Keine Gefahr für die Potenz
Chemikalien können unser Hormonsystem stören und unsere Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Darauf macht aktuell die EU-Kommission aufmerksam. Udo Pollmer hält das für Umweltalarmismus - und warnt vor einer anderen Gefahr.
"Endokrine Disruption" heißt ein neues Schlagwort aus dem Sprachschatz der Umweltalarmisten. Gemeint ist eine Beeinflussung hormoneller Abläufe durch Fremdstoffe.
Vom Gefühl her klingt natürlich alles, was an die Hormone geht, irgendwie bedrohlich. Doch es gibt nichts in unserem Leben, das nicht geeignet wäre, hormonelle Abläufe zu beeinflussen und zu verändern. Diese Regelkreise sind ja dafür da, dass der Körper in einer ständig wechselnden Umwelt schnell reagieren kann und sich anpasst, egal ob es ihm kalt wird oder ob uns Angst vor endokrinen Disruptoren beschleicht.
Hormonelle Störung schwer zu definieren
Wer einen Gurkensalat essen will, dessen endokrine Botenstoffe werden schon beim Anblick aktiv, um die Verdauung vorzubereiten. Auch in Gegenwart eines geliebten Menschen melden sich allerlei Hormone erwartungsfroh zu Wort, die ansonsten entspannt vor sich hindümpeln.
Es ist schwierig, eine biologisch normale Reaktion von einer hormonellen "Störung" zu unterscheiden, noch dazu wenn sie aus Reagenzglasversuchen abgeleitet wird. Bei Bedarf lässt sich jedes Resultat als Risiko deuten.
Beispiel gefällig? Dänische Verbraucherschützer kämpfen gegen Kaugummi, weil diese Antioxidantien enthalten. In Zellkulturen habe man minimale Veränderungen an Rezeptoren für Hormone beobachtet. Daraus folgern die Verbraucherschützer, Kindern drohe Gefahr durch endokrine Disruptoren. Ein weit stärkerer "endokriner Disruptor" ist ein ärgerliches Fernsehprogramm. Das sorgt für Stresshormone und fördert damit Herzinfarkt. Nur am Rande: Hier würden natürlich Kaugummis helfen, weil Kauen Stress abbaut.
Beispiel gefällig? Dänische Verbraucherschützer kämpfen gegen Kaugummi, weil diese Antioxidantien enthalten. In Zellkulturen habe man minimale Veränderungen an Rezeptoren für Hormone beobachtet. Daraus folgern die Verbraucherschützer, Kindern drohe Gefahr durch endokrine Disruptoren. Ein weit stärkerer "endokriner Disruptor" ist ein ärgerliches Fernsehprogramm. Das sorgt für Stresshormone und fördert damit Herzinfarkt. Nur am Rande: Hier würden natürlich Kaugummis helfen, weil Kauen Stress abbaut.
Dänische Langzeitstudie: Zeugungsfähigkeit sinkt nicht
Anlass für das Schlagwort von den "endokrinen Disruptoren" war eine dänische Studie, die 1992 für Aufregung sorgte: Es hieß, die Zahl der Spermien würde seit 50 Jahren kontinuierlich abnehmen und eines Tages sei es vorbei mit der menschlichen Fortpflanzung. Als Ursache wurde über die Belastung mit Chemikalien spekuliert. Seither geistert die Idee durch die Köpfe, die Männerwelt würde durch Weichmacher impotent und durch Pestizide unfruchtbar. Allerdings keimten schnell Zweifel an der Studie auf, da die Daten aus aller Herren Länder kamen, von Industrienationen bis zur Dritten Welt. Doch schon innerhalb eines Landes fielen die Ergebnisse höchst unterschiedlich aus.
Um diese Frage zu klären, finanzierte die dänische Regierung den Autoren die systematische Erforschung: Von 5000 Rekruten wurden 16 Jahre lang Samen- und Blutproben erhoben, Fragebögen ausgefüllt und analysiert. Es war die größte und aufwendigste Studie, durchgeführt mit den solidesten Methoden. Geduldig wartete die wissenschaftliche Gemeinde auf das Ergebnis. Doch die Forscher schwiegen beharrlich, warnten aber eindringlich vor den hormonellen Tücken der Umweltgifte. Schließlich erzwangen die Geldgeber die Herausgabe der Daten.
Ergebnis: Die These, dass die Zeugungsfähigkeit der Dänen sinkt, war eindeutig falsch, der Trend geht in die andere Richtung. Auch Studien aus anderen Ländern bestätigen dies. Wenn es überhaupt einen Einfluss endokriner Disruptoren gibt, dann ist er geringer denn größer geworden. Doch die Idee hat sich inzwischen verselbständigt. Überall werden nun Risiken vermutet, egal ob Antioxidentien im Kaugummi oder Weichmacher in Babyfläschchen.
Um diese Frage zu klären, finanzierte die dänische Regierung den Autoren die systematische Erforschung: Von 5000 Rekruten wurden 16 Jahre lang Samen- und Blutproben erhoben, Fragebögen ausgefüllt und analysiert. Es war die größte und aufwendigste Studie, durchgeführt mit den solidesten Methoden. Geduldig wartete die wissenschaftliche Gemeinde auf das Ergebnis. Doch die Forscher schwiegen beharrlich, warnten aber eindringlich vor den hormonellen Tücken der Umweltgifte. Schließlich erzwangen die Geldgeber die Herausgabe der Daten.
Ergebnis: Die These, dass die Zeugungsfähigkeit der Dänen sinkt, war eindeutig falsch, der Trend geht in die andere Richtung. Auch Studien aus anderen Ländern bestätigen dies. Wenn es überhaupt einen Einfluss endokriner Disruptoren gibt, dann ist er geringer denn größer geworden. Doch die Idee hat sich inzwischen verselbständigt. Überall werden nun Risiken vermutet, egal ob Antioxidentien im Kaugummi oder Weichmacher in Babyfläschchen.
Sojaeiweiß nachweislich schädlich
Es steht jedoch zu befürchten, dass sich der Trend bald umkehren dürfte. Nicht wegen komischer Chemikalien, sondern weil immer mehr Menschen Sojaeiweiß konsumieren. Das enthält unstrittig beachtliche Mengen an pflanzlichen Sexualhormonen. Gefährdet sind vor allem Kinder. In einem Fachblatt der Pädiatrie rechnen die Autoren vor, dass ein Säugling, der "ausschließlich mit Sojaformula ernährt wird, täglich etwa die Dosis von fünf Antibabypillen zu sich nimmt". Diese Hormone schaden der intellektuellen Entwicklung, dem Immunsystem und der Fortpflanzung – vor allem bei Jungs.
Die Folge: Immer mehr Mütter flößen ihren Babys Sojahormone ein, weil sie "Pflanzenmilch" für "gesünder" halten und ängstigen sich dabei vor endokrinen Disruptoren, die im Kunststoff der Fläschchen lauern könnten. Mahlzeit!
Literatur
EU-Kommission: Brüssel stellt Kriterien für hormonschädigende Chemikalien vor. Pressemeldung 16. Juni 2016
Carlsen E et al: Evidence for decreasing quality of semen during past 50 years. British Medical Journal 1992; 305: 609-613
Bonde JP et al: Trends in sperm counts: the saga continues. Epidemiology 2011; 22: 617-619
Zaruk D: My sperm is fine – the myth of endocrine disruption. The Risk-Monger 25 Okt. 2013
Bhatia J, Greer F: Use of soy protein-based formulas in Infant feeding. Pediatrics 2008; 121: 1062-1068
Søndergaard N: Children’s chewing gum contains endocrine disrupting substances. Forbrugerrådet Tænk Kemi, Kopenhagen, 9. Juli 2015
Irvine CH et al: The potential adverse effects of soybean phytoestrogens in infant feeding. New Zealand Medical Journal 1995; 24: 318
Sheehan DM et al: Isoflavone content of breast milk and soy formulas: benefits and risks. Clinical Chemistry 1997; 43: 850-852
Badger TM et al: The health consequences of early soy consumption. Journal of Nutrition 2002; 132: 559S-565S
Nguyenle T et al: An investigation on the extraction and concentration of isoflavones in soy-based products. Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis 1995; 14: 221-232
Napier ID et al: Testicular development in male rats Is sensitive to a soy-basedd diet in the neonatal period. Biology of Reproduction 2014; 90: 1-12
Bar-El DS, Reifen R: Soy as an endocrine disruptor: cause for caution? Journal of Pediatric Endocrinology and Metabolism 2010; 23: 855-861
Pop A et al: Individual and combined in vitro (anti)androgenic effects of certain food additives and cosmetic preservatives. Toxicol In Vitro. 2016; 32: 269-277
Literatur
EU-Kommission: Brüssel stellt Kriterien für hormonschädigende Chemikalien vor. Pressemeldung 16. Juni 2016
Carlsen E et al: Evidence for decreasing quality of semen during past 50 years. British Medical Journal 1992; 305: 609-613
Bonde JP et al: Trends in sperm counts: the saga continues. Epidemiology 2011; 22: 617-619
Zaruk D: My sperm is fine – the myth of endocrine disruption. The Risk-Monger 25 Okt. 2013
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Nguyenle T et al: An investigation on the extraction and concentration of isoflavones in soy-based products. Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis 1995; 14: 221-232
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Bar-El DS, Reifen R: Soy as an endocrine disruptor: cause for caution? Journal of Pediatric Endocrinology and Metabolism 2010; 23: 855-861
Pop A et al: Individual and combined in vitro (anti)androgenic effects of certain food additives and cosmetic preservatives. Toxicol In Vitro. 2016; 32: 269-277