Die Gamifizierung der Blockchain
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CryptoKitties sind digitale Kätzchen, die sich über kleine Computerprogramme vermehren: die gamifizierte Form der Blockchain. Leicht zugänglich, lukrativ - und eine Belastung für die Bandbreite der Netzwerke.
Da sitzt sie nun ganz ruhig und schaut mich erwartungsfroh mit ihren großen Augen an. Eine kleine, pummelige Comic-Katze mit blau-weiß geschecktem Fell, lila Bauch und grauen Ohren: Kitty Nummer 866905 – eine von hunderttausenden "CryptoKitties" – rein digitale Katzen, die nur auf der Ethereum-Blockchain existieren.
Die Krypto-Katzen sind Teil eines Spiels, in dem es darum geht, möglichst viele und möglichst besondere Exemplare zu sammeln. Dafür kann man die digitalen Katzen kaufen, sie miteinander kreuzen und so immer neue Variationen mit hoffentlich schnuffigem Aussehen und möglichst exotischen Eigenschaften erzeugen. Denn die machen die Katzen seltener, wertvoller und mit ein bisschen Glück lassen sie sich dann mit Gewinn weiterverkaufen.
Ein simples und fast schon banales Spielprinzip, das aber doch reizvoll ist. Denn nicht nur die Krypto-Katzen sind einzigartig, sondern auch, wie man mit ihnen agiert.
Fortpflanzung über Smart Contracts
Da die Katzen durch eine Blockchain verwaltet werden, kann man sie auch nur mit Blockchain-typischen Befehlen steuern. Indem man Transaktionen tätigt und damit Smart Contracts auslöst - kleine, blockchain-typische Wenn-dies-passiert-dann-mache-das-Programme.
Technisch versteckt sich hinter der graphischen Darstellung jeder Crypto-Kittie letztlich nämlich nur ein digitaler Token - eine einzigartige Zeichenkette - die man besitzen und auf einer Blockchain hin- und herschicken kann. Ganz so wie man Bitcoins besitzen und verschicken kann.
Crypto-Kitties sind also eine gamifizierte und dadurch leichter zugängliche Form der bisher eher abstrakten Blockchain. Positiv formuliert.
Andersherum könnte man aber auch sagen, dass die digitalen Kätzchen die Micropayment-Problematik von ständig neu erforderlichen Geldzahlungen in digitalen Spielen pervers auf die Spitze treiben: Minimales Gameplay bei maximalem Zahlungsbedarf. Immerhin muss jede relevante Crypto-Kitties-Aktion mit einer Transaktion auf der Blockchain abgewickelt werden. Und diese kosten nun einmal immer Geld.
Ethereum-Netzwerk mit Katzen verstopft
Doch scheint das für viele Spieler offensichtlich kein Problem zu sein. Immerhin wurden bereits Crypto-Kitties im Wert von Millionen gehandelt und miteinander gekreuzt, so dass das Ethereum-Netzwerk durch all die Katzen zwischenzeitlich verstopfte und zehntausende Transaktionen in der Warteschleife hingen.
Und auch ich will Kittie Nummer 866905 nun kaufen.
Doch, obwohl ich sie schon direkt vor mir sehe, ist der Weg zu ihr lang. Immerhin lebt sie auf der Blockchain und ich surfe im normalen Netz. Um sie zu erreichen muss ich daher zunächst eine Erweiterung installieren, damit mein Browser mit der Blockchain interagieren kann.
"The Meta Mask browser extension turns Google Chrome into an Ethereum browser letting websites retrieve data from the blockchain and letting users securely managing identities and sign transactions", heißt es im Erklärvideo von Meta Mask.
Das geht zwar mit wenigen Klicks, ist aber dennoch anstrengend. Denn nach der Installation muss ich zunächst die Nutzerbedingungen der Erweiterung akzeptieren, dann die Privatsphäre-Einstellungen, dann die Phishing-Warnung, dann einen Account anlegen, einen 12 Wörter langen Code abschreiben und wieder bestätigen.
Tausche Bitcoin gegen Ether
Erst jetzt kann ich mich bei den eigentlichen Crypto-Kitties anmelden und muss auch hier wieder: Einen Account anlegen, die AGB bestätigen, die Privatsphäre-Einstellungen akzeptieren, die Marketing-Updates bestellen, nein halt – die Marketing-Updates wieder abbestellen – bevor ich meine Katze endlich kaufen kann.
Wobei – dafür brauche ich ja auch noch diese spezielle Kryptowährung: Ether.
Um die überhaupt zu bekommen, müsste ich mich ja nun auch erst einmal bei einer Kryptowährungsbörse im Netz anmelden. Dort einen Account anlegen, AGB, Privatsphäre-Einstellungen und Phishing-Warnungen lese, mich wegen Geldwäsche-Regelungen identifizieren, schließlich Geld überweisen und warten bis ich dann irgendwann diese Ether kaufen kann. Das alles nur für eine Krypto-Katz!
Glücklicherweise habe ich jedoch noch ein paar Bitcoin-Bruchteile, die ich bei einem Online-Wechselservice schnell in die Ether-Kryptowährung umtauschen kann.
Digitale Kryptokatzen sind keine Säugetiere
Damit lade ich jetzt meine Browser-Wallet auf, kaufe für 63 Cent Kittie 866905 und damit sie nicht allein ist, für 75 Cent noch Kittie 818919, weil diese einen so schönen Salvador Dalí-Schnurrbart hat. Ich kreuze beide für weitere drei Euro miteinander und nach einer Weile erscheint ein neues Ei in meinem Account und ich lerne: Digitale Kryptokatzen sind offensichtlich keine Säugetiere.
Aus diesem Ei schlüpft schließlich Kittie 868353 – meine erste eigene Blockchain-Katze, die ich stolz "Kowalski" taufe und die mir, dank dezentraler Blockchain, niemand jemals wieder wegnehmen kann. Selbst wenn die offizielle Crypto-Kitties-Seite aus dem Netz verschwindet – meine kryptische Token-Zeichenkette, die ich Kawalski genannt habe, bleibt in der Blockchain immer meine.
Doch warum sollte man meine digitale Katze auch angreifen, zensieren oder manipulieren? Zwar wurde die teuerste Krypto-Katze für beachtliche rund 100.000 Euro verkauft, doch will meine Kitties - als ich sie wieder zum Verkauf freigebe - nicht mal für einen Euro jemand haben.
Schade eigentlich. So lasse ich Kowalski in seinem Blockchain-Datenblock ruhen. Katzen mögen ja bekanntlich Kisten, warum also dann nicht auch digitale Blöcke.