"I'm Still Here"

Von Anke Leweke |
In "I’m Still Here” veräppeln Regie-Neuling Casey Affleck und Schauspieler Joaquin Phoenix ihre Branche. Für die Pseudo-Dokumentation hatte Phoenix offiziell seinen Rückzug aus dem Geschäft erklärt und fortan den "Star in der Sinnkrise" gemimt.
Viele Rätsel gab das Regiedebüt von Casey Affleck letztes Jahr auf den Filmfestspielen in Venedig auf : War diese Geschichte wirklich so durchgeknallt, abgefahren, verwegen wie sie sich gibt? Oder bekamen wir es hier mit einer riesengroßen Show zu tun? Stimmte die auch im Internet verbreitete Nachricht, dass Joaquin Phoenix sein Schauspielerdasein an den Nagel gehängt habe, und jetzt eine zweite Karriere als Rapper starten will?

Nur soviel war sicher: Sein Schauspielerkollege Casey Affleck begleitete ihn mit einer wackeligen Handkamera bei Proben und Treffen mit Musikproduzenten und Hip-Hop-Größen, die seine uncoolen, vernuschelten Gesangseinlagen ziemlich mitleidig belächelten. Aber wollte Phoenix vielleicht gerade dieses Lächeln provozieren? Im Interview mit dem Talkmaster David Lettermann, das ebenfalls in Afflecks Film zu sehen ist, erklärt Phoenix: "Ich bin schon häufiger ausgelacht worden. Sie sollten mal einige meiner Filme sehen."

Casey Afflecks Regiedebüt "I’m Still Here" ist zunächst eine Pseudo-Dokumentation, ein Mockumentary, in dem sich ein weltberühmter Schauspieler ganz wunderbar zum Affen macht. Von Szene zu Szene werden die Haare verfilzter, wird Phoenix’ Bart länger und sein Bauch, den er allzu gerne ausstellt, dicker. Mit Haut und Haaren zelebriert Joaquin Phoenix den Star Joaquin Phoenix in der Sinnkrise, einschließlich minutenlanger Selbstfindungsmonologe.

Dennoch ist "I’m Still Here" weit mehr als eine Übung in Sachen Selbstironie. Der Film wird auch zum Kommentar auf das Star-Dasein. Und zwar aus nächster Nähe. Man spürt, dass hier zwei Schauspieler am Werk sind, die wissen, wovon sie erzählen, wenn sie die Leere hinter dem Glamour filmen. Das Leben in anonymen Hotelzimmern, die Diktatur der Agenten und Manager, die albernen Interviewfragen, kurz: den Alltag im ständigen Show-Modus.

Auch die Häme und der Spott der Kollegen sind hier nicht aus der Luft gegriffen. Tatsächlich verkündete Phoenix seinen Rücktritt von der Schauspielerei in der Öffentlichkeit und zog sich hinter das Image des introvertierten, angeschlagenen Künstlers zurück. Prompt wurde er zu Witzfigur. Bei Preisverleihungen traten Kollegen mit Phoenix-Bart auf, und Alec Baldwin imitierte ihn gar Nase popelnd.

Auf den Filmfestspielen von Venedig hüllte man sich weiter in Schweigen, Phoenix reiste nicht an, Affleck deckte den Fake nicht auf. So blieb und bleibt die letzte mysteriöse Einstellung von "I’m still here" in Erinnerung. Das Bild eines einsamen jungen Mannes, der endlos durch einen Fluss läuft, immer tiefer im Wasser versinkt und irgendwann nicht mehr zu sehen ist.

Inzwischen weiß man, dass alles inszeniert war - aber die Bilder und irritierenden Gedanken bleiben.

USA 2010, Regie: Casey Affleck, Darsteller: Joaquin Phoenix, Antony Langdon, Carey Perloff, Larry McHale, Casey Affleck, Jack Nicholson, Billy Crystal, Danny Glover, Bruce Willis, 107 Minuten; ab 16 Jahren

Infos zu "I'm Still Here" von Casey Affleck
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