Von der Gangster-Villa zur edlen Herberge

Die meisten Europäer denken bei Shanghai an eine moderne Skyline mit riesigen Wolkenkratzern und viel Beton - weit gefehlt. Die chinesische Handelsmetropole hat auch ein altes Kolonialviertel - und genau dort steht das Mansion Hotel - einst das Hauptquartier von Gangstern.
"Dies hier ist eine Opiumpfeife aus rotem Sandelholz, verziert mit kostbarem Elfenbein - ganz offensichtlich für Wohlhabende gemacht."
Wenn Cheng Qi Besucher durch die Eingangshalle seines Hotels führt, schlüpft er in die Rolle eines Museums-Führers. Es gibt viel zu sehen: edle Antiquitäten, vergilbte Handelsverträge und eine Menge Schwarz-Weiß-Fotos. Darauf abgebildet: Das Who-is-who des Shanghais der 1930er-Jahre.
"Das hier in der Mitte sind die Mitglieder der Qing-Mafia-Bande. Es gab damals Dutzende Mafia-Banden in Shanghai."
Das Foto, das Hotel-Manager Cheng beschreibt, ist nur rund 15 Zentimeter hoch, dafür aber fast einen Meter breit. Sorgfältig nebeneinander sitzend und stehend blicken mit ernster Miene Dutzende einflussreiche Shanghaier Geschäftsleute, Politiker und eben Gangster in die Kamera; wobei die Grenzen dieser Berufe im Shanghai der 30er-Jahre fließend waren.
Das Mansion Hotel steht in der ehemaligen Französischen Konsession. Also in dem Teil Shanghais, der bis in die 1940er-Jahre unter französischer Kolonialverwaltung stand. Erst vor acht Jahren wurde die vierstöckige Stadtvilla zum Hotel umgebaut. In den glamourösen 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts traf sich in der Villa die zwielichtige Shanghaier Upper Class-Gesellschaft. Üppige Feste wurden gefeiert, Peking-Opern aufgeführt und natürlich Geschäfte abgewickelt.
"Die Qing-Mafia war vor allem in der Shanghaier französischen Konzession aktiv. Offiziell handelten sie mit Waffen, in Wahrheit war aber der Opiumhandel ihr wichtigster Geschäftszweig. Die Qing-Bande kontrollierte rund 60 Prozent des Opium-Handels von Shanghai."
Shanghai war in den 1930er-Jahren die Handelsstadt Nummer eins in Asien und einer ihrer heimlichen Herrscher war der Besitzer der vierstöckigen Villa, die heute das Mansion Hotel beherbergt: Dù Yuèshēng. Manche Historiker nennen ihn auch den Al Capone Shanghais.
Hotel-Manager Cheng: "Er und seine Leute haben viel Kriminelles gemacht: Handel mit Waffen, mit Opium, Schutzgelderpressung. Dù Yuèshēng hat aber auch Gutes getan. Im Krieg gegen die Japaner spendete er riesige Mengen an Kleidung und Medizin für unsere Soldaten."
Vom Laufburschen zum Herrscher eines Mafia-Imperiums

Lobby des Mansion Hotels in Shanghai© Deutschlandradio / Steffen Wurzel
Dù Yuesheng war zweifelsohne eine der schillerndsten Figuren im Shanghai der 30er-Jahre. Er entstammte einer armen Familie und musste früh ohne Eltern auskommen. Du arbeitete sich schließlich vom Laufburschen zum Herrscher eines Mafia-Imperiums nach oben. An der prachtvollen Villa lässt sich noch heute erkennen, welch wichtige Rolle Du in den 30er-Jahren in Shanghai spielte. Er suchte zwar immer wieder die Nähe der Politik und des Militärs - sich vereinnahmen lassen wollte sich Du Yuesheng aber nicht, weder von vom republikanischen Gegenspieler der Kommunisten, Chiang Kai-Shek, noch von den Japanern, sagt Hotel-Chef Cheng.
"Nachdem in Shanghai die Japaner die Kontrolle übernommen hatten, wies er deren Angebot zurück, Bürgermeister der Stadt zu werden. Als der Bürgerkrieg zu Ende ging, wies er auch das Angebot von Chiang Kai-Shek zurück, mit ihm nach Taiwan zu fliehen. In Festland-China, bei den Kommunisten, ist er aber auch nicht geblieben. Stattdessen ging er nach Hongkong."
Über eine der fast 90 Jahre alten Holztreppen geht es nach oben, auf die Dachterasse der ehemaligen Gangster-Villa. Auch wenn das Gebäude nicht sehr hoch ist: Von hier oben hat man einen beeindruckenden Blick über die ehemalige Französische Konzession.
"In der von den Briten dominierten Konzession standen vor allem hohe und repräsentative Gebäude, für Büros und Banken. An der Uferpromenade zum Beispiel. In der französischen Konzession standen eher kleinere Gebäude. Vergleichbar mit dem mitteleuropäischen Baustil, inklusive dem deutschen."
Die alten Villen, entworfen von europäischen Architekten, die zahlreichen Alleen, gesäumt von Platanen: Dieses Straßenbild hat sich in der Französischen Konzession in den vergangenen 80, 90 Jahren nicht großartig verändert. Und so ähnlich gilt das auch für das Mansion-Hotel. Auch hier herrscht immer noch eine Stimmung wie im glamourösen Shanghai der 30er-Jahre.