Humor und Religion

Artiges Nachbeten oder schmerzhafte Satire

Papst Johannes Paul II. auf dem "Titanic"-Cover
Papst Johannes Paul II. auf dem "Titanic"-Cover © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Susanne Krahe |
Die Diskussion darüber, wie Humor und Religion zusammengehen könnten, das beschäftigt die großen monotheistischen Religionen schon länger. Eine Jüdin, eine Immamin und eine evangelische Theologin sprechen über ihren Umgang mit Glauben und Satire.
Satire hat Hochkonjunktur. Im politischen Diskurs ersetzt sie gelegentlich sogar die Sachinformation. Statt nüchtern zu argumentieren, wird eine beißende Kritik raffiniert und scheinbar harmlos verpackt, um Zustände anzuprangern, die eigentlich mehr zum Heulen, als zum Lachen wären.
Auch die Religionen geraten immer wieder ins Visier der Satiriker. Neu ist das nicht. Der Glaube, seine sehr speziellen Denkschablonen, aber auch seine Schrullen und sein Pathos sind immer schon Anlass von Spötteleien gewesen, und die Autoritäten und Institutionen erst recht.
Einer säkularen Gesellschaft erscheinen seine Rituale und Vorschriften überzogen, befremdlich, vielleicht auch gefährlich. Die studierte Philosophin Hannah Kleiber aus Berlin, selbst gläubige Jüdin, zeigt Verständnis für eine solche Entfremdung. Die Welt des Judentums habe ihre eigenen Regeln, die von Außenstehenden oft nur schwer nachvollziehbar sind. Entsprechend komisch wirken sie.
"Oder zum Beispiel die ganzen Gebote, das ganze Ritualgesetz und das Hadern mit diesem, das Kämpfen mit diesem Ritualgesetz. Oder zum Teil auch die Suche, die Möglichkeit, toragetreu die Tora zu unterwandern. Das ist eigentlich das, was schon mitunter so ne Situationskomik herbringt… Es ist eine unglaubliche Kultur der Rabbinen, der Schriften, heutzutage der Rabbiner, sich damit zu arrangieren, was jetzt nun genau darunter zu verstehen ist, und es treibt ja wirklich Blüten zum Teil, die Außenstehende, also ich sag das jetzt liebevoll, ich mein das ja auch liebevoll, die aber Außenstehende vollkommen absurd finden würden."
Juden seien aber seit über 2000 Jahren gewohnt, dass man sich über sie lustig macht, sagt Hannah Kleiber – und deshalb können sie ziemlich gelassen damit umgehen und greifen selbst gern zu ähnlichen Waffen.
Satire war und ist nicht zuletzt die Macht der Entmächtigten. Sie richtet den Stolz und die Unverletzbarkeit der Verletzten wieder auf. Wo offene Kritik kein Gehör mehr findet oder zu gefährlich geworden ist, wird sie als Kampfmittel der letzten Wahl eingesetzt. Hannah Kleiber erinnert an die subversive Tradition der Hofnarren und Clowns, und zitiert ein satirisches Beispiel.
"'… sich zwei Juden im Park auf einer Bank treffen. Der Jankel liest im völkischen Beobachter 1935. Und der Moische sagt: Was liest du da so ein Drecksblatt? Und der Jankel sagt: Ja, was soll ich sonst lesen? Soll ich unsere Zeitungen lesen, da steht drin 'Progrome', da steht drin 'Verfolgung', da steht drin 'Synagogen abgebrannt!'. Hier les ich alles, was gut ist! Wir haben die Weltherrschaft, wir haben viel Geld, wir haben reiche Frauen, wir haben die schönsten nicht- jüdischen Frauen. Das ist doch viel besser!' Das mein ich. Das ist so diese… eben so n Galgenhumor in der wirklich ausweglosen und schlimmen, schlimmen Situation. … Chuzpe, Frechheit, Selbstverspottung, und auch ebenso ganz absurde Geschichten."
Auch heiligen Schriften nutzen den Spott
Darf auch Gott zum Objekt einer Satire gemacht werden? Für gläubige Juden ist das ein Tabu, ähnlich wie das Verbot, den Namen des Ewigen auszusprechen, oder ihn bildlich darzustellen. Gottes Überlegenheit, seine Heiligkeit verbietet, dass seine Geschöpfe sich über ihn erheben, indem sie sich über ihn lustig machen. Dieselbe Prämisse gilt für gläubige Musliminnen und Muslime.
"Ja, Gott allein ist eigentlich nach islamischer Auffassung heilig. Das ist einfach der Respekt vor der Schöpferkraft, und ja, darüber sollte man eigentlich keine Witze machen. Man kann natürlich versuchen, mit Gott in irgendeiner Weise in Verbindung zu treten und mit ihm zu diskutieren. Aber dass man ihn irgendwie durch den Kakao zieht, das kommt eigentlich nicht in Frage."
Rabeya Müller aus Köln ist Mitglied einer liberalen, muslimischen Gemeinde und Immamin. Aus seelsorgerlichen und persönlichen Gesprächen mit ihren Glaubensgeschwistern weiß sie, dass diese häufig Schwierigkeiten mit Satiren haben, besonders, wenn sie von Nicht-Muslimen kommen und den Islam in die Zange nehmen. "Blasphemie!" heißt es da ganz schnell. Diese Empörung habe aber nichts damit zu tun, dass der Islam keinen Sinn für Humor hätte. Rabeya Müller weist auf den Medienerfolg des Bielefelder Kabarettisten Abdelkarim hin. Sie wertet ihn als Beweis, dass die satirischen Formate gerade bei jungen Musliminnen immer beliebter werden. Schließlich habe sogar der Koran humoristische, ja satirische Züge.
Nicht anders als die Bibel benutzt auch das heilige Buch der Muslime den scharfen Spott, um gegen fremde Gottheiten zu polemisieren. Im Vergleich zu dem einzigen Gott, der diesen Namen verdient, werden die heidnischen "Götzen" als Lachnummern vorgeführt. Der eigene Gott jedoch wird nie zur Zielscheibe von sarkastischen Spitzen. Rabeya Müller begründet diese Zurückhaltung mit der Unfassbarkeit des muslimischen Gottes. Etwas Unfassbares könne nicht kritisiert, geschweige denn parodiert werden. Mit diesem Versuch würde Gott letztlich vereinnahmt und seiner Göttlichkeit beraubt.
Allerdings legt dieser Vorbehalt Zweifel nahe, ob das Menschengeschöpf zu einer Vereinnahmung des Schöpfers überhaupt in der Lage ist. Satiren richten sich auch gar nicht gegen Gott selbst, sondern gegen menschliche Auffassungen, gegen Gottesbilder, die man als schädlich oder absurd empfindet. Ein Satiriker entzieht sich der Suggestivkraft dieses Bildes. Er nimmt Abstand, objektiviert das Phänomen, und versucht, es auf kühle, indirekte Weise, in den Griff zu bekommen. Selbst emotional unbeteiligt, nimmt er in Kauf, die Gefühle von gläubigen Menschen zu verletzen.
"Es wird in dem Zusammenhang gerne gesagt: Man darf religiöse Gefühle nicht verletzen. Ich kann dem auch was abgewinnen… und weiß auch von mir selber, was es heißt, religiöse Gefühle zu haben, also empfindlich zu sein bei bestimmten religiösen Themen… und trotzdem hab ich auch gelernt, als Theologin oder auch im interreligiösen Dialog hab ich gelernt, zu unterscheiden: Was ist jetzt meine eigene Glaubensgeschichte, meine eigene Erfahrung, und was muss ich aus einer etwas distanzierteren Position wahrnehmen als ebenso Gewordenes, von Menschen so Gestaltetes? Und dann kann man sehr schnell feststellen: Ja, es sind eben wir, die auch definieren, was ein religiöses Gefühl ist."
Gelassenheit spricht für Glaubensfestigkeit
Das sagt die evangelische Theologin Gisela Matthiae aus Gelnhausen, die auch als Clown auftritt. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema "Humor und Religion". Humor ist eine unverkrampfte, zugleich krampflösende Grundhaltung. Wie die Satire bedient er nicht das zwanghafte Bedürfnis einer Spaßgesellschaft nach Klamauk, sondern deckt die Schwachpunkte und Überzogenheiten von Ideologien und Dogmen auf. Schließlich gibt es auch im Christentum Glaubenssätze – die Trinitätslehre, Jesus als Sohn einer Jungfrau – die nicht nur bei Nicht-Christen Kopfschütteln provozieren. Satire zwingt gläubige Menschen zu einem selbstkritischen Umgang mit dem, was sie allzu selbstverständlich für wahr und richtig halten.
Es ist diese ideologiekritische Tendenz, die Gisela Matthiae an der Satire schätzt. Selbst für einen heiklen Film wie Monty Pythons "Das Leben des Brian", der schon manchem Christen das Lachen im Halse stecken ließ, bringt sie Begeisterung auf. Manchmal kann eine komische Verfremdung der biblischen Stoffe näher zu ihren aufrüttelnden Ursprüngen zurückführen, als ihr artiges Nachbeten.
"Wir haben ja Gottes Wort und auch die Inhalte nicht in Reinkultur, sondern wir haben Gottes Wort in Menschenwort. Und insofern ist das sogar meiner Meinung nach unverzichtbar, hier immer wieder relativierend und selbst-relativierend vorzugehen."
Ein gelassener Umgang mit satirischen Texten kann sogar von Glaubensfestigkeit zeugen, während große Aufgeregtheit eher die eigene Unsicherheit verrät. Rabeya Müller:
"Ich denke, der Aspekt, der mir eigentlich noch wichtig ist an der Sache, ist, dass wir Menschen uns nicht immer selbst so furchtbar wichtig nehmen sollten. Also ich glaube zum Beispiel nicht, dass Gott einen Beschützer oder einen Verteidiger braucht. Und wenn man sich dessen bewusst ist, dann regt man sich vielleicht auch ein wenig weniger über Satire auf und kann vielleicht auch mal über das eine und andere lachen, was einem sonst vielleicht ein wenig merkwürdig aufgestoßen wäre.
Ich denke, dass das im Gegenteil auch n Stück weit weitestgehend Gottvertrauen ist, zu sagen, dass man Dinge stehen lassen kann, dass man manche Dinge auf sich beruhen lassen kann, und dass mich manche Dinge nicht, dass sie nicht so nahe an mich herankommen, weil wie gesagt: Gott weiß sich schon selber zu wehren, und da brauch ich mich nicht selbst als Verteidiger vor stellen."
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