Gerald Hüther / Sven Ole Müller / Nicole Bauer: Wie Träume wahr werden. Das Geheimnis der Potentialentfaltung
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2018
288 Seiten, 22 Euro
Besinnungssprüche statt tiefer Einsichten
Vier Sportler hatten einen Traum, der wahr wurde: Sie gewannen das härteste Radrennen der Welt. Ein Buch gießt ihr Projekt in Theorie und versucht, daraus Gewinnbringendes für alle Menschen abzuleiten. Das Ergebnis ist mager: "Es geht nur gemeinsam".
Ein Team aus vier Sportlern und 14 Helfern trainiert ein knappes Jahr und gewinnt anschließend das "Race Across America ", das härteste Radrennen der Welt. Wie und warum das gelang, soll nun dieses Buch erzählen. Quasi als Gebrauchsanleitung für jedermann. Leider nur wird die Radrenngeschichte nicht wirklich erzählt. In dem neuen Buch um den Neurowissenschaftler Gerald Hüther geht es vor allem um die Theorie zur besseren Teambildung - und diese Theorie erdrückt jede konkrete Schilderung, jedes Gefühl dafür, wie Träume denn nun wirklich wahr werden.
Insiderwissen kommt kaum vor
Da hilft auch wenig, dass Keynotespeaker, Ultraausdauer-Sportler und Bestseller-Autor Sven Ole Müller und die Rechtsanwältin Nicole Bauer mitgeschrieben haben. Die beiden hatten den verrückten Traum vom "Race Across America". Ihr Insiderwissen kommt jedoch kaum vor. Dafür das von Gerald Hüther, der nach seiner Emeritierung eine Akademie für Potentialentfaltung gegründet hat und über deren Arbeit zu berichten weiß. Den Herausforderungen der Moderne kann man nur in Gemeinschaften begegnen, so Hüther, "deren zentrales Anliegen die Erhaltung und die Zurückgewinnung der Individualität, der Subjekthaftigkeit als der menschlichen Würde ihrer Mitglieder ist".
Der Ansatz klingt super, leider liest sich die konkrete Umsetzung dann so: "Es fühlte sich tatsächlich so an, als wären elf Gehirne miteinander verknüpft. Aus der 'Gesamtrechenkapazität' wurde ein von allen akzeptiertes bestmögliches Ergebnis generiert" - was dann augenblicklich in Handlungsanweisungen umgesetzt worden sei. Purer Überbau, papiertrocken. Allein Nicole Bauer erzählt gelegentlich Anekdoten: Fahrradstürze, Verdauungsprobleme, die Euphorie des Sieges. Hier scheint das vergeudete Potential des Buches auf. Denn auch sie verliert sich bald wieder im Abstrakten: "Auf dem Weg der Potentialentfaltung ist Arbeit keine Arbeit mehr, sondern Erfüllung."
Es geht nur gemeinsam
Die in passende Form gepressten Erlebnisse werden dann noch einmal von Gerald Hüther erläutert. "Im Gehirn laufen offenbar sehr unterschiedliche Prozesse ab, je nachdem, ob jemand Erfolg hat oder ihm etwas gelingt." Irgendwie bedeutungsschwer, leider wird nie erklärt, was konkret im Gehirn passiert. Und so bleibt die Forschung nur eine Art Dekoration für Besinnungssprüche wie "Es geht nur gemeinsam" oder "Wer sich nach nichts mehr sehnt, dem kann auch nichts mehr gelingen".
Das Rad-Team aus Thüringen hat eine gute und effektive Gemeinschaft gebildet, und dabei war offenbar auch der persönliche Kontakt zu Gerald Hüther entscheidend. Im Buch aber wird von diesem Funken nichts spürbar. Nachdem das Rennen gewonnen ist, bleibt bei den Teilnehmern eine gewisse Leere.
Gerald Hüther rät ihnen, in Zukunft ein offeneres Ziel zu verfolgen: "Wir wollen anderen Menschen zeigen, zu welch herausragenden und für unmöglich gehaltenen Leistungen eine Gemeinschaft befähigt ist, sobald deren Mitglieder sich gegenseitig als Subjekte begegnen." Klingt schön, ist viel zu abstrakt, als dass er Menschen oder Leser bewegen könnte, ihre Träume wahr werden zu lassen. Leider.