Pflanzliche Helfer für die Metallgewinnung
Wer an extremen Standorten überleben will, muss selbst extreme Eigenschaften entwickeln. So machen es Hyperakkumulator-Pflanzen, die auf Böden wachsen können, die hohe Konzentrationen von giftigen Schwermetallen enthalten. Eine Chance für die Technik?
Ein Gewächshaus an der Ruhr-Universität Bochum. Es ist kühl und feucht und riecht nach nasser Erde. Die Biologin Ute Krämer steht in einer der Kammern und beugt sich über eine Reihe hellbrauner, ordentlich beschrifteter Töpfe, in denen niedrige dunkelgrüne Pflanzen wachsen.
"Das sind Pflanzen von Arabidopsis halleri, Arabidopsis halleri ist eine Pflanze die in den Blättern sehr große Mengen an Zink und Cadmium akkumuliert, also anreichert. Das sind kleine, krautige Pflanzen, die Blätter können größer und kleiner sein, es gibt hier diese ganz kompakten, rundlichen Blätter, und dann gibt es hier die extrem stark gefiederten Blätter, hier bei dieser Pflanze."
Arabidopsis halleri, die Hallersche Schaumkresse, gehört zu den Hyperakkumulatoren. Diese auf den ersten Blick eher unauffälligen Pflänzchen haben die besondere Fähigkeit, Schwermetalle wie Zink, Cadmium oder Nickel aus dem Boden aufzunehmen und in ihren Blättern in Mengen zu speichern, die für andere Pflanzen tödlich wären. Ute Krämer will wissen, wie die Pflanzen diese hohen Konzentrationen der giftigen Mineralien anreichern und aushalten können, ohne Schaden zu nehmen.
"Wir haben hier die Unterarten die in Rumänien vorkommen, das ist Unterart von Arabidospis halleri namens Dacica und Unterart Tatrica, die stehen hier so ein bisschen gemischt durcheinander. Das ist Gelnika, das ist eine Kupferbergbauregion, die liegt in der Slowakei."
Sie ziehen das Metall wie Staubsauger aus dem Boden
An vielen Fundorten wurden früher Metallerze abgebaut, die Böden sind mit Schwermetallen verseucht. Eigentlich kein günstiger Lebensraum, doch Arabidopsis halleri und andere Hyperakkumulatoren wachsen hier besonders gut. Sie ziehen das Metall wie ein Staubsauger aus dem Boden und lagern es ein. Dieser Mechanismus dient den Pflanzen vermutlich zum Schutz vor Fressfeinden, doch die außergewöhnliche Fähigkeit macht die Pflanzen auch interessant für technische Anwendungen.
"Wenn so eine Pflanze eine sehr hohe Biomasse hat, dann könnte man damit Böden aufreinigen, oder man könnte überlegen ob man damit Metalle zurückgewinnt, in so einer Art Erzgewinnung durch Pflanzen, die sehr nachhaltig wäre."
Das Potential der Hyperakkumulatoren hat als einer der ersten der Brite Alan Baker erkannt, der sich seit dem Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere vor über dreißig Jahren mit den Pflanzen beschäftigt:
"Diese Pflanzen können das Hundertfache dessen aufnehmen, was normalerweise an Metallen in anderen Pflanzen gefunden werden kann. Sie haben also eine gewaltiges Aufnahmevermögen für Metalle. Wir haben darin nicht nur eine biologische Kuriosität gesehen sondern ein Material, das in der Zukunft von großer praktischer und technologischer Bedeutung sein könnte und das hat sich tatsächlich als wahr erwiesen."
Eine Möglichkeit wäre, die Hyperakkumulatoren auf Schwermetall-verseuchten Böden anzupflanzen, um sie zu reinigen. Wenn die Pflanzen sich vollgesogen haben, werden sie geerntet und entsprechend entsorgt.
Metalle mit Pflanzen aus dem Boden ziehen
Für Alan Baker steht das sogenannte Phytomining im Vordergrund, bei dem Metalle mit Hilfe der Pflanzen aus den oberen Erdschichten abgebaut werden könnten. Die Technik dafür existiert. Schon in den 1990ger Jahren entwickelte Baker zusammen mit einem Kollegen ein entsprechendes Verfahren.
Die Idee war, Metalle, die auch wirtschaftlich interessant sind, mit den Pflanzen aus dem Boden zu holen. In der Trockenmasse der Pflanzen sind die Metalle dann hochkonzentriert und noch höher in der Asche, wenn man die Pflanzen verbrennt. Das ist die Grundidee des Phytomining.
Wegen patentrechtlicher Fragen wurde die Technik nie kommerziell genutzt, doch Alan Baker hat weiter an dem Thema gearbeitet. Er hat über 200 Fachartikel veröffentlicht und ist rund um den Globus gereist, um nach weiteren Hyperakkumulatoren zu suchen.
Insgesamt sind bis heute über 500 Arten bekannt, von kleinen Pflänzchen wie der Hallerschen Schaumkresse in Europa bis hin zu Bäumen in Südostasien, deren Saft man vom angereicherten Nickel grün-bläulich schimmern sehen kann, wenn man ihre Rinde anritzt.
Das Phytomining könnte zwanzig Jahre nach seiner Entwicklung wiederbelebt werden, wenn der Patentschutz für die Technik im kommenden Jahr erlischt.
"Ich denke, dass im letzten Jahr einiges in Bewegung geraten ist. Auch die Industrie zeigt wieder Interesse. Wir haben natürlich auch Dinge wie Gold oder Platin im Blick und haben versucht, Pflanzen zu finden, die Seltene Erden speichern können. Die werden für technische Anwendungen immer wichtiger, besonders für die Mikroelektronik-Industrie."
Neue molekularbiologischen Techniken könnten es mittlerweile ermöglichen, Hyperakkumulatorpflanzen so zu verändern, dass sie für die jeweilige Anwendung optimiert sind. Für das Phytomining braucht man zum Beispiel Pflanzen mit besonders viel Biomasse, denn die ist für eine möglichst hohe Ausbeute wichtig. Auch wenn ihre eigene Arbeit in eine andere Richtung zielt, hält auch Ute Krämer es für realistisch, dass diese Technik in Zukunft eine Rolle spielen wird:
"Wenn sich die Erzreserven weiter verknappen oder wenn die Preise für einzelne Metalle am Weltmarkt stark ansteigen, dann wird es Interesse an diesen Technologien geben, da bin ich mir sicher."