Die autofreie Modellstadt
Lebenswert, sicher und umweltfreundlich: Das niederländische Houten hat schon vor Jahren den Autoverkehr aus der Innenstadt verbannt und gilt mittlerweile auch international als Modell für ein Verkehrskonzept der Zukunft.
Jeden Morgen das gleiche Gewusel im Zentrum von Houten. Hollandräder, Kinder-Fietsen, E-Bikes und Lastenfahrräder rollen über den rot asphaltierten Radweg. Die Houtener sind auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Schule.
"Es ist sehr fahrradfreundlich. Und für Kinder ist die Stadt auch sehr sicher, um beispielsweise zur Schule zu fietsen, denn es gibt keinen Autoverkehr im Zentrum."
Jan-Peter Westein ist Vorsitzender des Radfahrerverbandes von Houten – einer Gemeinde, die vor 30 Jahren noch ein kleines Dorf mit knapp 8000 Einwohnern gewesen ist. Wegen der Nähe zur Universitätsstadt Utrecht und einer guten Bahnanbindung wurde der Ort als Wachstumskommune ausgewiesen. Houten sollte sich zu einer Wohnstadt für junge Familien und Pendler entwickeln. Mit Erfolg. Heute leben hier fast 50.000 Menschen – verteilt auf moderne, dicht bebaute Wohnsiedlungen, die seit den 1990er-Jahren rund um das neue Stadtzentrum entstanden sind. In mehreren Wachstumsphasen, erklärt Jan Peter Westein.
Autofahrer müssen Umweg in Kauf nehmen
"Vor der ersten Wachstumsphase hat sich die Gemeinde für eine Infrastruktur entschieden, bei der die Fahrradfahrer sich innerhalb der Gemeindegrenzen sehr einfach von A nach B bewegen können. Autos aber, die von einer Siedlung in eine andere wechseln wollen, müssen erst von ihrem Wohnviertel aus raus auf einen Rundweg und können auch nur von diesem Rundweg aus in ein anderes Viertel hineinfahren."
Die Siedlung De Geer liegt ganz nah am neuen Einkaufszentrum, das rund um den Bahnhof entstanden ist. Mit dem Auto könnte man in fünf Minuten eines der Parkhäuser in der Innenstadt erreichen. Doch der Umweg über den Rondweg, die große Umgehungsstraße, macht die Autofahrt unattraktiv. Mit de fiets, also mit dem Fahrrad, sind die Bewohner viel schneller in der Stadt. Manche Houtener benutzen das Rad deshalb nicht nur häufig, sondern …
"Immer! So komme ich am schnellsten von A nach B. Ich kann immer den kürzesten Weg nehmen. Das geht besser als mit dem Auto."
"Ich wohne erst seit 14 Tagen hier. Ich entdecke die Stadt also noch mit meinem Rad. Aber ich finde es jetzt schon prima. Radfahren ist gerade für uns Ältere sehr wichtig. Und hier ist alles so übersichtlich, finde ich. Houten ist ein Vorbild für viele andere Städte, denke ich."
"Immer! So komme ich am schnellsten von A nach B. Ich kann immer den kürzesten Weg nehmen. Das geht besser als mit dem Auto."
"Ich wohne erst seit 14 Tagen hier. Ich entdecke die Stadt also noch mit meinem Rad. Aber ich finde es jetzt schon prima. Radfahren ist gerade für uns Ältere sehr wichtig. Und hier ist alles so übersichtlich, finde ich. Houten ist ein Vorbild für viele andere Städte, denke ich."
Das internationale Interesse ist groß
Tatsächlich hat sich das niederländische Städtchen im Süden von Utrecht weltweit den Ruf einer autofreien Modellstadt erworben. Es vergehe kein Monat ohne Besuch aus dem Ausland, erzählt Jeroen Pater, der Sprecher der Gemeindeverwaltung. Im Sommer war Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hier zu Gast. Und auch in asiatischen Ländern sei das Interesse am Houtener Verkehrs- und Städtebau-Konzept groß, so Pater.
"Ich weiß gar nicht, wie viele Besucher wir schon aus Asien hier zu Gast hatten. Ganze Busladungen mit Japanern und Chinesen waren schon hier. Viele Architekten, Studenten, Stadtentwickler und Verkehrsexperten aus der ganzen Welt interessieren sich für Houten. Für die sind wir ein gutes Vorbild und Studienmaterial."
"Ich weiß gar nicht, wie viele Besucher wir schon aus Asien hier zu Gast hatten. Ganze Busladungen mit Japanern und Chinesen waren schon hier. Viele Architekten, Studenten, Stadtentwickler und Verkehrsexperten aus der ganzen Welt interessieren sich für Houten. Für die sind wir ein gutes Vorbild und Studienmaterial."
Wo immer Autos und Fahrräder aufeinandertreffen, müssen sich die Pkw-Fahrer unterordnen – zum Beispiel auf den Fahrradstraßen, die sich von den Radwegen dadurch unterscheiden, dass sie für Autos nicht generell Tabu sind.
Fahrräder haben Vorrang
"Die sehen aus wie ein Radweg – auch rot asphaltiert – mit zwei Seitenstreifen. Da dürfen auch Autos fahren. Die müssen aber dem Radfahrer den Vortritt lassen. Das Auto muss sich also dem Tempo des Fahrrades anpassen."
Die Attraktivität des Fahrrades sei gut für die Umwelt und für die Sicherheit alle Verkehrsteilnehmer, sagt Jeroen Pater. Schwere Unfälle im Stadtkern oder in den Wohngebieten habe es seit 15 Jahren nicht mehr gegeben.
"Ich habe nachgelesen, dass vor vielen Jahren mal eine Frau in der Stadt von einem Müllwagen erfasst worden und dabei tödlich verunglückt ist. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, wann der letzte schwere Unfall innerhalb des Stadtrings gewesen ist."
Der Einzelhandel profitiert
Die Geschäftsleute waren anfangs nicht begeistert von dem Plan, die Autos weitestgehend aus dem Zentrum zu verbannen. Sie fürchteten finanzielle Einbußen durch einen Kundenschwund. Die Sorgen waren unberechtigt. Im Gegenteil: Die Parkplätze und Parkhäuser am Rande der City sind gut erreichbar. Und mit einer geschickten Tarifpolitik bei den Parkgebühren lockt die Stadt jetzt sogar Käufer aus dem Umland an, so Sjoerd Vermeulen, der Sprecher des Einzelhandelsverbandes von Houten.
"Wir merken ja jetzt, dass die Leute das gut finden. Auch aus der Nachbarschaft: aus Nieuwegein oder Utrecht. Die schätzen es, ihr Auto in einer Tiefgarage abstellen zu können – ohne dafür in den ersten beiden Stunden bezahlen zu müssen. Da ist das Parken nämlich frei. Das wird immer unser Vorteil bleiben."
Jan Peter Westein vom Fietserbond hofft, dass Houten sich nicht auf dem Erreichten ausruht. Er fordert noch mehr und vor allem breitere Fahrradwege, denn der Zweiradmarkt habe sich enorm verändert und werde sich vermutlich auch weiter rasant entwickeln.
Was andere Städte von Houten lernen können
"Der Transportverkehr durch Fahrräder – sogenannte Bakfietsen – wird zunehmen. Es werden größere Lieferräder in der Stadt unterwegs sein. Und die Technik verändert sich. Denken Sie nur an das Speed-Pedelec, das schnelle E-Bike, mit dem die Leute locker 40 Kilometer pro Stunde fahren können. Die werden auch mehr und mehr für den Weg zur Arbeit genutzt."
Schon jetzt sind auf Houtens Radwegen kleine Elektro-Scooter unterwegs, die als Mini-Taxen Senioren und kleine Kinder chauffieren – also jene Teilnehmer, die noch nicht oder nicht mehr aufs Fahrrad steigen können. Natürlich sei das Houtener Modell nicht auf jede andere Stadt übertragbar, räumt Jan Peter Westein ein. In der heutigen Form sei die Stadt am Reißbrett entstanden. Das fahrradfreundliche Konzept wurde ihr nicht nachträglich aufgestülpt – es stand am Anfang der städtebaulichen Entwicklung. Und dennoch, so Westein, könne jede Kommune auf dieser Welt sich ein Beispiel an Houten nehmen.
"Was jede Stadt von Houten lernen kann, ist, dass es gut ist, die Zahl der Autos an bestimmten Punkten zu reduzieren, dafür aber mehr Radfahrer zuzulassen. Das tut einer Stadt gut, ist förderlich für die Gesundheit und die Sicherheit."