Ein Flüchtling, der Flüchtlingen hilft
In einem anderen Leben besaß Hussam Ad-Din eine Villa in Damaskus und leitete eine Sprachschule. Dann musste er aus Syrien fliehen. In Berlin hilft er nun seinen Landsleuten beim Neustart in Deutschland.
Hussam Ad-Din ist mal wieder im Einsatz. Der Syrer beruhigt eine Flüchtlingsfamilie. Die Ärztinnen sind gleich da und werden dem Baby helfen. Der 36-Jährige kommt fast jeden Tag zum Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, der ersten Anlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin.
"Seit ich hier bin, kümmere ich mich um die Flüchtlinge. Weil ich selbst einer bin, verstehe ich einfach besser, was sie brauchen."
Heute Morgen warten im Innenhof des Lageso wieder hunderte Menschen mit kleinen Zetteln in der Hand. Sie warten, dass ihre Nummer aus dem Lautsprecher aufgerufen wird. Dass man ihnen sagt, wo sie wohnen können. Dass man ihnen sagt, ob sie bleiben können. Dass man ihnen hilft. Und zuhört.
Hussam Ad-Din hört zu. Jeden Tag. Der ernste, leicht ergraute Syrer übersetzt und erklärt. Zeigt, wo das Obst verteilt wird. Und tröstet. Vorher, in einem anderen Leben, war Hussam Ad-Din Leiter einer Sprachschule. Er besaß eine Villa in Damaskus und arbeitete als Journalist, auch für ausländische Fernsehsender. Ihm ging es gut. So gut, dass er sich illegal für irakische Flüchtlinge in Syrien engagierte. Aber eines Tages verhaftete ihn die Polizei in Damaskus. Er floh vor vier Jahren über den Landweg und bekam in Deutschland Asyl.
"Ich bin an die Arbeit mit Flüchtlingen gewöhnt. Aber es ist schwierig, dass sie jetzt aus meinem eigenen Land sind. Ich möchte so viele ihrer Probleme wie möglich lösen."
Heute löst er die Probleme einer syrischen Familie aus Latakiya. Mutter Amna hat fünf Kinder. Der Kleinste, Rais, weint und hat Schmerzen. Hussar ad-Din fragt sich auf dem Lageso-Gelände durch, sucht einen Kinderarzt. Endlich findet er, in einem Nebengebäude, Haus C, das handgemalte rote Kreuz. Eine Helferin in der Arztbaracke spricht sogar Arabisch. Die syrische Mutter ist glücklich.
Ein Ort sein, an dem die Syrer die Feindschaft in ihrer Heimat überwinden
Dem kleinen Rais wird geholfen - und die Mutter kann ihr Herz ausschütten. Vor vier Monaten haben sie ihr Zuhause in Syrien verlassen, mit nur einer Tasche und dem letzten Geld. Nun wohnen sie zu siebt in einem Zimmer im Flüchtlingsheim.
Sie hat Glück: Hussam ad-Din hört nicht nur geduldig zu. Er hat sogar einen Kinderwagen zu verschenken. In der Buttmannstraße im Wedding. Hier sitzt sein Verein. Er heißt Salam, Frieden auf Arabisch. Ein Erdgeschoss-Laden mit vielen Sitzbänken und einer Foto-Ausstellung an den Wänden, einer kleinen Küche, in der arabischer Kaffee gekocht wird. Den Verein hat Hussam ad-Din den Verein Anfang des Jahres gegründet.
"Wir wollen den syrischen Flüchtlingen helfen und einen Ort schaffen, an dem die Syrer sich gegenseitig unterstützen, aber auch Musik, Gedichte und Vorträge hören."
Der Verein lebt von Spenden. Hussam ad-Din weiß allerdings nicht, wie lange er die Miete noch zahlen kann. Der Name des Vereins ist Programm: Salam, Frieden. Er soll ein Ort sein, an dem die Syrer die Feindschaft in ihrer Heimat überwinden.
"Seit dem Krieg vertrauen sich die Syrer nicht mehr. Wir wollen, dass sie hier zusammenkommen und wieder Syrer sein können. Nicht aus dem Norden oder Süden, oder Sunniten oder Schiiten oder Drusen oder Alawiten. Sondern einfach Syrer."
Hussam ad-Din holt mit Mohammed einen Kinderwagen aus dem Kabuff. Ein Kuscheltier und ein paar Anziehsachen für den kleinen Rais gibt‘s noch dazu.
"Wir brauchen jede Hilfe für Kinder. Kleider, Windeln, aber das Problem ist, dass wir keinen Keller oder Lagerraum haben. Und wir haben nicht genügend Geld, um das dauerhaft leisten zu können."
Hussam ad-Din freut sich über die Hilfsbereitschaft der Deutschen. Gleichzeitig fehlt es an Orten wie dem Lageso oft am Wichtigsten:
"Sie brauchen menschliche Wärme. Eine Umarmung. Viele meinen, dass Flüchtlinge nur ein Bett und Essen brauchen. Und das war‘s."
Hussam hofft, dass er mit seinem kleinen Verein auch dabei helfen kann, dass sich die Menschen näher kommen.
"Ich wünsche mir, dass die Leute hier die Flüchtlinge kennenlernen und sie als neue Mitbürger willkommen heißen."