Hunger in Afrika

Heerwürmer vernichten Ernte

Ein Heerwurm hat eine Maispflanze befallen. Landwirte in Südamerika kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Heerwurm. 2016 wurde der Schädling erstmals auch in Afrika entdeckt.
Ein Heerwurm hat eine Maispflanze befallen. Landwirte in Südamerika kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Heerwurm. 2016 wurde der Schädling erstmals auch in Afrika entdeckt. © dpa / picture-alliance
Von Udo Pollmer |
Eine besonders fiese Insektenplage sucht Afrika heim: der Heerwurm. Seine Raupen fressen in kürzester Zeit ganze Mais-Felder kahl, das Grundnahrungsmittel von 200 Millionen Afrikanern. Ist manipulierter Genmais die Lösung für das Problem?
Auf dem schwarzen Kontinent droht eine neue Hungersnot. Letztes Jahr sorgte erwartungsgemäß das Wetterphänomen El Niño für Missernten, dieses Jahr fallen die Felder Afrikas jedoch einem unerwartetem Naturphänomen zum Opfer: den sogenannten Heerwürmern (Spodoptera frugiperda). Ihren martialischen Namen verdanken die Raupen ihrer Gewohnheit nach dem Kahlfressen eines Feldes als Millionenheer zu neuen Pflanzungen zu marschieren und diese in kürzester Zeit zu zerstören. Wenn sich die Raupen verpuppt haben und als Schmetterlinge geschlüpft sind, können sie durch Ausnutzung von Höhenwinden pro Nacht Hunderte von Kilometern zurücklegen.

Der Heerwurm ist äußerst resistent

Erstmals wurde der Heerwurm Anfang 2016 in Afrika gesichtet, heute hat er bereits mehr als die Hälfte des Kontinents besetzt. Eingeschleppt wurde er aus den USA oder Lateinamerika. Seine Lieblingsspeise ist Mais, das Grundnahrungsmittel von 200 Millionen Afrikanern. Findet er keinen Mais vor, dann frisst der nachtaktive Schädling auch Dutzende anderer Nutzpflanzen, wie Hirse oder Bohnen. Die Schäden gehen bereits in die Milliarden.
Afrikas Regierungen haben reichlich Pestizide gekauft und verteilt. Vielfach zu spät, zudem wirken viele Mittel nur begrenzt, weil Heerwürmer schnell Resistenzen entwickeln. Nun sucht die Welternährungsorganisation FAO nach alternativen Methoden, sie will die Invasion mit Viruskrankheiten, Schlupfwespen, Seifenlauge und Pheromonfallen stoppen.

Ist Gen-Mais die Lösung?

Landwirte in den USA und Südamerika, die schon lange mit dem Schädling zurechtkommen müssen, haben das Problem anders gelöst: Sie bauen Genmais an, also Sorten, denen Gene des Bacillus thuringiensis übertragen wurden. Dadurch blieben die Erträge bisher hoch. Für Afrika müsste man die fraglichen Bacillus-Gene auf die lokalen, gut angepassten Maissorten übertragen.
Die Meinungen über diese Strategie sind geteilt. Die FAO glaubt, Hightech-Saatgut passe nicht zur kleinteiligen Subsistenzwirtschaft Afrikas, afrikanische Experten widersprechen, sie halten dies für den verlässlichsten Weg, um Hungersnöte abzuwenden. Mehrere Staaten Westafrikas haben begonnen, an ihren Universitäten die Gentechnik in großem Stile zu etablieren.
Von Natur aus bilden Pflanzen natürliche Pestizide, so auch der Mais. Mit Benzoxazinen tötet er gefräßige Insekten. Um sich selbst zu schützen, wird das Gift erst im Darm der Schädlinge freigesetzt. Der Heerwurm hingegen ist resistent. Er hat einen Weg gefunden, dieses natürliche Maispestizid enzymatisch kaltzustellen. Deshalb kann er ungestraft die Felder abernten.

Wettrüsten zwischen Mensch und Natur

Natürlich sind auch beim Genmais Resistenzen nur eine Frage der Zeit. Im ständigen evolutionären Wettbewerb finden Lebewesen mit schnellen Vermehrungszyklen wie Insekten oder Mikroben über kurz oder lang einen Weg, jegliche Bekämpfungsmaßnahme auszuhebeln. Es ist ein ständiger Wettlauf. Deshalb müssen bei allen Nutzpflanzen die Abwehrmechanismen regelmäßig züchterisch nachgerüstet werden.
Wer seine Ernten, seine Nahrung schützen will, wird mit einer Philosophie des Bewahrens des Ist-Zustands Schiffbruch erleiden. Der Mensch braucht immer neue Strategien, um gegenüber der Evolution, die unbeirrt voranschreitet, bestehen zu können. Die Natur überwindet ständig Grenzen – hier sei kurz an die Entstehung eines neuen Ökosystems direkt vor unseren Augen erinnert, der sogenannten Plastisphere. Der Plastikmüll in den Meeren wird bekanntlich zu Mikroplastik zerrieben, auf diesen Mini-Teilchen haben sich komplexe Gesellschaften aus zahlreichen ungewöhnlichen Kleinstleben angesiedelt. Sie nutzen das Plastik als Nahrungsgrundlage und bauen es dabei ab. Das ist Evolution.

Der Mensch muss beweisen, dass er seiner Nahrung würdig ist

Umgekehrt darf man sich nicht wundern, wenn es der Natur immer wieder gelingt, auch unsere Bekämpfungsmittel und Abwehrstrategien auszuhebeln – egal wie pfiffig sie uns im ersten Moment auch erscheinen mögen. Der Mensch muss durch seinen Erfindergeist stets auf‘s Neue sicherstellen, dass er seiner Nahrung würdig ist.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nimmersatten Raupen auch nach Europa gelangen. Mahlzeit!

Literatur:
Stokstad E: New crop pest takes Africa at lightning speed. Science 2017; 356: 473-474
Nagoshi RN et al: Comparative molecular analyses of invasive fall armyworm in Togo reveal strong similarities to populations from the eastern United States and the Greater Antilles. PLoS One 2017; 12: e0181982
FAO: Sustainable Management of the Fall Armyworm in Africa. FAO Programme for Action 6. October 2017
FAO: FAO Advisory Note on Fall Armyworm (FAW) in Africa. 5. Juni 2017
Gakpo JO: African stakeholders push für innovations to combat fall armyworm. Alliance for Science blog 27. Sept. 2017
Georgen G et al: First report of outbreaks of the fall armyworm (Spodoptera frugiperda (JE Smith)) (Lepidoptera, Noctuidae), a new alien invasive pest in West and Central Africa. PLoS One 2016; 11: e0165632
De Paiva LA et al: Resistance of corn genotypes to fall armyworm Spodoptera frugiperda (Lepidoptera: Noctuidae). African Journal of Biotechnology 2016; 15: 1877-1882
Wouters FC et al: Reglycosidation oft he Benzoxazinoid DIMBOA with inversion of stereochemical configuration is a detoxification strategy in Lepidopteran herbivores. Angewandte Chemie 2014; 126: 11502-11508
Tabashnik BE, Carrière Y: Surge in insect resistance to transgenic crops and prospects for sustainability. Nature Biotechnology 2017; 35: 926–935
Gouin A et al: Two genomes of highly polyphagous lepidopteran pests (Spodoptera frugiperda, Noctuidae) with different host-plant ranges. Scientific Reports 2017; 7: e11816
Pollmer U: Siedlungszone Plastiktüte: Wie sich die Natur an den Kunststoffmüll anpasst. Deutschlandfunk Kultur, Mahlzeit vom 21.12.2013