichkeit wird unser Status als internationales Finanzzentrum zerstört. Die Hongkonger Geschäftswelt wird keinen Schutz mehr haben. Es wird nur noch die Möglichkeit geben, Behördenmitarbeiter zu bestechen. Das wäre dann wie in Festlandchina."

Statt zu kuschen, geht Lai in die Offensive

Aus seinem Hass auf die kommunistische Führung in Peking macht Jimmy Lai keinen Hehl. Das hat den 71-Jährigen in Festlandchina zum offiziellen Staatsfeind gemacht: Chinas staatliche Medien bezeichnen Jimmy Lai inzwischen als Mitglied einer "Viererbande", einer Gruppe von vier einflussreichen Hongkongerinnen und Hongkongern, die die teils gewaltsamen Straßenproteste vergangenes Jahr angezettelt haben sollen. Schweigen wolle er trotzdem nicht, sagt Jimmy Lai.
"Ich habe schon lange aufgehört, mich von Angst leiten zu lassen. Was die Kommunisten sehr geschickt machen, ist Angst erzeugen, um andere zu unterwerfen. Wenn ich jedes Mal über die Konsequenzen nachdenken würde, nur weil ich Angst habe, dann könnte ich nichts mehr tun und nichts mehr sagen."

Mit den Hongkonger Protesten solidarisiert sich auch eine Mehrheit der Menschen in Taiwan. Denn dort fürchtet man, ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Hören Sie dazu den Beitrag von Carina Rother.
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Jimmy Lai macht stattdessen genau das Gegenteil. Mit seiner Zeitung "Apple Daily" geht er medial in die Offensive. Sowohl die gedruckte Version der Tageszeitung als auch die sehr erfolgreichen Online-Angebote berichten kritischer denn je über den steigenden Einfluss der chinesischen Zentralregierung auf Hongkong. Das hat wirtschaftliche Folgen: Staatliche Stellen und staatsnahe Firmen schalten schon seit langem keine Werbung mehr in Jimmy Lais Medien. Auf Druck der Führung in Peking, wie er vermutet:
"Wir verlieren eine Menge Geld. Es ist also ein sehr schwieriges Geschäft. Aber wir müssen trotzdem weitermachen, allein schon, weil wir die Verantwortung gegenüber dieser Gesellschaft haben. Wir sind nach wie vor die größte Zeitung mit den meisten Lesern. Wenigstens sind wir hier die Stimme des Volkes. Das ist wichtig für Hongkong. Wir machen also weiter."
Die Menschen in Hongkong hätten angesichts des steigenden Drucks aus Peking nur noch zwei Möglichkeiten, sagt Jimmy Lai: Entweder auswandern oder bleiben, um zu kämpfen. Er habe sich für letzteres entschieden: Bis zum letzten Tag werde er kämpfen.
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