Humboldt-Ausstellung in Berlin

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Geographie der Pflanzen in den Tropenländern. Ein Naturgemälde der Anden Alexander von Humboldt (1769-1859), Aimé Bonpland (1773-1858), Kupferstich, 1805, 62 x 88,5 cm
Geographie der Pflanzen in den Tropenländern. Ein Naturgemälde der Anden © Deutsches Historisches Museum
Bénédicte Savoy und David Blankenstein im Gespräch mit Ute Welty |
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Die Ausstellung "Wilhelm und Alexander von Humboldt" ist im Deutschen Historischen Museum zu sehen. Die beiden Brüder werden dort im Kontext ihrer Zeit gezeigt - die Schau will die historische Verankerung der Humboldts verdeutlichen.
Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum wirft einen neuen Blick auf Wilhelm und Alexander von Humboldt und zeigt die beiden Kosmopoliten auch in ihren Widersprüchen. Die Schau behandele die Humboldts nicht als Mythos, sondern als zwei Männer um das Jahr 1800, sagt die Kuratorin Bénédicte Savoy: "Es ist uns ein Anliegen, die historische Verankerung der Brüder Humboldt dem Publikum klarzumachen." Denn wie die beiden Brüder gelebt hätten und wie das politische und wirtschaftliche Koordinatensystem damals ausgesehen habe, sei wenig bekannt.
Die Humboldts seien auch "Produkte" ihrer Zeit, so Savoy. Eine Zeit, in der die französische Revolution ausbricht, Europa durch Straßennetze verbunden wird und Telegrafen Botschafen von Land zu Land senden. Und in der intellektuellen Elite das Kontinents seien Grenzen weit weniger sichtbar gewesen als dann im 19. Jahrhundert, sagt die Kunsthistorikerin. "Das Europa, das wir heute konstruieren wollen, das einheitliche, gab es möglicherweise im 18. Jahrhundert viel, viel mehr."
Der Kunsthistoriker David Blankenstein ist ebenfalls Kurator der Ausstellung. Er verweist auf die Unterschiede, vor allem aber auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Brüdern. So sei Wilhelm, der im Schatten von Alexanders Ruhm steht, beispielsweise ebenfalls viel gereist, betont Blankenstein. "Die Auseinandersetzung mit Territorium, mit Fläche, mit Natur, aber auch mit der Geschichte der Orte" sei beiden Brüdern eigen gewesen.

Vervollkommnung des Menschen nach griechischem Ideal

Die Berliner Ausstellung zeigt Lebens- und Forschungsstationen der Humboldt-Brüder − und wie sich deren Sicht auf die Welt von der unseren unterscheidet, erläutert der Kunstkritiker Carsten Probst in "Fazit". Ein Beispiel sei der Bildungsbegriff. Vor allem Wilhelm sah Bildung als Vervollkommnung des Menschen nach griechischem Ideal − ein Ideal, das in ihrer Zeit aber nach betont großbürgerlicher und exklusiver Bildung strebte.
4.000 eng beschriebene Seiten fasste Humboldt in neun Lederbänden zusammen und beschriftete diese selbst, Datierung: 1799 - 1804
4.000 eng beschriebene Seiten in neun Lederbänden: Alexander von Humboldts Reisetagebücher.© Staatsbibliothek zu Berlin/Carola Seifert
Ein anderes Beispiel: Die Schädelfunde Alexanders von Humboldts stammten eindeutig auf Raubgrabungen, auch wenn sie einem Forschungsinteresse dienten. Die Grabungen nach Mineralien waren Grundlage für die Forschung nach ausbeutbaren Bodenschätzen. Die Ausstellung zeigt, dass sich die Aneignung des Fremden und anderer Kulturen immer mit einer Suche nach einer universellen Menschheitslehre verband.
Die viel beschworene Aktualität der Humboldt-Brüder, meint Carsten Probst, liegt nicht zuletzt in der exquisiten Rezipierbarkeit vor allem des Werkes von Alexander von Humboldt. Dazu gehört der Zusammenhang, den er zwischen Klima und Kultur sah − oder die Erkenntnis über die Bedeutung von klassenübergreifendem Zugang zu Bildung für den Staat.
Das Gespräch mit Carsten Probst können Sie hier hören:
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(ahe/lev)
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