HRK-Präsidentin mahnt nach Plagiatsfällen Konsequenzen an

13.05.2011
Die aktuellen Plagiatsvorwürfe werden einer Analyse unterzogen, um entsprechende Folgerungen abzuleiten, sagt Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Auch in Zukunft seien Betrugsfälle jedoch nicht ganz zu vermeiden.
Jan-Christoph Kitzler: Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktortitel schon los, weil er seine Arbeit im Copy-and-Paste-Verfahren wie eine Colage zusammengestückelt hat. Auch Silvana Kohl-Mehrin könnte ihren Titel aus ähnlichen Gründen bald verlieren, und beide, der frühere CSU-Minister und die FDP-Europapolitikerin, haben Konsequenzen gezogen und sich von ihren Ämtern verabschieden müssen. Bei aller Häme, die über diese prominenten Fälle zu lesen war, bleibt die Frage, was sie eigentlich bedeuten für unsere Universitäten in Deutschland und welche Konsequenzen dort jetzt gezogen werden müssen. Darüber spreche ich nun mit Margret Wintermantel, der Vorsitzenden der Hochschulrektorenkonferenz. Schönen guten Morgen!

Margret Wintermantel: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Inzwischen ist ja auch das Gutachten von Professor Peter Häberle veröffentlicht, mit dem er sein summa cum laude, also die Bestnote für Guttenbergs Doktorarbeit begründet hat. Guttenberg habe, so der angesehene Bayreuther Juraprofessor, ein, so wörtlich, "großes Thema in mustergültiger Weise bearbeitet und viel Lob verdient". Wirkt das nicht auch auf Sie wie eine Realsatire?

Wintermantel: Ja, das Ganze ist schon eine schlimme Sache, und wir müssen uns wirklich überlegen, welche Konsequenzen das hat und was das eigentlich bedeutet. Faktisch scheinen mehrere Leute hinters Licht geführt worden zu sein.

Kitzler: Guttenberg, Koch-Mehrin, jetzt könnte man ja sagen, das sind prominente Ausnahmefälle, andererseits haben sie ja wissenschaftliche Arbeiten verfasst, an denen es die großen Zweifel gab, und möglicherweise gab es die nur, weil die Verfasser eben so prominent sind. Was lösen diese Fälle jetzt eigentlich an den Universitäten aus?

Wintermantel: Zunächst müssen wir mal festhalten, es handelt sich wirklich um Einzelfälle, die natürlich wegen der Prominenz der Personen schon eine große öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt haben. Dass also ein amtierender Verteidigungsminister in eine solche Situation gerät, das ist natürlich etwas, was die Öffentlichkeit auch bewegt. Aber wir müssen wirklich sehen, es handelt sich tatsächlich um Einzelfälle, und wir haben in den Universitäten Verfahren und Korrekturkräfte, auch Kontrollkräfte, die ... Und das zeigt sich ja jetzt auch, tatsächlich ist ja in Bayreuth in der Kommission eine sehr sorgfältige Arbeit geleistet worden ...

Kitzler: Aber die wurde erst geleistet auf öffentlichen Druck hin.

Wintermantel: Der Verdacht ist ja auch innerhalb der Wissenschaft entstanden und nicht in der Öffentlichkeit. Es ist ja eben auch ein Wissenschaftler gewesen, der darauf aufmerksam gemacht hat, und dann hat sich die Sache schon doch in Bewegung gesetzt. Das heißt, wir müssen festhalten, es ist tatsächlich ... In der Wissenschaft wird jetzt daran gearbeitet und versucht man, diese Dinge zu analysieren, natürlich um dann auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Kitzler: In ihrem Gutachten ist die Universität Bayreuth ja ziemlich klar, was die Schuld von Herrn zu Guttenberg angeht, aber sich selbst spricht sie von jeder Verantwortung – wenn ich das richtig gelesen habe – weitgehend frei. Ist das eine gelungene Art der Aufarbeitung?

Wintermantel: Soweit ich das einschätzen kann, ist einfach eine sehr gute Arbeit geleistet worden von der Kommission. Man hat auch zwei hoch angesehene, auch externe Wissenschaftler hinzugezogen, um die Sache aufzuarbeiten, und soweit ich das einschätzen kann, ist das jetzt wirklich auf eine sehr gute Art passiert. Und es werden auch Empfehlungen ausgesprochen an die Universität, die dahin gehen, dass man doch etwas genauer kontrolliert. Aber sehen Sie, solche Fälle von Betrug, man kann sie nicht vollständig vermeiden.

Kitzler: Einzelfälle hin oder her, es schwingt der Verdacht mit, dass es ein Fehler im System ist auch. Welche Lehren müssen denn jetzt gezogen werden, damit solche Arbeiten in Zukunft – egal ob Einzelfall oder nicht – künftig nicht mehr durchrutschen?

Wintermantel: Gut, also ganz neu ist es nicht. Wir beschäftigen uns ja schon seit Jahren damit, und es gibt hier eben auch Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz, es gibt Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, es gibt Prozeduren in den Universitäten. Es gibt in jeder Universität eine Kommission, die sich auch auf Verdachtsmomente hin beschäftigt mit solchen Fällen, ich selber habe in einer solchen Kommission in meiner Heimatuniversität auch jahrelang mitgearbeitet, aber sicher müssen wir noch mal genauer hinschauen. Und wir beschäftigen uns derzeit alle mit der Frage, was können wir verbessern, um wirklich die Zahl solcher möglichen Betrugsfälle einzudämmen.

Kitzler: Können Sie schon mal ein paar konkrete Ideen andeuten, in welche Richtung die Reise gehen soll?

Wintermantel: Nun, es ist sehr wichtig, dass Doktoranden und Doktorandinnen gut begleitet werden, dass sie am Lehrstuhl oder an der Professur in die Forschungsprogramme eingebunden sind, dass sie regelmäßig über den Fortschritt ihrer Arbeit berichten, vortragen, dass es eben einen Diskurs gibt, in dem klar ist, was sozusagen an eigenständiger wissenschaftlicher Leistung erreicht wird und wie weiter daran gearbeitet wird. Sogenannte strukturierte Doktorandenprogramme haben wir ja jetzt an vielen Universitäten, sozusagen die Einbindung von Doktoranden und Doktorandinnen in eine Forschungsgruppe ist, denke ich, eine ganz wichtige Angelegenheit. Das andere ist, was die Kommission auch vorschlägt, eine eidesstattliche Erklärung, dass man tatsächlich alle Hilfsmittel, die man verwendet hat in der Doktorarbeit, dann auch belegt und darüber berichtet.

Kitzler: Es gibt diese Promotionscluster, diese Graduate Schools, also wo Doktoranden zusammengefasst werden, da ist es strukturiert, aber insgesamt ist das Promotionsverfahren in Deutschland ja relativ wenig reguliert, also ist zum Beispiel nicht festgelegt, wie lange eine Promotion dauern soll, welche Betreuungsleistung der Doktorvater bringen muss – muss das geändert werden?

Wintermantel: Es ist ganz wichtig, dass es ein Vertrauensverhältnis gibt zwischen Doktorvater, Doktormutter auf der einen Seite und dem Doktoranden und Doktorandin auf der anderen Seite. Es geht ja um eine eigenständige Forschungsleistung, die ein Doktorand erbringen soll, und das bedeutet, wir haben hier eine hohe Verantwortung vonseiten des Professors, der Professorin, und auch natürlich eine Verpflichtung, hier wirklich eine Begleitung der Doktorarbeit zu machen, die tatsächlich auch ermöglicht, diese Forschungsleistung durch den Doktoranden dann tatsächlich auch zu bringen. Es ist ein Stück weit Verantwortung natürlich auf der Seite des Doktorvaters oder der Doktormutter, und da gehören dann natürlich auch gewisse Flexibilitäten dazu, dass es mal schneller gehen kann, vielleicht auch mal ein bisschen länger dauert. Es hängt von dem Gegenstand ab, es hängt natürlich auch von der zeitlichen Investition ab. Wir haben ja hier in dem Fall zu Guttenberg eben auch eine sogenannte externe Promotion, das heißt, er war ja mit anderen Dingen sehr stark beschäftigt. Vielleicht muss man da auch genauer hinschauen, gerade bei externen Promotionen.

Kitzler: Da sind wir natürlich gleich noch beim Thema Betreuung. Es gibt zu wenig Lehrpersonal, das sagt ja auch die Hochschulrektorenkonferenz immer wieder, gleichzeitig haben viele Professorinnen, Professoren in manchen Fachbereichen ja auch noch andere Dinge außerhalb der Universitäten zu tun, zum Beispiel ein lukratives Gutachten schreiben. Müssen sich nicht auch die Professoren in manchen Fachbereichen stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren?

Wintermantel: Na, das ist eine etwas sehr allgemeine Frage, die Sie die stellen. Selbstverständlich haben Professoren und Professorinnen die Verantwortung, ihren Studierenden gegenüber, auch ihren Doktoranden gegenüber und sie haben Verantwortung natürlich ihrer Institution gegenüber, also ich würde keine pauschale Kritik daran führen, dass Wissenschaftler Gutachten machen, um Himmels Willen, aber klarerweise haben sie die Verantwortung, und im Allgemeinen werden sie dieser Verantwortung nun wirklich auch gerecht.

Kitzler: Margret Wintermantel, die Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Wintermantel: Bitte sehr!
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