Humboldt Forum

Mitarbeiter äußern Kritik

Blick die historisches Fassade des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses.
Unterhalb des Kreuzes auf der Kuppel des nachgebauten Berliner Stadtschlosses war zunächst getreu dem Original eine antijüdische Inschrift angebracht worden. Das sorgte für Kritik. © picture alliance / Daniel Kalker
Das Humboldt Forum ist sowohl nationales Prestigeobjekt als auch ewiger Zankapfel - wegen der rekonstruierten preußischen Fassade und der teils rechtsextremen Spender. Mitarbeitende wollen das nicht hinnehmen und kritisieren die Leitung des Forums.
Außen die imperiale Fassade des nachgebauten Berliner Stadtschlosses, innen die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit – dieser Widerspruch ist dem Humboldt Forum eigen.
Jetzt wurde ein Brief von Mitarbeitenden an die Direktoren des Humboldt Forums publik, der an Drastik nichts zu wünschen übrig lässt. 120 Mitarbeitende kritisieren die historisierende Fassade und fordern zudem klare Kante von ihrer Leitung bezüglich des umstrittenen Fördervereins Berliner Schloss.

Was ist die Vorgeschichte der Debatte?

Die Rekonstruktion des Berliner Schlosses hat von Anfang an für Kritik gesorgt – immer wieder tauchte der Vorwurf des Geschichtsrevisionismus auf. Es geht um den unkritischen Umgang mit Bauwerken der Vergangenheit sowie um die Abwertung moderner und zeitgenössischer Architektur.
Schon länger wird aber auch der Umgang mit rechten und rechtsradikalen Großspendern im Förderverein Berliner Schloss kritisiert. Die Frage, welchen Einfluss sie nehmen, ist offen. Eine Namensliste seiner Förderer hat der Verein bis heute nicht vorgelegt. Von den Spendengeldern - insgesamt 120 Millionen Euro wurden eingeworben - werden zum Beispiel der Nachbau der Barockfassade, die spätklassizistische Kuppel und weitere Schmuck-Elemente, die teils noch im Bau sind, finanziert.
Die Kuppel etwa wurde von einem anonymen Großspender bezahlt, sagt der Architekt Philipp Oswald. Oswald hat zuerst auf problematische Inschrift an der dem Bauwerk aufmerksam gemacht. Unterhalb des monumentalen Kreuzes auf der Kuppel verkündete sie getreu dem Original, dass nur das „Beugen der Knie“ vor Jesus Christus den Menschen das „Heil“ gebe. Ein unmissverständlich etwa gegen die Gleichberechtigung von Juden oder gar Agnostikern gewandter Satz.
„Man hat sich damals im Humboldt Forum gar nicht groß Gedanken gemacht, was bedeuten denn diese Buchstaben zusammengenommen, und diese Naivität im Umgang mit dem Nachbau der Fassade, die merkt man immer und immer wieder“, bewertet der Architekturkritiker Nikolaus Bernau den Vorgang.
Oswald mahnt zur Wachsamkeit. Die Rekonstruktion von preußischen Nationalsymbolen sei anschlussfähig unter Rechtsidentitären. Als Beispiel nannte er das Glockenspiel in der Garnisonkirche Potsdam, das von einem rechtsextremen Bundeswehroffizier finanziert worden sei.

Was kritisieren die Mitarbeiter des Humboldt Forums?

In dem hausinternen Brief aus dem Frühjahr 2024, der jetzt erst bekannt wurde, wenden sich die Mitarbeiterinnen „gegen antidemokratische, geschichtsrevisionistische und rechtsradikale Tendenzen im Kontext des Humboldt Forums" und fordern eine dementsprechende Positionierung ihrer Leitungsebene. „In den Medien, der Öffentlichkeit, aber auch von Fachkolleginnen werden unsere Projekte fortwährend als unglaubwürdig rezipiert", so heißt es darüber hinaus in dem Brief.
Zudem fordern sie eine „nach außen hin sichtbare Brechung der rekonstruierten Fassade, die das Selbstverständnis des Humboldt Forums als offenen Ort des respektvollen Miteinanders glaubhaft“ macht.
In dem Brief fordern sie die Leitung des Humboldt Forums auch dazu auf, sich vom Förderverein Berliner Schloss zu distanzieren. Dessen Vorsitzender Wilhelm von Boddien gilt als antidemokratisch, weitere Großspender gelten als rechts oder gar rechtsextrem.

Wie reagiert die Leitung des Humboldt Forums?

Die Kritik in dem Brief der Mitarbeitenden richtet sich an alle fünf verantwortlichen Direktionen, die am Humboldt Forum beteiligt sind, auch an Generaldirektor Hartmut Dorgerloh. Er sieht in der scharfen internen Kritik einen Beweis für die Vielstimmigkeit in der Belegschaft. Forderungen nach einer radikalen Umgestaltung der Fassade weist er aber zurück und erinnert stattdessen daran, dass der Bundestag 2002 den Fassadennachbau beschlossen habe. In Folge habe es einen internationalen Architekturwettbewerb gegeben.
Zudem gebe es auch Fans dieser preußischen Fassade und immer wieder sogenannte "Kunst am Bau Projekte", die sich mit dem Bauwerk kritisch auseinandersetzten. Man habe sich außerdem klar von Spendern mit antidemokratischer Haltung distanziert und die Spenderrichtlinie verschärft, fährt der Direktor fort. Wenn Förderer ihren Namen nicht veröffentlichen wollten, sei das gegen ihren Willen auch nicht möglich. Die Spender kämen aus allen Teilen der Gesellschaft, nur ein sehr kleiner Teil vertrete „politische Werte und Meinungen, die nicht die unseren sind“, sagte Dorgerloh im Deutschlandfunk.
Nicht die Spender entscheiden, was gebaut wird, sondern der Bauherr - auf Grundlage des Bundestagsbeschlusses, der für den Nachbau gestimmt habe, so Dorgerloh. Dieser Beschluss sei „felsenfest“, sagt auch Architekturkritiker Nikolaus Bernau.

Warum kocht die Debatte jetzt wieder hoch?

Aus Sicht des Architekturkritikers Nikolaus Bernau ist es der „ununterbrochene Nachbau“, der die Debatte immer wieder hochkochen lässt. Die Mitarbeiter seien unter Druck. Noch sei die Rekonstruktion nicht abgeschlossen. Mit dem Abschluss der Nachbauten voraussichtlich im nächsten Jahr würden sich die Spannungen hoffentlich legen.

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