Horsegirl: "Versions of Modern Dance"

Die Retterinnen des Punk

06:29 Minuten
Drei junge Frauen auf einem Schwarz-Weiß-Foto. Die ganz links hat lange Haare, die Frau in der Mitte und die rechts tragen fransige Pilzkopffrisuren.
Horsegirl veröffentlichen ihr Debütalbum auf Matador, Kim Gordon von Sonic Youth liket die Posts der Band. © Beggars Group / Cheryl Dunn
Von Laura Aha |
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Eben noch auf der High-School, schon der Liebling der Musikpresse: Horsegirl aus Chicago sind die Aufsteigerinnen der Stunde. Und dann hat ihnen auch noch das Label ihrer Vorbilder einen Plattendeal angeboten. Nur an Schockpotenzial fehlt es der Band.
Eine Albumrezension im "Rolling Stone" noch bevor man den Schulabschluss in der Tasche hat – davon träumt wohl jede Teenieband. Penelope Lowenstein hat die Erfahrung schon während ihrer High-School-Zeit gemacht und wurde vielfach daraufhin angesprochen und angetextet. Auch sonst scheinen Horsegirl den Rockstar-Traum vergangener Jahrzehnte zu leben.
Die Geschichte von Horsegirl ist fast zu schön, um wahr zu sein: Drei beste Freundinnen gründen eine Band, covern zuerst Sonic Youth und erobern dann mit ihren eigenen Songs die Kellerclubs Chicagos.

Debüt auf dem Label der Vorbilder

Schließlich landen sie einen Plattendeal – auf dem Label Matador, auf dem auch all ihre musikalischen Helden und Heldinnen Alben rausgebracht haben: Yo La Tengo, Pavement und natürlich Sonic Youth.
"Es war total surreal für uns, dass Matador überhaupt unseren Namen kannte", sagt Gitarristin und Sängerin Nora Cheng: "Wir sind eine Highschool-Band. Es ist eine krasse Ehre. Ich glaube wir haben das noch gar nicht richtig verarbeitet."

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Das Album haben Horsegirl in Chicago aufgenommen, in den Electrical Audio Studios. Hier haben schon Nirvana die Platte „In Utero“ eingespielt.
Mit ihrer Slacker-Attitude, dem Shoegaze-Gesang und dem verhallten Noiserock werden Horsegirl von der Musikpresse häufig in einem Atemzug mit My Bloody Valentine oder eben Sonic Youth genannt.

Kim Gordon liked Horsegirl

Kim Gordon, Ex-Bassistin und eine der Stimmen bei Sonic Youth, gefällt das offenbar – sie vergibt Herzchen und Likes unter den Social-Media-Postings der jungen Band.
Sind Horsegirl also die Wunschkinder alternder Rock-Legenden, die Gitarrenmusik wieder cool machen sollen? Horsegirl haben jedenfalls genau das vor: Bringing Punkrock back.

Gitarrenmusik sollte für junge Leute sein - die Energie, die Idee, alles selbst zu machen. Seit wir Kinder waren, war Rockmusik eher nichts für junge Leute. Wir wollen junge Menschen für Rockmusik begeistern und ihnen zeigen, dass das Musik für sie ist, die in der Jetzt-Zeit passiert.

Penelope Lowenstein, Sängerin und Gitarristin

Riesige CD-Sammlungen

Auch sonst scheren Horsegirl sich nicht um aktuelle Trends: Statt TikToks filmen sie in Sepia getauchte Super-8-DIY-Musikvideos in den WGs ihrer Freunde und Freundinnen. Auf ihrem Instagram-Feed sieht man die Band analoge Fanzines zusammenkleben.

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Und sie treffen sich, um sich gegenseitig CDs vorzuspielen. Ja, richtig gelesen: CDs!  
"Wir haben alle riesige CD-Sammlungen. Mein Auto hat keinen Aux-Anschluss, also mussten wir CDs kaufen", erklärt Schlagzeugerin Gigi Reece, wie es dazu kam. "Und dann haben wir gemerkt, was das für ein cooles Medium ist: Billiger als Vinyl und man hat dieses lustige Plastikquadrat, mit den ganzen Infos zum Album."
Horsegirl feiern nicht nur die Musik der Generation ihrer Eltern, sondern auch deren Tonträger.

Mehr als nur Nostalgie

Und die Elterngeneration feiert Horsegirl: Gigi Reece berichtet von etlichen Rückmeldungen à la "Mein Vater liebt Eure Musik!"
Natürlich erfinden Horsegirl das Effektpedal nicht neu. Trotzdem geht es hier nicht um reine Nostalgie: Horsegirl inszenieren sich mit ihrer analogen Ästhetik einerseits als authentischer Gegenentwurf zur Generation TikTok.
Andererseits verkörpern sie dadurch geradezu mustergültig den Zeitgeist, in dem das musikalische Archiv so präsent ist wie nie zuvor. Über TikTok entdecken Teenies heute Acts wie Fleetwood Mac oder Kate Bush und bringen sie in die Charts.
Umgekehrt stoßen Horsegirl-Fans dank der jungen Band vielleicht auf Sonic Youth.

Begeisterung für Soundexperimente

Trotz aller Referenzen hat ihr Sound einen Wiedererkennungswert. Denn bei aller Coolness-Pose hört man den Songs die fast kindliche Begeisterung für Soundexperimente deutlich an. Die Musik von Horsegirl wirkt eher zeitlos, statt aus der Zeit gefallen.
Das Einzige, was die Band mit ihren verzerrten Gitarren wahrscheinlich nicht schaffen wird, ist ihre Eltern zu schocken.
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