Haustiere

Wie gut verstehen uns Hunde und Katzen wirklich?

Eine Frau mit langen roten Haaren im grauen Pyjama sitzt im Schneidersitz und hält eine weiße Katze und einen kleinen Jack Russell Terrier im Arm.
Studien zeigen, dass Katzen auf menschliche Kommunikation ähnlich reagieren wie Hunde. © IMAGO / Pond5 Images / xmrwed54x
Können Hunde und Katzen unsere Worte verstehen oder sogar unsere Gefühle? Können sie mit uns "sprechen"? Die Forschung zeigt: Unsere Haustiere sind aufmerksamer, als wir denken. Besonders Katzen unterschätzen wir noch zu oft.
Viele Katzen- und Hundebesitzer sind überzeugt: Mein Haustier versteht mich. Sie sprechen mit ihren Tieren – oft so, als wären es eigene Kinder. Können Hunde und Katzen unsere Gefühle erkennen, unsere Absichten verstehen oder sogar mit uns "sprechen"? Immer mehr Forschende gehen diesen Fragen nach und machen dabei erstaunliche Entdeckungen.

Was verstehen Hunde und Katzen von uns?

Ein beliebter Test in der Haustier-Forschung funktioniert mit sogenannten Soundboards – Konsolen mit Tasten für Wörter wie „draußen“ oder „spielen“. Drückt ein Hund eine Taste, spricht eine automatisierte Stimme das Wort. Es wirkt, als würden Hunde die Bedeutung verstehen.
Federico Rossano von der University of California hat in einem Großprojekt gezeigt, dass Hunde nicht nur bestimmte Tasten mit menschlichem Verhalten verknüpfen, sondern Wörter mit Konzepten wie „draußen“ oder „Spielen“ verbinden können. Juliane Kaminski, Juniorprofessorin für vergleichende Psychologie an der Universität Portsmouth, erklärt, dass Hunde dabei verbale Äußerungen unterscheiden, ähnlich wie bei den Befehlen „Sitz“ und „Platz“.
Einige Hunde können sich einer Studie nach sogar Namen von Hunderten Spielzeugen merken – und sich rund zwei Jahre an die Begriffe erinnern. Aber nicht jeder Hund hat solche kognitiven Fähigkeiten, erklärt Kaminski.
Hunde verstehen laut der Psychologin menschliche Kommunikation auf eine Weise, die selbst Schimpansen nicht zeigen. Das heiße aber nicht, dass Hunde intelligenter seien. Sie seien eher stärker motiviert, weil der Mensch ihr wichtigster Sozialpartner sei: ihr Rudel, ihre Familie.

Was Katzen wirklich verstehen

Hunde können zudem sehr gut unsere Emotionen lesen. Sie erkennen zum Beispiel, ob ein Mensch freundlich oder böse schaut. „Diese Unterscheidung klappt besser, wenn das Gesicht das Gesicht des Besitzers ist“, so Kaminski.

In den Bereichen, wo wir mit Katzen arbeiten, sehen wir eher Ähnlichkeiten als Unterschiede zu den Hunden.

Juliane Kaminski, Juniorprofessorin für vergleichende Psychologie

Und Katzen? Sie gelten oft als distanziert – zu Unrecht. Wissenschaftlich ist belegt, dass sie Stimme und Stimmung ihres Menschen genau wahrnehmen. Kaminski sagt: „Wir sehen, dass Katzen ähnlich wie Hunde auf Kommunikation des Menschen reagieren, und (…) dass sie sozusagen wissen, wenn ihr Mensch mit ihnen spricht oder eine fremde Person.“
Eine aktuelle Studie zeigt, dass Hauskatzen in der Lage sind, Wörter mit bestimmten Bildern zu verknüpfen – und das schneller als Kleinkinder in vergleichbaren Tests. In einem Experiment reagierten Katzen irritiert, wenn das falsche Wort zu einem Bild abgespielt wurde, ein Zeichen für Wort-Bild-Verständnis. Katzen verstehen unser Sprechen also besser als gedacht.

Können Hunde und Katzen mit uns "sprechen"?

Hunde reagieren nicht nur auf unsere Mimik – sie setzen auch bewusst eigene Gesichtsausdrücke ein. Studien zeigen: Sie zeigen mehr Mimik, wenn Menschen sie anschauen.
Laut Psychologin Juliane Kaminski zeigen Hunde Gesichtsbewegungen, „die wir Menschen attraktiv finden“ und die wohl „unbewusst in die Hunde rein gezüchtet“ wurden. Ein Beispiel ist der typische Hundeblick: das Hochziehen der Augenbrauen. Diese Bewegung kann beim Menschen einen Beschützerinstinkt auslösen.
In einer Studie fand Kaminskis Team heraus: Hunde, die diesen Blick häufiger zeigen, werden schneller aus dem Tierheim adoptiert. Der Hundeblick weckt offenbar Mitgefühl, vielleicht so stark, dass er einst sogar das Überleben einiger Tiere sicherte.
Und können Hunde mit uns sprechen, indem sie Soundboards benutzen? Kaminski zufolge erwarten sie bei jedem Tastendruck eine bestimmte Reaktion – etwa Futter oder Gassigehen. Sie verknüpfen also das Geräusch eher mit dem, was danach passiert, und nicht mit der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Begriffe wie „Liebe“ verstehen sie wohl nicht, auch wenn sie sehr gut menschliche Emotionen erkennen können, sagt Kaminski.

Katzen miauen – extra für uns

Auch Katzen kann man laut der schwedischen Verhaltensforscherin Elin Hirsch beibringen, auf Knöpfe zu drücken. Sie merken sich gut, wenn ihr Verhalten zu etwas führt, das sie interessiert. Studien zeigen zudem, dass Katzen Futterorte wiedererkennen und möglicherweise sogar Namen anderer Artgenossen unterscheiden können.
Katzen haben sich durch das Leben mit Menschen angepasst – ganz ohne Züchtung. Autorin Lena Zeise erklärt, dass Katzen normalerweise nicht miauen, „es sei denn (…) es ist die Mutterkatze mit ihren Kätzchen“. Ein Miauen sei also oft vor allem für uns Menschen gedacht. Viele Katzen setzten es gezielt ein, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Studien zeigen: Die Tonlage liegt bei etwa 600 Hertz – ähnlich wie Babygeschrei – und kann bei uns Stress und Reaktion auslösen.
Eine Studie ​von Psychologen der Universität Sussex zeigt außerdem: Wenn Menschen Katzen langsam zublinzeln, blinzeln die Tiere oft zurück und kommen näher. Dieses Verhalten ist eine Form der nonverbalen Kommunikation. Katzen verstehen das langsame Blinzeln als freundliches Signal. So können Mensch und Tier auf stille Weise Vertrauen aufbauen und miteinander „sprechen“.​

Wie viel Wolf oder Wildkatze steckt noch in unseren Haustieren?

Hunde stammen vom Wolf ab – das ist unbestritten. Wann genau sie sich dem Menschen anschlossen, ist allerdings unklar: Schätzungen reichen von 20.000 bis 100.000 Jahren. Friederike Range vom Wolfsforschungszentrum Grünau erforscht, ob Hundeverhalten eher anerzogen ist oder auf ihre Abstammung zurückgeht. Dafür zieht ihr Team Hunde und Wölfe unter denselben Bedingungen auf.
Beim Fressen sind Wölfe demnach zwar streitlustiger, teilen aber häufiger. Hunde dagegen lassen meist das ranghöchste Tier zuerst fressen. Beide Arten teilen nur mit Tieren, denen sie vertrauen. Bei Haushunden passiert das seltener, sie sind auf Kooperation mit Artgenossen nicht angewiesen, weil der Mensch diese Rolle übernimmt.
Auch im Umgang mit Menschen zeigen sich der Forscherin nach Unterschiede. Hunde begrüßen fast jeden, Wölfe sind wählerischer. Bei Haushunden steigt der Oxytocin-Spiegel, wenn der Besitzer in der Nähe ist, ein Hinweis auf eine enge Bindung. Bei den Forschungshunden, die gemeinsam mit Wölfen aufgewachsen sind, ist dieser Effekt nicht zu beobachten. Range vermutet daher, dass die alltägliche, emotionale Nähe zur Bezugsperson eine Rolle spielt.

"Survival of the Friendliest"

Auch Katzen sind seit Jahrtausenden an unserer Seite. Der Evolutionsbiologe Jonathan Losos vermutet, dass sich Hauskatzen an mehreren Orten, etwa in Ägypten, selbst domestizierten. Zutrauliche Tiere erhielten Futter und wurden wegen ihrer Jagdfähigkeit geschätzt –ein Prozess, den Losos als „Survival of the Friendliest“ beschreibt.
Gezielt gezüchtet wurden Katzen erst ab dem 19. Jahrhundert. Bis heute gelten sie als kaum domestiziert, was im Alltag zu Problemen führen kann. Katzenpsychologin Theresa Hübner erklärt, dass unzufriedene Katzen kratzen, unsauber werden oder sich zurückziehen: „Weil die Katze nicht mehr so lebt, wie sie vor 200, 300 Jahren gelebt hat, als Mäusefänger in einem eigenen Revier.“ Heute verbringen viele Katzen ihr Leben ausschließlich in Wohnungen – „und die langweilen sich dann einfach zu Tode.“
Wohnungshaltung könne funktionieren, wenn die Tiere früh daran gewöhnt werden. Freigänger sollte man jedoch nicht einsperren. Am wichtigsten ist laut Hübner tägliche Quality-Time mit dem Menschen: „Mindestens 1,5 Stunden pro Katze pro Tag.“ Gemeint ist nicht gemeinsames Entspannen, sondern aktive Beschäftigung, zum Beispiel mit Spielangeln oder Futterbällen.

Was weiß die Wissenschaft noch nicht über Hunde und Katzen?

Verhaltensforscherin Elin Hirsch betont, wie schwer es sei, Forschungsgelder für Studien mit Katzen zu bekommen: „Und das sage nicht nur ich, so geht es Forschenden auf der ganzen Welt.“ Erst seit Kurzem rücke die Katze stärker in den Fokus der Verhaltensforschung. Auch Juliane Kaminski bestätigt das. Je mehr man herausfinde, desto deutlicher werde, wie sehr Katzen bisher unterschätzt wurden.
Auch bei Hunden ist vieles noch unklar. Kaminski beschäftigt besonders die Fragen: Was ist ein tierischer Gedanke? Und gibt es ihn überhaupt?

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