Heidi Horten Collection in Wien

Große Kunst und eine fragwürdige Vergangenheit

08:05 Minuten
Die Außenansicht des Wiener Privatmuseums "Heidi Horten Collection".
Ein neues Museum für Wien: Die "Heidi Horten Collection" zeigt hochkarätige Kunst, vor allem aus der Moderne. © picture alliance / dpa / Helmut Fohringer
Peter Hoeres im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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Die hochkarätige Privatsammlung der Milliardärin Heidi Goëss-Horten wird nun im Wiener Stadtzentrum in einem eigens dafür gebauten Museum ausgestellt. Im Blickpunkt: Werke von Basquiat, Warhol und Rauschenberg - und die Geschichte des Horten-Vermögens.
Die hochkarätige Kunstsammlung der Milliardärin Heidi Goëss-Horten wird dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die zurückgezogen lebende Mäzenin hat im Wiener Stadtzentrum in Toplage ein kompaktes Museum bauen lassen, die "Heidi Horten Collection". Diese öffnet nun die Pforten.

Besonders Tiermotive sind zu sehen

Um die Architektur des Hauses wirken zu lassen, werden vorerst nur 50 der etwa 500 Werke aus dem Besitz der 81-jährigen Sammlerin gezeigt. Neben Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol und Robert Rauschenberg sind vor allem zeitgenössische Arbeiten zu sehen. Besonders Tiermotive spielen eine wichtige Rolle für Goëss-Horten, die Kunst nach eigenem Bekunden "oft aus dem Bauch heraus" kauft.
Im Museum Heidi Horten Collection steht ein großer goldener Hase als Kunstwerk.
Faible für Tiere: goldener Hase in der Heidi Horten Collection.© picture alliance / dpa / Karl Schöndorfer
So funkelt im Eingangsbereich die Skulptur eines Dinosauriers, die vom österreichischen Künstler Constantin Luser aus überlangen, aber spielbaren Blechblasinstrumenten geformt wurde. Der Kopf des Tieres ragt in den ersten Stock des Museums, das in einem Innenhof neben der Wiener Staatsoper und dem Museum Albertina errichtet wurde. Dafür wurde ein Bürogebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert entkernt. Im Inneren wurden offene Ausstellungsebenen diagonal zur Gebäudehülle eingesetzt und mit einer freischwebenden Treppe verbunden.

Ein Gutachten über die Vergangenheit

Im Blickpunkt stehen am Tag der Eröffnung aber nicht nur das neue Museum und die Kunst, sondern auch die Geschichte des Horten-Vermögens. Goëss-Horten ist die Witwe des deutschen Unternehmers Helmut Horten (1909-1987), der den Grundstein für sein Kaufhausimperium in der NS-Zeit legte und von der Enteignung von Juden durch die Nazis profitierte. Er habe "die Lage nicht herbeigeführt, aber für sich genutzt", sagt der Historiker Peter Hoeres von der Universität Würzburg.
Hoeres ist von der Horten Stiftung beauftragt worden, die Hintergründe zu klären und ein Gutachten zu schreiben. Das beschreibt Helmut Horten als einen Mann, der vor allem in ökonomischen Kategorien dachte.
Horten habe 1936 sein erstes Kaufhaus erworben, berichtet Hoeres. Eigentümer waren Juden, die sich "unter dem Druck der NS-Verfolgungspolitik" entschlossen hatten, zu emigrieren. Schritt für Schritt habe Horten danach weitere Kaufhäuser aus jüdischem Besitz akquiriert.

"Nutznießer" des Unrechtsregimes

Er sei „Nutznießer“ des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gewesen, habe aber zugleich versucht, beim Ankauf „nach handelsüblichen Mechanismen“ vorzugehen, berichtet der Historiker. Die Nazis waren nach Hoeres Recherchen der Überzeugung, dass Horten für die jüdischen Eigentümer zu günstige Kontrakte abschloss und intervenierten sogar.
Horten sei ein typischer Unternehmer gewesen, für ihn habe vor allem das „Primat des Ökonomischen“ gegolten, betont Hoeres. Er sei 1937 aus opportunistischen Gründen in die NSDAP eingetreten, 1944 allerdings wieder ausgeschlossen worden, „weil er als politisch nicht zuverlässig galt“. Bei dem Konflikt sei es allerdings vorrangig um Hortens geschäftliche Interessen gegangen.
Horten verlor demnach ein Großteil seines Vermögens 1945 und wurde länger in einem britischen Lager interniert. Was er allerdings noch hatte, waren "sein eingeführter Name" und Verbindungen und Kontakte: „Darauf hat er aufgebaut.“
Einkaufstrubel im Weihnachtsgeschäft im Kaufhaus Horten in Essen 1977.
Einkaufstrubel im Weihnachtsgeschäft im Kaufhaus Horten in Essen 1977.© picture alliance / dpa / Klaus Rose
Ein neues Warenhaus in Duisburg entstand Hoeres zufolge in hundert Tagen – und diente als Grundstock für Hortens zweite Karriere, die ihn wieder reich machte.

Wissenschaftliche Unabhängigkeit, vertraglich fixiert

Heidi Goëss-Horten habe Interesse an der Aufarbeitung gezeigt, betont der Historiker, die wissenschaftliche Unabhängigkeit sei vertraglich fixiert worden. Es habe auch keine „Versuche der Beeinflussung“ gegeben. Es sei mittlerweile gängig bei großen Unternehmen, die eigene Geschichte während der NS-Zeit nicht mehr nur in Festschriften, sondern unabhängig und wissenschaftlich beschreiben zu lassen, sagt Hoeres: „Das ist hier in vergleichbarer Weise erfolgt.“
Im Museum selbst wird das Thema allerdings nicht allzu groß verhandelt. Ein Satz in einem Wandtext verweist auf die Museumswebseite, auf der die Studie von Hoeres abrufbar ist.
(ahe / dpa)
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