Begabte Bestäuber
07:05 Minuten
Hummeln sind mit die fleißigsten Bestäuber. Ob Wild- oder Nutzpflanzen – sie fliegen alles an. Mittlerweile werden sie für Bauern und Gärtner gezüchtet. Wenn sie allerdings ihre Arbeit getan haben, gibt es für sie manchmal kein gutes Ende.
Rund um drei Bienenstöcke summt es. Einige Meter weiter, am Goldlack, balancieren Pelzbienen über die Blüten. Dr. Melanie von Orlow steht daneben. Und telefoniert mit besorgten Bürgern:
"Berliner Hymenopterendienst, das ist die Beratungs- und Hilfseinrichtung rund um Hummeln, Bienen, Wespen und Hornissen, bei Fragen, bei Problemen, besonders bei geschützten Arten, sind wir diejenigen, die vor Ort gehen und helfen. Mit Beratungen bis hin zu Umsiedlungen."
Die Arbeit im Homeoffice sorgt derzeit bei vielen für gesteigerten Beratungsbedarf, sagt die Biologin. Legt das Telefon beiseite und mustert prüfend den Goldlack. Von rechts, etwas behäbig, surrt ein schweres Flugobjekt heran, landet, die Goldlackblüte neigt sich unter dem Gewicht:
"Das ist eine Ackerhummelkönigin. Um die Zeit haben wir natürlich nur die Königinnen, die jetzt emsig jede Blüte besuchen und Pollen sammeln, weil wahrscheinlich hat die auch schon irgendwo ihre erste Nestgründung. Und muss jetzt versorgen."
Im Stress: Hummeln als Alleinerziehende
Und dafür muss sie reichlich Pollen und Nektar sammeln. Denn beim Hummelvolk ist die Königin am Anfang auf sich allein gestellt.
"Mutter Hummel ist jetzt noch alleinerziehend. Und alleinerziehend heißt, sie muss sechs bis acht Babys alleine versorgen. Und das klappt nicht so gut, ergo, wer weniger abkriegt, der wird insgesamt kleiner. Die ersten Hummeln sind einfach ganz klein. Und mit jeder Generation werden Hummeln immer größer. Und erst im Sommer haben wir diese dicken Brummer, die wir als Hummeln erkennen können. Aber auch nur für kurze Zeit, denn Ende August sind dann die meisten Arten schon wieder weg."
Dank ihres Pelzes starten Hummeln schon früh im Jahr, wenn Bienen noch im Winterlager ruhen, unermüdlich schwirren sie dann von Blüte zu Blüte. Um die Brut zu füttern und den Organismus mit Energie zu versorgen, ist Dauerfuttern angesagt.
Dank ihres Pelzes starten Hummeln schon früh im Jahr, wenn Bienen noch im Winterlager ruhen, unermüdlich schwirren sie dann von Blüte zu Blüte. Um die Brut zu füttern und den Organismus mit Energie zu versorgen, ist Dauerfuttern angesagt.
"Das ist das Schöne an Hummeln, die sind Generalisten, was den Pflanzenbesuch angeht, aber sie sind durchaus anspruchsvoll, was ihren Lebensraum angeht."
Die Durchschnittshummel ist mit vollem Magen, so die Biologin, gerade mal 40 Minuten vom Hungertod entfernt. Deshalb braucht sie ausreichend Blüten in der Landschaft, um nicht im Flug zu verhungern. Weizenfelder und Rasenfläche sind Nahrungswüsten für sie. Wo es aber blüht, ist sie ein Bestäubungsgarant mit Spezialbegabung.
"Da sie bestimmte Sachen bestäuben können, wo die Honigbienen gar nicht Mal ran kommt. Die hat da nicht so lange Rüssel, die fliegt zu anderen Tageszeiten. Die Hummeln nehmen alles, was des Weges daherkommt."
Eine effiziente Generalistin. Öko-Systemrelevant. Ihre Fähigkeiten machten die Hummel dann auch zum wohl jüngsten Nutztier der Agrargeschichte. Seit gut drei Jahrzehnten ist sie der fliegende Joker im Gewächshausanbau.
Im brandenburgischen Baruth kommt Heinrich Katz die Treppe hinunter, geht durch die Produktionshalle.
"Hier drinnen hätten wir jetzt eine ganze Palette voll mit Hummeln."
Es wird nicht mehr von Hand geschüttelt
Dutzende Hummelboxen stapeln sich auf der Palette. Fertig zum Versand: Absender Katz Biotech. Empfänger: Ein Erdbeerbauer:
"Das sind die Hummeln, wie sie rausgehen. Das ist ein Volk mit 40 Arbeiterinnen für circa 1000 Quadratmeter, acht bis zwölf Wochen Tomaten zu bestäuben."
Früher musste von Hand jede Pflanze geschüttelt werden. Heute brummt die Hummel durch die Gewächshäuser. Ob Tomaten, Erdbeeren, Zucchini – sie steuert alles an. Schüttelt mit ihrer Körpermasse die Blüten. Vibrationsbestäubung, nennt das der Fachmann. Auch der lange Rüssel kommt zum Einsatz. Ganz nebenbei ist sie auch noch ein Garant für einen giftfreien Anbau:
"Wenn wir über Hummeleinsatz reden, müssen wir über biologische Schädlingsbekämpfung reden, weil wenn wir Pestizide einsetzen, gefällt das den Hummeln auch nicht. Und da sind wir inzwischen soweit – ein deutscher Gärtner braucht kein chemisches Insektizid mehr."
Und darum ordern die Kunden in seiner Firma neben Hummelvölkern gleich auch noch Schlupfwespen, um Schädlinge in den Griff zu bekommen. Mehr als ein Dutzend weitere Nützlinge werden in Baruth vor Ort gezüchtet. Die Hummelvölker kommen aus Spanien und Belgien. Heimische Hummeln, wie Katz betont.
Und darum ordern die Kunden in seiner Firma neben Hummelvölkern gleich auch noch Schlupfwespen, um Schädlinge in den Griff zu bekommen. Mehr als ein Dutzend weitere Nützlinge werden in Baruth vor Ort gezüchtet. Die Hummelvölker kommen aus Spanien und Belgien. Heimische Hummeln, wie Katz betont.
"Erdhummel, Bombus terrestris, die ist bei uns heimisch, das ist schon wichtig, dass man keine Verfälschung hat, keine Verdrängung von anderen Arten."
Denn fremde Flieger könnten die einheimische Hummelbalance empfindlich stören. Hummelkauf ist Vertrauenssache, sagt Katz. Jedes Volk braucht einen Herkunftsnachweis und ein tierärztliches Zertifikat, dass keine Krankheitserreger mitgeliefert werden.
Beim Import: schwarze Schafe und fremde Milben
Im Garten am Berliner Stadtrand zieht die Ackerhummel ihre Bahnen. Gefolgt vom Blick der Biologin:
"Wir wissen heute viel mehr über Hummeln und das können wir nur wissen, weil wir die Hummeln rund ums Jahr züchten können. Das ist das Schöne an der Hummelzucht. Das hat uns schon vorangebracht, aber es hat auch seine Kehrseiten."
Und die liegen vor allem bei einem unkontrollierten Einsatz, weiß Melanie von Orlow. Denn nicht alle Züchter, so die Befürchtung, halten sich im globalen Hummelbusiness an die Vorgaben. Es gibt Berichte, dass auch nichteinheimische Insekten eingesetzt werden:
"Das Problem ist auch, dass man nicht nur die Hummeln alleine durch die Gegend karrt, man karrt auch noch anderes mit dabei, diverse Milbenarten. Da ist vieles noch gar nicht bekannt, inwieweit viele dieser Milbenarten dann vielleicht doch für heimische Arten ein Problem sein können."
Nach getaner Arbeit einfach in den Müll entsorgt
Gemüsebestäuber im Gewächshaus, Generalisten im Garten. Nutztier und Wildtier, als Bestäuber systemrelevant hier wie da, zwei Hummelwelten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
"Das ist ziemlich verrückt, dass man hier keine einzige Hummelkönigin der Natur entnehmen kann, um sie zum Beispiel mal in seinen Hummelkasten reinkrauchen zu lassen, das muss man sich genehmigen lassen. Und gleichzeitig kann ich mir übers Internet ganze Hummelvölker bestellen. Es ist hat ein bisschen Einwegtiercharakter, ich muss mich mit keinem Imker mehr auseinandersetzen um gute Behandlung, sondern ich kann einfach hinstellen, vergessen und danach entsorgen."
Denn manchmal landen nach dem Einsatz die Hummelkästen samt lebendem Inhalt in den Mülltonnen. Melanie von Orlow blickt noch einmal durch den Garten. Wer Hummeln in der freien Natur helfen will, sagt sie, der muss es nur blühen lassen. Und keine Jagd auf Mäuse machen, denn deren verlassene Nester sind als Nistplätze bei Hummeln gefragt:
"Wilde Ecken erlauben, Totholzhaufen, die berühmten Kräuterspiralen, Trockenmauern, alles was Nische und Verstecke bietet, bietet Mäusen ein Zuhause und damit automatisch den Hummeln."