"Alles offen!" im Humboldt Forum

Transparenz und Kooperation als zentrale Idee

05:16 Minuten
Die Fassade des Humboldt Forums in Berlin, davor zwei Informationsvitrinen mit der Aufschrift "Humboldt Forum"
Vor 20 Jahren geplant, vor zehn Jahren wurde mit dem Bau begonnen - und jetzt sind auch die letzten Ausstellungsflächen im Berliner Humboldt Forum freigegeben worden. © imago images / Jürgen Ritter
Von Jürgen König |
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Es ist vollbracht: Mit der Freigabe der letzten Flächen im Humboldt Forum ist nun das gesamte Haus begehbar. Im Ostflügel werden die Sammlungen des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums präsentiert – auch Benin-Bronzen sind dabei.
Gleich sechs neue Ausstellungen werden jetzt im Humboldt Forum eröffnet sowie eine komplett neue Dauerausstellung: mit Exponaten aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Auch Sammlungspräsentationen aus Afrika, Asien und Ozeanien werden vervollständigt.

Mitwirkung aus den Herkunftsländern

Ein wahrlich langer Rundgang mit Stelen, Skulpturen, Keramiken, Kleidungsstücken, Teppichen, Gold-, Silber- und Federschmuck, Alltagsgegenständen, Möbeln, Masken und Musikinstrumenten. Auch große Exponate werden gezeigt, etwa ein nachgebautes Doppelrumpfboot aus Fiji, wie es dort schon vor Jahrhunderten benutzt wurde.
Boote aus der Südsee im Ethnologischen Museum
Ein Höhepunkt im Forum: das Doppelrumpfboot aus Fiji im Ethnologischen Museum.© picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Zu alledem gibt es Filme, Klanginstallationen und zeitgenössische Kunst. Alles, was gezeigt wird, entstand in Kooperation mit Kuratorinnen und Kuratoren der Herkunftsländer der Exponate. Wynema Morris vom Volk der nordamerikanischen Omaha zum Beispiel, Privatdozentin am Nebraska Indian Community College:
"Es war für uns alle wirklich bewegend, zu sehen, wie das, was wir über Monate hinweg erarbeitet hatten – unsere Ideen, die stundenlangen Diskussionen – wie das alles hier im Humboldt Forum Realität wurde!"

Kleidungsstücke, Waffen und Schmuck

Mit ihrer Ausstellung portraitiert Wynema Morris den Ethnologen Frances La Fleche. 1857 geboren, gehörte er selbst den Omaha an. Vom Vater auf ein christliches Internat geschickt, musste er seine Kultur aufgeben – und dokumentierte sie fortan als Ethnologe. 1894 stellte er im Auftrag des Berliner Ethnologischen Museums eine Sammlung zusammen: Kleidungsstücke, Waffen, Schmuck und vieles mehr, erläutert Wynema Morris:
"Das alles jetzt wiederzusehen, war atemberaubend, ich hatte Tränen in den Augen – wie 2018, als wir zum ersten Mal diese Spuren der alten Omaha-Tradition in Berlin sahen, all diese Gegenstände. Wir konnten auf ganz neue Weise an unsere Geschichte, an unsere Kultur anknüpfen. Und indem das jetzt hier gezeigt wird, können endlich diese Stereotype widerlegt werden und hoffentlich auch verschwinden, wonach indigene Völker primitiv und unzivilisiert sind. Nein, wir sind nichts davon!"

Wir können jetzt zeigen, dass wir ein Recht haben, als ein würdiger Teil der Menschheitsgeschichte angesehen zu werden.

Wynema Morris

Dieser nunmehr letzten Eröffnung des Humboldt Forums gingen heftige Debatten über Kunst und Raubkunst aus kolonialem Kontext voraus. Im Mittelpunkt des Interesses: die Benin-Bronzen. Ihre Präsentation weicht völlig von der ursprünglichen Planung ab, denn nur wenige der Skulpturen werden gezeigt, als einzeln dastehende, faszinierend zeitlos gültige Kunstwerke.

Eine "Ausstellung" der Benin-Debatte

Auf jede Re-Kontextualisierung hat man verzichtet, stattdessen steht im Mittelpunkt des Ausstellungssaals die Debatte über diese Benin-Bronzen, auch über die Umstände, unter denen sie nach Berlin kamen.
Auf zehn Bildschirmen werden die unterschiedlichen Positionen vorgetragen. Und das Königreich Benin wird porträtiert: Es wird gezeigt, welche Funktion solche Bronzen damals hatten und heute noch haben – noch immer werden sie in Nigeria hergestellt.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagt, es sei wichtig, den kolonialen Kontext aufzuzeigen, aber nicht nur ihn: 
"Wir hören viel von unseren Partnerinnen und Partnern: 'Vergesst die Geschichte der Objekte selbst nicht!' Auch diese sollen erzählt werden und sind für die Herkunftsgesellschaften sehr wichtig. Natürlich sind wir dankbar, dass wir Gedenkköpfe und Reliefplatten aus Benin als Leihgaben zeigen können, es ist wirklich wichtig, den Besuchern klarzumachen, welch faszinierende Beispiele von visualisierter Geschichte und Erinnerung sie sind."
Hermann Parzinger steht im Ethnologischen Museum im Humboldt Forum an Mikrofonen
Erzählen, wie Objekte nach Berlin gelangt sind: Das sei ein wichtiges Anliegen, sagt Hermann Parzinger.© imago images / IPON / Stefan Boness / Ipon via www.imago-images.de
Die jetzt vom Humboldt Forum gewählte Überschrift „Alles offen!“ dürfte auch im übertragenen Sinne gemeint sein: Man will alles offenlegen. Transparenz und Kooperation sind die zentralen Begriffe, Gäste aus den Herkunftsländern sollen auch weiterhin und dauerhaft in Berlin an und mit den Sammlungen arbeiten, sich an der Provenienzforschung wie an künftigen Ausstellungen beteiligen – ein vielversprechender Weg.
Bedenkt man, dass das wiederaufgebaute Stadtschloss ein überaus sperriger Bau für Ausstellungen ist, und führt man sich vor Augen, welchem Druck alle Beteiligten des Humboldt Forums seit Monaten ausgesetzt sind, dann erscheint dieser nun gesetzte letztmalige Auftakt umso beeindruckender.
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