Horst Bredekamp, Der Behemoth. Metamorphosen des Anti-Leviathan
Duncker & Humblot, Berlin 2016
117 Seiten, 24,90 Euro
Zwei Ungeheuer als Symbolfiguren des Politischen
Behemoth und Leviathan, die beiden Ungeheuer des Alten Testaments, stehen im Zentrum des neues Buches des Kunsthistorikers Horst Bredekamp. In "Der Behemoth - Metamorphosen des Anti-Leviathan" verfolgt er deren kulturgeschichtlichen Bedeutungswandel bis in die Jetztzeit.
Als mächtiger Souverän gibt sich Gott zu erkennen, als er die Klage des vor den Trümmern seines Lebens stehenden Hiob zurückweist und er an die beiden biblischen Ungeheuer erinnert, die er geschaffen hat. Es sind Behemoth das starke mächtige Monstrum des Landes, das Gras frisst, und der Leviathan, das schreckliche schlangenförmige Wasserwesen. Gott weiß, dass Hiob nicht in der Lage ist, diese beiden Ungeheuer zu domestizieren, aber er kann mit ihnen spielen.
Horst Bredekamp interessiert sich für den ikonographischen Bedeutungswandel der beiden Ungeheuer im Laufe der Jahrhunderte. In Thomas Hobbes 1651 erschienenem Buch "Leviathan" ist auf dem Frontispiz ein gekrönter Souverän zu sehen, der in der rechten Hand das Schwert und in der linken das Zepter hält. Er setzt sich aus einer Vielzahl von Menschen zusammen. Hobbes’ Herrscher, eine Riesengestalt, ist als souveräner Herrscher der Garant, der den Bürgerkrieg, für den der Behemoth steht, beenden kann.
Zwei Symbilfiguren des Politischen
Auch über den Behemoth hat Hobbes eine Studie geschrieben, die aber erst postum veröffentlicht wurde. Beide Wesen werden seit Hobbes als Symbolfiguren des Politischen verstanden und in dieser Bedeutung interessieren sie Bredekamp: der Behemoth, ein Ungeheuer, das für den Kriegszustand steht und sein Antipode, der Leviathan, der als Friedensstifter gilt. Für Hobbes bestand das Ziel der Politik darin, sich unter den Souverän unterzuordnen, weil er die Beendigung des Bürgerkrieges garantiert. Allein der Leviathan wäre in der Lage, den Behemoth in Schach zu halten.
Nach Hobbes hat sich im 20. Jahrhundert auch der umstrittene Staatsrechtler Carl Schmitt mit beiden Monstren befasst. Für Schmitt ist das mit dem Leviathan in Verbindung gebrachte Staatsgebilde allerdings nur "Fassade", denn nach außen wird verborgen, dass rivalisierende Individuen im Innern versuchen, den Staat auszuhöhlen. Übertragen auf den Leviathan bedeutet dies, das die Fassade für etwas anderes steht, als sich im Innern zeigt. Architektonisch anschaulich zeige sich dies an der Kathedrale von Santiago de Compostela – bei der sich hinter der barocken Außenfassade ein karger romanischer Innenraum verbirgt.
Welches ist die Zeit für den starken Souverän
Während sich Schmitt nach 1945 von den beiden biblischen Monstra ab- und der lächelnden Daniel-Figur an der Pórtico de la Gloria in Campostela zuwendet, erfährt der Behemoth im 20. Jahrhundert eine erstaunliche Aufwertung. Er steigt zum Sinnbild der Demokratie auf. In ihm wird die Alternative zu allen autoritativen Herrschaftsformen gesehen, die sich auf Hobbes Leviathan gründeten.
Bredekamp wirft am Ende dieser ungemein erhellenden und auf zahlreiche Abbildungen zurückgreifenden Studie die Frage auf, ob wir uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht in einer Welt befinden, die Hobbes als Gefahr vor Augen hatte, als er den starken Souverän forderte, um den Bürgerkrieg zu beenden. Doch Bürgerkrieg herrscht, seit die Souveräne entmachtet worden sind. In Andrej Swajginzews Film "Leviathan" (2014) sitzt ein Junge weinend neben dem Skelett eines Wals, dem verendeten Leviathan.