"Hyperland" in der ZDF-Mediathek

Dystopie der Bewertungsgesellschaft

09:05 Minuten
Cee (Lorna Ishema) und Kim (Yung Ngo) stehen sich schräg gegenüber. Kim hält einen kleinen quadratischen Gegenstand vor Cees Gesicht, die ungläubig blickt. An ihren Schläfen leuchten blaue Leuchtdioden.
Total vernetzt: Cee (Lorna Ishema) erfährt von Kim (Yung Ngo), worauf die Technologie der gegenseitigen Überwachung basiert. © ZDF / Mario Sixtus
Mario Sixtus im Gespräch mit Ramona Westhof |
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Bewertung ist alles in dem Science-Fiction-Thriller "Hyperland": Wer beliebt ist, genießt Privilegien, wer keine Likes erhält, wird unsichtbar. Er habe die Gegenwart nur ein kleines Stück weitergedacht, sagt der Autor und Regisseur Mario Sixtus.
Die Ausgangsidee ist simpel: In naher Zukunft tragen wir unsere Smartphones quasi im Körper. Kontakte pflegen, Netzwerke aufbauen, Fotos, Audios oder Filme aufnehmen und in Echtzeit mit anderen teilen, all das wird dann möglich sein, ohne dass jemand dafür noch ein Gerät in die Hand nehmen müsste.
Dieses Szenario entwirft der Autor und Journalist Mario Sixtus in seinem ersten langen Spielfilm für die Reihe "Dystopia" im kleinen Fernsehspiel des ZDF. Im Zentrum steht dabei ein rigides Prinzip der gegenseitigen Bewertung, das sämtliche gesellschaftlichen Beziehungen regelt.

Likes definieren den sozialen Status

Jeder Mensch in Sixtus' "Hyperland" verfügt über einen "Carma Count", der den sozialen Status definiert. Von dieser Einstufung hängt alles ab: Job, Wohnung, soziales Umfeld. Kein Wunder, dass die meisten versuchen, ihrer Reputation durch Tricks und bezahlte Spezialisten nachzuhelfen.
Im Film sind die Abgründe dieser Bewertungsgesellschaft zu erleben. Cee, eine junge schwarze Frau, will einen Mann zur Rechenschaft ziehen, der versucht hat, sie zu vergewaltigen. Aber niemand glaubt ihr, denn ihr "Carma Count" ist niedrig, und der Angreifer verfügt über einflussreiche Netzwerke.

Von der Savanne in die Jetztzeit

Eigentlich sei das natürlich eine Geschichte über die Gegenwart, erklärt Sixtus. Gegenseitige Bewertungen gehörten schließlich heute schon zum Alltag, zum Beispiel, wenn wir nach einem Online-Einkauf einen Kommentar über den Händler hinterlassen. Er habe dieses Prinzip weitertreiben wollen, sagt der Autor - doch nicht unbedingt aus Interesse an zentralistischen Staaten wie China, wo Social-Scoring-Systeme bereits verbreitet seien.
"Mich interessiert eher, was Menschen mit Menschen machen", sagt Sixtus, "was passiert, wenn wir uns mit unserem evolutionär vorhandenen Verstand aus der Savanne, aus der Höhle in die Jetztzeit gerettet haben, was passiert, wenn man uns dann ganz viele Werkzeuge und Möglichkeiten in die Hand gibt. Wie gehen wir dann miteinander um?"
Zu der Geschichte hätten ihn einerseits Beobachtungen über Mobbing angeregt, das heute zum Beispiel auf Schulhöfen durch digitale Medien expliziter und härter ablaufe als früher. Andererseits erzähle er im Grunde nur von alltäglichen Erfahrungen in einer kapitalistischen Gesellschaft, sagt Sixtus.

Armut macht unsichtbar

Anstelle des "Carma Count" könne man ebenso gut das Geld setzen: "Wenn wir wohlhabend sind, öffnen sich ganz andere Türen. Wenn man kein Geld hat, will niemand mit einem was zu tun haben. Und wenn man überhaupt kein Geld mehr hat, ist man unsichtbar für die Gesellschaft: Dann sitzt man irgendwo und fragt: Hast du mal einen Euro? Und alle gucken daran vorbei."

"Hyperland" ist in der ZDF-Mediathek zu sehen und am Montag, 22. November 2021, um 0.00 Uhr im ZDF.

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