Humus aus Gülle

Wenn Kühe auf Kompost schlafen

05:47 Minuten
Kühe stehen in einem Melkstand in einem Stall.
"Wenn die Kühe zufrieden sind, ist man selbst auch zufrieden", so der Landwirt Claas Blendermann. © picture alliance / dpa / Monika Skolimowska
Von Felicitas Boeselager |
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In Ritterhude gibt es einen Kompostkuhstall, wo die Kühe auf dem Kompost schlafen. Solche Kompostierungsställe sind in der Landwirtschaft relativ neu. Sie fördern sowohl das Tierwohl als auch den Klimaschutz.
"Was heißt, es riecht nicht? Also, man ist hier nicht im Kosmetikstudio, aber es ist halt anders."
Der Landwirt Claas Blendermann hat Recht, in seinem Kuhstall in Ritterhude bei Bremen riecht es weniger intensiv als in anderen Ställen. Es sieht aber auch anders aus. Der Stall erinnert an eine große Reithalle, hier gibt es keine eigenen Liegeboxen für die Tiere, stattdessen stehen und liegen auf einer großen mit Hackschnitzel ausgefüllten Fläche 83 Kühe.
"Wenn man sich das ausrechnet, dann stehen hier jeder Kuh 16 Quadratmeter zu." Trotzdem liegen viele Kühe eng beieinander. "Ja, das sind gesellige Tiere", sagt er.

Im Kompostierungsstall wird nicht ausgemistet

Blendermanns Stall riecht nicht nur anders und sieht anders aus als andere Ställe, er hat auch noch eine ganz andere Funktion: Es ist ein sogenannter Kompostierungsstall, im Verlauf von zwei Jahren entsteht Humus auf der Liegefläche der Kühe, denn es wird nicht ausgemistet.
"Hier wird mit zersetzbarem Material eingestreut, sei es Hackschnitzel, Sägespäne, oder auch im Herbst zu einem gewissen Anteil mit Laub und durch die Hinzufuhr von – ich will es mal charmanter ausdrücken – Kot und Haaren kommt der Umsetzungsprozess in Gang. Nährreicher Naturdünger."
Dieser Dünger hat nicht nur den Vorteil, dass der Landwirt kein Problem mit dem Ausfahren von Gülle hat, das System habe auch sonst seine Arbeit erleichtert, sagt er: "Wenn ich jetzt hier Liegeboxen hätte, die müsste ich auch einstreuen, gut das lässt sich auch mechanisieren, aber die Liegebox, die muss man dann morgens und abends mit der Harke, muss man die eben durchharken, das man guckt, wo die eben reingekotet haben, sage ich mal so, und dann muss das raushacken und dann wieder grade machen. Und wenn ich jetzt 120 Liegeboxen hätte, dann müsste ich morgens und abends durch jede Liegebox durchgehen und das ist ein ungeheurer Zeitaufwand."

Nach zwei Jahren ist der Dünger fertig

Hier muss Blendermann einmal morgens und einmal abends mit einem Schlepper über die Fläche fahren, um sie durchzulüften. Das macht mehr Spaß und es dauert nur jeweils fünf Minuten. Gleichzeitig sorgen auch Belüftungsrohre unter dem Boden für Sauerstoffzufuhr. Die Liegefläche der Kühe ist 60 Zentimeter tief, wenn sie nach zwei Jahren voll aufgefüllt und der Dünger fertig, dann kann der Landwirt den Humus selbst verwerten oder verkaufen.
In Deutschland gibt es nur wenige dieser Kompostierungsställe, die Idee dazu kommt ursprünglich aus Israel, dort sind solche Ställe gängige Praxis. Blendermann habe jahrelang gegrübelt, bis er sich für diesen Stall entschieden habe und letztlich sei es ihm nicht nur um den Humus, sondern auch um das Wohl der Kühe gegangen, sagt er:
"Ich hab mir dann mal die Kühe angeguckt, wie die Kühe sich verhalten und eine Kuh geht ganz ungern rückwärts, deswegen soll man ja meistens in Kuhställen auch Sackgassen vermeiden und ich sag mal so, wenn ich jetzt in Bremen bin und ich habe zwei Parkbuchten zur Verfügung, die eine Parkbucht, da muss ich vorwärts einparken, muss aber rückwärts wieder ausparken und aus der anderen kann ich vorwärts raus – dann nehme ich doch die."

Die Tiere entspannen vollkommen

Und so ginge es der Kuh auch, die könne sich auf der großen, weichen Fläche selbst aussuchen, wo sie sich hinlegen will. Hier gibt es keinen harten Beton oder klebriges Stroh. Die Tiere machen sich ganz lang, sagt der Landwirt, und entspannen vollkommen. So tiefenentspannte Kühe habe er, der mit diesen Tieren aufgewachsen ist, vorher noch nicht gesehen. Inzwischen schaut er abends nicht mehr Fernsehen, sondern eine Liveübertragung aus seinem Kuhstall:
"Man muss sich dann wirklich von Bildern von 'toten Kühen' gewöhnen, weil die liegen wirklich platt, platt und die Beine ausgestreckt, die Augen sind weg und das ist wirklich was, wenn man sich das anguckt, das geht dann in der Seele runter wie Öl."
Das freut ihn besonders, weil dieser Stall auch ein unternehmerisches Risiko für ihn bedeutet hat. So gab es zum Beispiel keine Planer, oder Architekten, die Ahnung vom Bau einer solchen Anlage hatten. Auch alle seine Nachbarn seien zunächst sehr skeptisch gewesen:
"Das hat natürlich für viel Aufsehen hier in der Umgebung gesorgt, als dann rauskam: Mensch, der Herr Blendermann, der baut hier was ganz anderes. Und jetzt waren 50 Junglandwirte hier und danach haben viele gesagt: Du hast schon Recht. So denn? Aber das passt nicht auf jeden Betrieb."
Auf seinem Betrieb jedenfalls funktioniert das neue System bisher ganz gut. "Wenn die Kühe zufrieden sind, ist man selbst auch zufrieden."
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