Der Gastgeber des G7-Gipfels
Im idyllischen Elmauer Tal herrscht bald der Ausnahmezustand: In dem Luxushotel von Schlossherr Dietmar Müller-Elmau werden Angela Merkel und die anderen Teilnehmer des G7-Gipfels einkehren. Mit seinem Hotel verbindet Müller-Elmau eine wechselhafte Geschichte.
Es herrscht anmutige Stille im Elmauer Tal zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald. Durchbrochen wird sie nur von einem sanften Klick-Klack der Eingangstür, der Schwelle zum Schloss Elmau. Gäste stehen am Empfang. High-Class. Diskretion, bitte - in diesem traditionsreichen Luxushotel.
"Luxus ist für mich nicht goldener Wasserhahn. Luxus ist für mich Wertschätzung von Schönheit, von Kreativität, von Individualität. Was soll ich sagen? Ich bin Dietmar Müller-Elmau. Mehr würde ich nicht sagen."
Und da ist es, schon nach zwei, drei Sätzen - dieses Lachen aus tiefster Seele. Sorglos und souverän zugleich. Die Heiterkeit nach einem Gedanken, der dasteht wie in Stein gemeißelt.
"Ich habe eigentlich gar kein Tätigkeitsfeld."
Für Dietmar Müller-Elmau gibt es keine Berufsbezeichnung, vielleicht Gastgeber. In einer Lounge-Bar mit offenem Kamin sitzt er aufrecht in einem Sofa, schenkt sich Tee ein - etwas Milch, ein wenig Kandiszucker. Die kinnlangen, grau-melierten Haare leger frisiert, Jeans und grauer Wollpulli. Irgendwie normal, fast schon auffällig unauffällig. Und dann noch so ein Satz unerschütterlicher Gelassenheit:
"Renoviert habe ich es von '98 bis 2005, und wo ich fertig renoviert hatte, ist es abgebrannt. Und dann habe ich es wieder neu aufgebaut."
Innerer Reichtum, die Ästhetik des Alltags. Edle Einfalt, stille Größe. Gestatten, der Schlossherr von Elmau.
Der Schlossherr bietet seinen Hotelgästen alten Charme in neuem Glanz: goldene Parabol-Lampen mit indirektem Licht, noble Salonmöbel aus feinstem Leder, aufgelockert durch Leinenstoffe mit unzähligen Elefanten-Motiven - auf Sitzkissen und Wandteppichen.
Sechs Kinder und zwei Ehen
"Elefant ist ein wunderbares Symbol: es ist das Symbol für Urteilskraft und Erinnerungsvermögen in Indien. Das sind die beiden Eigenschaften, die den Mensch zum Menschen machen."
Dietmar Müller-Elmau hat heute sechs Kinder und ist in zweiter Ehe verheiratet. Er wird 1954 selbst als eines von sechs Kindern auf Schloss Elmau im Zimmer 54 geboren. Mit 19 bricht er die Schule ab, geht für ein Jahr nach Indien. Nach seiner Rückkehr nimmt er Privatunterricht und macht das Abitur.
"Ich war nicht hochintelligent. Ich war stinkfaul. Ich wollte einfach nicht mehr in die Schule gehen."
In den 70er-Jahren studiert Dietmar Müller-Elmau in München BWL und Theologie, dann Computer Science in New York. 1987 gründet er eine Firma, schreibt eine Software für Hotelmanagement und benennt sie nach der einzigen von Beethoven komponierten Oper: Fidelio.
"Das Prinzip dieser Software war Freiheit. Das heißt: Hotels sind sehr heterogene Gebilde, da arbeiten sehr viele Menschen und es kommen unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Interessen, verschiedene Generationen - also das ganz normale, pralle Leben. Und das Prinzip dieser Software war, dass jeder Benutzer selber bestimmen kann, was sie für ihn können muss und nicht können muss, also 'user-definable' nannte ich das. Er muss nicht ´friss oder stirb', sich anpassen, sondern die Software passt sich den Bedürfnissen an."
Mitte der 90er-Jahre verkauft Dietmar Müller-Elmau seine Firma und Software für 55 Millionen DM - heute ist sie Weltmarktführer für Hotelsoftware.
An seine Kindheit auf Schloss Elmau erinnert sich der heutige Schlossherr mit gemischten Gefühlen: das Paradies auf Erden, im pubertierenden Sturm und Drang aber eine regelrechte Hölle.
"Dann protestiert man dagegen, indem man versucht, diese schöne Atmosphäre zu stören, diesen Frieden zu stören. Man sorgt für Unruhe, für Ärger - indem man das Licht ausschaltet beim Konzert. Das ist der Frevel schlechthin! Insofern habe ich als Kind gegen diese Welt oft rebelliert und und wollte diesen Schein, diesen Heiligenschein, den wollte ich immer wieder ankratzen."
Sein Großvater Johannes Müller war ein charismatischer Theologe und Vertreter des Kulturprotestantismus. Er hat Schloss Elmau Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Refugium für Dichter und Denker gemacht: ein Ort der Weltflucht, konservativ verstiegen und vergeistigt.
"Das höchste Ideal der Freiheit war die Freiheit vom Ich. Dementsprechend wollte er seinen Gästen hier Urlaub vom Ich bieten. Mein Verständnis von Freiheit ist ganz anders: Ich möchte in meiner Freizeit vor allen Dingen meine Freiheit genießen. Mein Ideal ist mehr die Gesellschaft von Fremden, die sich gleichgültig sind."
Es gibt keinen Schlossgeist!
Heute ist Schloss Elmau nicht nur Luxushotel, sondern auch Veranstaltungsort von mehr als 200 Konzerten im Jahr. ´Luxury Spa & Cultural Hideaway' nennt Dietmar Müller-Elmau diesen Zufluchtstort für Körper und Geist.
"Ich hatte mich darüber mal mit Hans Magnus Enzensberger ein bisschen auseinandergesetzt. Er meinte: gibt es da nicht ein deutsche Wort dafür? Dann habe ich gesagt: wenn er mir ein besseres deutsches Wort dafür gibt, dann nehme ich das sofort. Dann kam er am nächsten Tag zurück und sagt: es gibt nichts besseres als Cultural Hideaway. Seit dem bin ich also sanktioniert, von aller höchster Stelle."
Es klingt alles so einfach im Leben von Dietmar Müller-Elmau. Nur so richtig nah kommt man dem 60-jährigen bei einem kurzen Besuch dann doch nicht - viele Fragen bleiben offen. Doch das omnipräsente Symbol des Elefanten spricht Bände auf Schloss Elmau: Urteilskraft und Erinnerungsvermögen, sozusagen über die persönliche Geschichte die Geschichte weiterschreiben. Dietmar Müller-Elmau ist Millionenerbe, Self-Made-Man und kritischer Zeitgeist. Apropos: Geist. Was ist mit einem Schlossgeist in Elmau, gibt es den?
Dietmar Müller-Elmau: "Ne, natürlich nicht."
Autor: "Sie glauben nicht an Geister?"
Dietmar Müller-Elmau: "Ne, weder an Geister noch an Geist."
Autor: "Aber an Geistigkeit?"
Dietmar Müller-Elmau: "Geistigkeit ist gut, ja. Intellektualität ist wichtig. Die Schulung der Urteilskraft ist wahnsinnig wichtig."
Autor: "Sie glauben nicht an Geister?"
Dietmar Müller-Elmau: "Ne, weder an Geister noch an Geist."
Autor: "Aber an Geistigkeit?"
Dietmar Müller-Elmau: "Geistigkeit ist gut, ja. Intellektualität ist wichtig. Die Schulung der Urteilskraft ist wahnsinnig wichtig."