Peter Michalzik über "Horváth, Hoppe, Hitler"

Dem Phänomen der Masse auf der Spur

11:30 Minuten
Der Autor Peter Michalzik. Er trägt Glatze, ein Metallbrillengestell, schwarzes Hemd und ein dunkles Sakko und blickt frontal in die Kamera.
Was ist "die Masse" und wie tickt sie? Autor Peter Michalziks Buch "Horváth, Hoppe, Hitler" ist der Versuch einer Annäherung. © Manfred Kötter
Moderation: Joachim Scholl |
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Was verband den Schriftsteller Ödön von Horváth, die Schauspielerin Marianne Hoppe und Adolf Hitler? Die Masse, stellt Peter Michalzik fest: Hoppe verzauberte, Hitler verführte sie, und Horváth versuchte, das Phänomen literarisch zu verarbeiten.
Dreierkonstellationen haben es dem Autor und Journalisten Peter Michalzik angetan: Mal waren es Hölderlin, Susette und Jakob Gontard, mal Boris Pasternak, Marina Zwetajewa und Rainer Maria Rilke. In seinem aktuellen Buch beschäftigt der Autor sich mit Ödön von Horváth, Marianne Hoppe und Adolf Hitler. Die Klammer: Künstler, Politiker und die Masse. Der Titel: "Horváth, Hoppe, Hitler. 1926 bis 1938 – Das Zeitalter der Masse".
Die Frage, was den berühmten Schriftsteller Ödön von Horváth, die Schauspielerin Marianne Hoppe und den Diktator Adolf Hitler verbindet, beantwortet Michalzik kurzgefasst so: Horváth versuchte, die Masse in seinen Werken zu erfassen, Hoppe verzauberte die Massen auf der Leinwand – und beide waren ein heimliches Paar, während Hoppe mit Gustaf Gründgens liiert und später verheiratet war.

Bezüge zu heute

Auf unterschiedliche Weise waren Horváth und Hoppe wiederum fasziniert von dem Mann, der die Masse führte, verführte und zu hysterischem Jubel veranlasste.
Ödön von Horvath in einer schwarzweiss Aufnahme mit Hut und Zeitung in der Hand, 1938.
Ödön von Horváths Werk kreiste um den Menschen in der Masse.© Getty Images / Imagno / Hulton Archive
Anhand dieser drei Personen geht Michalzik dem Phänomen der Zeit nach: der Ausprägung der Masse. Was das heute noch bedeutet, konnte der Autor beim Schreiben des Buches während der Coronazeit beobachten, als, gefühlt, jede Woche Querdenker-Demos stattfanden.
Eine historische schwarzweiss Aufnahme der deutschen Schauspielerin Marianne Hoppe von 1935.
Mit Ödön von Horváth verband die Schauspielerin Marianne Hoppe eine heimliche Liebe.© imago / teutopress
Und wenn man ein bisschen weiter zurückgeht, fallen einem Pegida-Demos und andere Protestmärsche gegen die Aufnahme von Geflüchteten ein, aufgestachelt durch rechtspopulistische Politiker.  

"Ein Buch wie eine Ausstellung"

Michalzik hat Marianne Hoppe, die begnadete Bühnenschauspielerin, den ehemaligen Kinostar der Ufa-Zeit, noch persönlich kennengelernt, ehe sie 2002 hochbetagt starb. Er hat viele Archive durchwühlt, Horváths Werke und die Reden Hitlers studiert und will sein Buch wie eine Art Zeitreise verstanden wissen.
"Ein Buch wie eine Ausstellung" habe er schreiben wollen, "in der man der Chronologie der Ereignisse folgen, in der man sich aber auch frei bewegen kann". Die Gestaltung – viele Bilder, dazwischen eher kurze Texte – entspricht dieser Idee.

Das Lebensgefühl einer Zeit

„Ich wollte ein Buch schreiben, in dem ich mich dem Lebensgefühl – dem Seinsgefühl – der damaligen Zeit annähere. Ich wollte, dass man spürt, wie es war, damals zu leben“, erläutert Michalzik. Parallelen zum Heute sind dabei durchaus beabsichtigt: Über die sozialen Medien erlebe man heute den Begriff Masse „in ganz neuer Qualität“ und als „sehr virulentes Problem“.

Peter Michalzik: "Horváth, Hoppe, Hitler. 1926 bis 1938 – Das Zeitalter der Masse"
Aufbau Verlag, 2022
303 Seiten, 26 Euro

Doch gerade im Zusammenhang mit dem Populismus rede man meistens vor allem „von den populistischen Herrschern, aber nicht von den vielen, vielen, vielen Unbekannten, die die Masse formen, weil wir nicht wissen, was sie ist“.
Die Gesellschaft stehe heute „erstaunlich hilflos vor diesem Phänomen. Und es gibt kaum griffige Erklärungsversuche, geschweige denn Menschen, die es geschafft haben, es so auf den Begriff zu bringen, dass wir damit zufrieden sind“.
Damals wie heute gebe es „Politiker, die mit der Masse anders kommunizieren können und darüber eine Macht bekommen, die demokratische Formen aushebeln kann“, betont Michalzik.
(mkn)

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