Eine ausführliche Buchkritik über Elena Ferrantes "Meine geniale Freundin" war am 27. August in "Studio 9" zu hören:
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"Die Erzählstimme gehört ganz sicher einer Frau"
Seit Wochen wird in den Medien über die Neuerscheinung "Meine geniale Freundin" gesprochen. Der Roman war in Italien und den USA bereits ein großer Erfolg - und das völlig zu Recht, meint Kritikerin Maike Albath. Doch wer steckt hinter dem Pseudonym "Elena Ferrante"?
Auf dieses Buch stürzen sich Kritiker und Publikum gleichermaßen. Der Suhrkamp-Verlag hat sogar den Erscheinungstermin um zehn Tage vorgezogen: Ab heute gibt es "Meine geniale Freundin" auch auf Deutsch. Geschrieben von der Autorin Elena Ferrante - einem Pseudonym, von der niemand weiß, wer oder was dahinter steckt.
Der erste Teil der vierbändigen neapolitanischen Saga der Autorin sei das literarische Ereignis des Herbstes, sagen die einen. Andere Stimmen sprechen von "literarischem Edelkitsch".
"Ein Fresko Italiens mit allen Brüchen"
Worum geht es? Es ist die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Mädchen aus einem sehr armseligen, einfachen Viertel in der Zeit der 50er Jahre. Das Geschehen spannt sich über sechs Jahrzehnte - "wie ein Fresko Italiens mit allen Brüchen und sozialen Veränderungen", meint Literaturkritikerin Maike Albath.
Was ist dran am Phänomen "Elena Ferrante", haben wir die Kennerin italienischer Literatur gefragt.
Die Italiener schätzten an dem Buch, "dass hier ganz klar gezeigt wird, wie unmöglich es ist, in diesen Jahren in einem sehr einfachen Viertel überhaupt zu überleben - jenseits der Camorra."
Zugleich sei es auch "eine Geschichte über soziale Mobilität". Der Roman erzähle davon, was Millionen Italiener in den 50er und 60er Jahren erlebten, dass sie nämlich ihre Heimat verlassen mussten "und in eine komplett neue Welt hinein katapultiert wurden".
Ferrantes Saga sei eine "Abrechnung mit der Familie" und sie thematisiere den Terrorismus und die Zeit ab '68.
"Es hat so eine ganz bestimmte Wucht"
Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym "Elena Ferrante"? Die Autorin selbst schweigt hartnäckig über ihre wahre Identität. Sind es womöglich mehrere Autoren? Ein Autoren-Paar? Literaturkritikerin Maike Albath ist überzeugt: Hinter Elena Ferrante kann sich nur eine Frau verbergen. Beziehungsweise: Wenn es sich um ein Autorengespann handele, dann sei mindestens eine dieser Personen eine Frau. Ihre Begründung:
"Denn es sind so intensive Betrachtungen, es hat so eine ganz bestimmte Wucht, die zusammenhängt mit diesen Fragen, wie ein Frauenleben in Italien in den 60er-und 70er-Jahren aussehen kann. Das kann – so einfühlsam auch eine männliche Stimme sein kann – nicht von einem Mann stammen, da bin ich mir hundertprozentig sicher."
Über den Hype um die Autorin haben wir am 15. Juni in "Lesart" mit dem Literatur-Blogger Stefan Mesch gesprochen:
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Maike Albath widerspricht sehr entschieden Kritikern, die Elena Ferrante ihren angeblich einfachen Stil vorwerfen:
"Es ist der Versuch, ein ganzes Leben erzählbar zu machen, in einer realistischen Art und Weise, der so groß nicht mehr unternommen wurde in den letzten Jahren. Es ist auch das Einklagen eines Erzählens."
Und das habe sehr wohl viele Kritiker begeistert. Die führenden Medien hätten das Buch positiv besprochen, insbesondere auch Frans Haas in der NZZ.
"Es ist der Versuch, ein ganzes Leben erzählbar zu machen, in einer realistischen Art und Weise, der so groß nicht mehr unternommen wurde in den letzten Jahren. Es ist auch das Einklagen eines Erzählens. Und ich glaube, das hat die Kritikerinnen, die Kolleginnen, begeistert."
Es sei doch merkwürdig, dass männliche Autoren wie Philipp Roth, die sich gerne eines gewissen Pathos bedienten, besonders bei der Beschreibung von Sexualität, stets mit Begeisterung aufgenommen würden – während Autorinnen wie hier Elena Ferrante schnell vorgeworfen würde, sie fabrizierten Kitsch.