"Hotels mit Geschichte" präsentieren wir in unserer Sommerreihe in "Studio 9". Hotels erzählen Geschichte und Geschichten, sind Erinnerungsorte und vermitteln Einblicke in den Alltag fremder Kulturen. Hotels regen nicht nur die Fantasie an, beispielsweise von Schriftstellern. Sie erzählen auch von großen Krisen, von Kriegen oder Konferenzen, in denen sich die Weltgeschichte spiegelte.
Zeitreise ins Osmanische Reich
Ursprünglich ein Haremshaus, später dann Hort einer christlichen Kommune, heute ein Luxushotel im Schwebezustand: Das "American Colony" in Ostjerusalem blickt auf 150 Jahre wechselvolle Geschichte zurück.
150 Jahre ist das American Colony schon alt, erzählt Ahmad Shakarneh nicht ohne Stolz. Denn er arbeitet schon seit mehr als 20 Jahren in diesem alten Gemäuer aus der Zeit des Osmanischen Reichs.
Aus großen hellen Steinquadern sind die vier Gebäude des Colony gebaut. Shakarneh führt durch die schönsten Suiten. Kühl ist es, trotz der großen Sommerhitze draußen, auch dank der alten Steinböden:
"Wir lassen den Original-Stein so wie er ist: alt, mit Rissen und Spuren. Das ist der gleiche Stein wie in den Gassen der Altstadt. Da sieht man auch den Reichtum Palästinas, wir haben rötlichen, schwarzen und weißen Stein, ganz unterschiedliche Farben."
Es war Rabbah Daoud Amin Effendi El Husseini, der diesen Palast außerhalb der Jerusalemer Altstadt für sich und seine vier Frauen hat bauen lassen, Ende des 19. Jahrhunderts. Er starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen.
Christliche Kommune mit Molkerei und Schmiede
Ihren Namen, American Colony, hat diese Jerusalemer Institution dann vom wohlhabenden Rechtsanwalt Horatio Spafford aus Chicago bekommen: Spafford kam ins Heilige Land und baute mit gleichgesinnten amerikanischen Protestanten eine Gemeinschaft auf, die schließlich in den Pasha-Palast zog. Die Jerusalemer sprachen von der "American Colony". Es gab nicht nur einer Molkerei und eine Schmiede, sondern auch Jerusalems allererstes Fotostudio.
Seinen Platz in der Geschichte der Stadt hat das American Colony seit dem Dezember 1917. Der Erste Weltkrieg hatte den Jerusalemern arg zugesetzt, das Osmanische Reich stand vor seinem Zusammenbruch. Das American Colony war Kriegslazarett.
Als die Truppen des britischen Generals Allenby auf die Stadt vorrückten, kapitulierte der türkische Gouverneur: Er hisste dazu ein Bettlaken des American Colony als weiße Fahne. Das Bettlaken hängt heute im Imperial War Museum von London.
Erste Hotelzimmer ab 1902
Ab 1902 gab es im American Colony die ersten Hotelzimmer. Die schönsten gehen über zwei Ebenen, haben einen Blick in den grünen Garten und kosten heute bis zu 800 Dollar die Nacht. Wer sich das leisten kann und im "Colony" absteigt, der erlebt unter hundert Jahre alten, bemalten Holzdecken nicht nur eine Zeitreise ins Osmanische Reich, sondern auch in die jüngere Nahost-Geschichte.
Ahmad Shakarneh: "Schau, hier in der Suite Nummer 16, hier hat der Oslo-Friedensprozess angefangen. Der Palästinenser Faisal Husseini und der israelische Unterhändler Jossi Beilin haben sich hier getroffen. Als das anfing, im Juni 1992, da war das geheim."
Es ist nichts draus geworden, aus den Hoffnungen auf einen Ausgleich zwischen Israel und den Palästinensern. Und was das bedeutet, spürt der Wirtschaftsleiter des American Colony am eigenen Leib jeden Tag: Er wohnt nur ein paar Kilometer entfernt in Bethlehem, ist aber zwei oder drei Stunden bis zur Arbeit unterwegs:
"Ich gehe jeden Morgen um halb vier aus dem Haus. Denn ich muss um sieben, halb acht da sein. Es dauert so lange am Checkpoint der israelischen Armee. Vor acht Jahren hatten wir noch mehr als 80 Beschäftigte aus dem Westjordanland. Die konnten oft gar nicht kommen. Jetzt sind es nur noch sechs oder sieben."
Vor 1967 lag das American Colony in dem Teil Jerusalems, der von Jordanischen Truppen kontrolliert wurde. Im Sechs-Tage-Krieg eroberten israelische Soldaten den Ostteil der Stadt, Israel hat das Stadtgebiet später annektiert, was international nicht anerkannt wird.
So muss sich auch das Hotel mit einem Schwebezustand arrangieren: Straßensperren durch israelisches Militär und Krawalle direkt vor dem Hotel sind keine Seltenheit.
In der schummrigen Eingangshalle des Colony hört man Gespräche auf Arabisch wie Hebräisch, es wird viel Englisch aber auch Deutsch gesprochen. Die Gäste sind Geschäftsleute und Diplomaten. Kirchenleute und Journalisten gehen ein und aus.
Das Colony Hotel in Ostjerusalem ist so bekannt, dass ein israelischer Unternehmer in Westjerusalem auf die Idee kam, einfach noch ein "American Colony" aufzumachen. Dagegen, erzählt Ahmad Shakarneh, sind sie vor Gericht gezogen und haben Recht bekommen.