Hungrig nach Geschichten
Die ersten Auswanderer kehren nach Georgien zurück und wollen etwas in ihrer Heimat bewegen. Ein Zeichen des Aufbruchs ist das kaukasische Dokumentarfilmfestival, das erste überhaupt in der Region. Auch ein deutscher Film war im Wettbewerb.
Verkündung des Siegers im voll besetzten Filmtheater an der Rustaveli Allee im Zentrum von Tiflis. Der erste kaukasische Dokumentarfilmpreis geht an "Igrushki" – ein Film über das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kuscheltier-Verkäufern und Polizisten an einem Bahnhof in Weißrussland. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass es der litauischen Filmemacherin mit einer originellen Geschichte gelungen sei, das schwierige und zum Teil absurde Alltagsleben in dem diktatorischen System zu zeigen.
Tausende Besucher hätten sich die Filme aus Frankreich und Jamaika, aber auch aus der Kaukasusregion angesehen, sagt Festivaldirektor Artchil Khetagouri. Nach mehr als 20 Jahren im westlichen Ausland kam er vor eineinhalb Jahren nach Tiflis zurück und rief das Festival mit ins Leben.
Artchil Khetagouri: "Georgier, Armenier und Aserbaidschaner wissen mehr über Deutschland und Frankreich als über ihre eigenen und ihre Nachbarländer. Es kommen nun sehr viele Menschen, um sich die Filme aus diesen Ländern und auch aus Russland und der Türkei anzuschauen. Ich habe die Hoffnung, dass sie vielleicht ein wenig ihre Meinung ändern, wenn sie diese Filme über die jeweils anderen gesehen haben."
Der Kaukasus ist immer noch eine Konfliktregion. Das Verhältnis zwischen Georgien und Russland ist nach dem Fünftagekrieg im Sommer 2008 immer noch angespannt, und der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach ist auch nicht gelöst. Dokumentarfilme über soziale Probleme und das Alltagsleben seien deshalb enorm wichtig für die Menschen hier, sagt Artchil Khetagouri. Das Fernsehen sei für die meisten immer noch die Informationsquelle Nummer eins, sagt er, es zeige aber kaum kritische Dokumentationen.
Im internationalen Wettbewerb lief auch der deutsche Beitrag "Nach Wriezen" – ein Abschlussfilm von Studenten der Filmhochschule in Potsdam. Drei junge Männer werden darin nach ihrer Haftentlassung auf ihrem Weg in ein geordnetes Leben begleitet. Filmemacherin Jana Dugnus stellte den Film in Tiflis vor:
"Die Beschäftigung mit dem Leben von Häftlingen, was nach ihrer Entlassung passiert, das ist etwas, was dem normalen deutschen Bürger wahrscheinlich nicht so betrifft und wo er sich wahrscheinlich auch nicht die Frage stellt, was passiert mit denen eigentlich. Weil das ist in dem Sinne eine kleine Gruppe von Menschen. Und man denkt wahrscheinlich auch oft, das hat der Staat schon irgendwie im Griff, die machen das schon. Und das ist, glaube ich, jetzt ein Punkt, der den Festivalmachern wichtig war."
In Tiflis ist der Film leer ausgegangen. Dennoch seien die Menschen hier sehr interessiert an der Geschichte gewesen, sagt Jana Dugnus. In Georgien ist Resozialisierung bisher wenig bekannt, obwohl es ein sehr aktuelles Thema ist. Mit dem Machtwechsel im vergangenen Jahr wurden auf einen Schlag mehrere 10.000 Menschen aus den Gefängnissen entlassen – ohne soziale Betreuung oder staatliche Hilfe. Die Menschen hatten Angst, dass viele wieder straffällig werden könnten.
Unterstützt wurde das unabhängige Filmfestival vom Goethe-Institut in Tiflis. Für Institutsleiter Stephan Wackwitz ist es ein Zeichen dafür, dass sich das kulturelle Leben in Georgien wieder erholt und an alte Zeiten anknüpft:
"Ich meine eben auch vor allem dieses wahnsinnig interessante Leben der 20er-Jahre, der frühen 20er-Jahre. Aber auch nach der sowjetischen Invasion war ja Tbilisi eigentlich so eine Art Hot Spot fast weltweit, weil hier die ganzen geflüchteten Avantgardisten aus der Sowjetunion auf die symbolistischen Kollegen und Kolleginnen trafen. Und es ist überhaupt eines der kulturell aktivsten Länder, das ich bisher so kennengelernt habe."
Wie erhofft, kamen die meisten Besucher auch in die Sektion Kaukasus, in der Filme über den letzten Drahtseilkünstler in Armenien gezeigt wurden, über einen Flohmarkt in Tiflis, wo Menschen alles Mögliche verkaufen, um etwas Geld zum Überleben zu verdienen oder über ein kleines russisches Mädchen, das in Aserbaidschan zum ersten Mal einen Teil ihrer Familie kennenlernt. Die Menschen seien hungrig nach solchen Geschichten, hieß es am Rande des Festivals.
Homepage des Dokumentarfilmfestivals in Tiflis
Tausende Besucher hätten sich die Filme aus Frankreich und Jamaika, aber auch aus der Kaukasusregion angesehen, sagt Festivaldirektor Artchil Khetagouri. Nach mehr als 20 Jahren im westlichen Ausland kam er vor eineinhalb Jahren nach Tiflis zurück und rief das Festival mit ins Leben.
Artchil Khetagouri: "Georgier, Armenier und Aserbaidschaner wissen mehr über Deutschland und Frankreich als über ihre eigenen und ihre Nachbarländer. Es kommen nun sehr viele Menschen, um sich die Filme aus diesen Ländern und auch aus Russland und der Türkei anzuschauen. Ich habe die Hoffnung, dass sie vielleicht ein wenig ihre Meinung ändern, wenn sie diese Filme über die jeweils anderen gesehen haben."
Der Kaukasus ist immer noch eine Konfliktregion. Das Verhältnis zwischen Georgien und Russland ist nach dem Fünftagekrieg im Sommer 2008 immer noch angespannt, und der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach ist auch nicht gelöst. Dokumentarfilme über soziale Probleme und das Alltagsleben seien deshalb enorm wichtig für die Menschen hier, sagt Artchil Khetagouri. Das Fernsehen sei für die meisten immer noch die Informationsquelle Nummer eins, sagt er, es zeige aber kaum kritische Dokumentationen.
Im internationalen Wettbewerb lief auch der deutsche Beitrag "Nach Wriezen" – ein Abschlussfilm von Studenten der Filmhochschule in Potsdam. Drei junge Männer werden darin nach ihrer Haftentlassung auf ihrem Weg in ein geordnetes Leben begleitet. Filmemacherin Jana Dugnus stellte den Film in Tiflis vor:
"Die Beschäftigung mit dem Leben von Häftlingen, was nach ihrer Entlassung passiert, das ist etwas, was dem normalen deutschen Bürger wahrscheinlich nicht so betrifft und wo er sich wahrscheinlich auch nicht die Frage stellt, was passiert mit denen eigentlich. Weil das ist in dem Sinne eine kleine Gruppe von Menschen. Und man denkt wahrscheinlich auch oft, das hat der Staat schon irgendwie im Griff, die machen das schon. Und das ist, glaube ich, jetzt ein Punkt, der den Festivalmachern wichtig war."
In Tiflis ist der Film leer ausgegangen. Dennoch seien die Menschen hier sehr interessiert an der Geschichte gewesen, sagt Jana Dugnus. In Georgien ist Resozialisierung bisher wenig bekannt, obwohl es ein sehr aktuelles Thema ist. Mit dem Machtwechsel im vergangenen Jahr wurden auf einen Schlag mehrere 10.000 Menschen aus den Gefängnissen entlassen – ohne soziale Betreuung oder staatliche Hilfe. Die Menschen hatten Angst, dass viele wieder straffällig werden könnten.
Unterstützt wurde das unabhängige Filmfestival vom Goethe-Institut in Tiflis. Für Institutsleiter Stephan Wackwitz ist es ein Zeichen dafür, dass sich das kulturelle Leben in Georgien wieder erholt und an alte Zeiten anknüpft:
"Ich meine eben auch vor allem dieses wahnsinnig interessante Leben der 20er-Jahre, der frühen 20er-Jahre. Aber auch nach der sowjetischen Invasion war ja Tbilisi eigentlich so eine Art Hot Spot fast weltweit, weil hier die ganzen geflüchteten Avantgardisten aus der Sowjetunion auf die symbolistischen Kollegen und Kolleginnen trafen. Und es ist überhaupt eines der kulturell aktivsten Länder, das ich bisher so kennengelernt habe."
Wie erhofft, kamen die meisten Besucher auch in die Sektion Kaukasus, in der Filme über den letzten Drahtseilkünstler in Armenien gezeigt wurden, über einen Flohmarkt in Tiflis, wo Menschen alles Mögliche verkaufen, um etwas Geld zum Überleben zu verdienen oder über ein kleines russisches Mädchen, das in Aserbaidschan zum ersten Mal einen Teil ihrer Familie kennenlernt. Die Menschen seien hungrig nach solchen Geschichten, hieß es am Rande des Festivals.
Homepage des Dokumentarfilmfestivals in Tiflis