IBA-Projekte haben "in der Fachwelt eine große Strahlkraft"
Die öffentliche Wahrnehmung der IBA Hamburg habe sich zur Halbzeit erheblich gesteigert. Die ersten Projekte seien fertig und würden sehr gut besucht, sagt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg. Die IBA Hamburg beschäftigt sich bis 2013 sechs Jahre lang mit dem Stadtteil Hamburg-Wilhelmsburg.
Marietta Schwarz: Wenn sich internationale Bauausstellungen einer Region, einer Stadt oder sogar nur einem bestimmten Stadtteil widmen, dann ist das ein sicherer Hinweis darauf, dass es dieser Region oder dieser Stadt nicht besonders gut geht. So haben sich die Bauausstellungen in den vergangenen Jahren mit dem Zechensterben im Ruhrgebiet, den Tagebau-Folgelandschaften in der Lausitz, aber auch mit den schrumpfenden Städten in Sachsen-Anhalt auseinandergesetzt. Und das Label IBA für Internationale Bauausstellung wird fast schon inflationär vergeben für Großprojekte, die irgendwie experimentell und zukunftsweisend sind, am Ende aber nicht notgedrungen reichhaltige Ergebnisse vorweisen können. Eine IBA, über die wir jetzt sprechen wollen, ist die IBA Hamburg. Sie beschäftigt sich insgesamt sechs Jahre lang bis 2013 mit dem Stadtteil Hamburg-Wilhelmsburg, und mit dem Geschäftsführer dieser IBA, Uli Hellweg, sind wir jetzt zur Halbzeit am Telefon verbunden, um Zwischenbilanz zu ziehen. Guten Morgen!
Uli Hellweg: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Hellweg, was ist los mit diesem Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, was ist das Problem?
Hellweg: Wilhelmsburg ist ein bisschen das Stiefkind von Hamburg gewesen in den letzten Jahrzehnten. Obwohl es sehr, sehr zentral gelegen ist, mitten in der Stadt, hat dieser Stadtteil doch nie die Wahrnehmung erfahren, die er brauchte, und es haben sich bestimmte Probleme im sozialen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich hier geballt. Und insofern war es eigentlich naheliegend, das stärkste Instrument der deutschen Baukultur, eine internationale Bauausstellung, hier zum Einsatz zu bringen.
Schwarz: Was kann eine internationale Bauausstellung da jetzt mehr ausrichten als zum Beispiel ein kommunales Investitionsprojekt?
Hellweg: Der große Vorteil einer Bauausstellung ist, dass sie die Kräfte bündeln kann. Sie hat auch interdisziplinär behördenübergreifend, verwaltungsübergreifend Kräfte bündeln. Das ist in einer normalen Verwaltung immer etwas schwierig, weil es gibt Zuständigkeiten und es gibt vielleicht auch manchmal bestimmte Eifersüchteleien, und mit einer IBA hat man im Grunde ein zeitlich befristetes Instrument geschaffen, niemand muss wirklich Angst davor haben, weil im Grunde diese sieben oder acht Jahre, die eine IBA dauert, überschaubar sind, und man weiß eben, auch die Politik weiß, in dieser Zeit konzentrieren wir auch unsere finanziellen Ressourcen auf dieses Gebiet und schaffen mit diesem Motor IBA gewissermaßen den Sprung nach vorne. Dann geht das Geschäft allerdings wieder in die Hände der Verwaltung über, das ist auch gute IBA-Tradition, und insofern hat sich dort gewissermaßen eine eigene Kultur von Internationalen Bauausstellungen entwickelt seit 1901, die in der Regel eigentlich sehr erfolgreich war.
Schwarz: Drei Jahre läuft diese IBA jetzt schon in Hamburg, wie kommt es, dass kaum jemand etwas darüber weiß?
Hellweg: Das Problem jeder IBA ist die Sichtbarkeit, und wie immer in der Stadtentwicklung, wenn Sie anfangen, müssen Sie Planungsrecht schaffen, Sie haben sehr umfangreiche Beteiligungsprozesse, denn wir sind ja auch eine IBA, die nicht irgendwo auf dem Greenfield oder irgendwo auf einer Konversionsfläche stattfindet, sondern in einem belebten Stadtteil, und dort muss man eben auch Konsensprozesse, Beteiligungsprozesse organisieren. Und jede IBA wird eigentlich erst dann wahrgenommen – deswegen ist es auch eine Ausstellung –, wenn sie etwas auszustellen hat. Und das beginnt bei uns jetzt im Zwischenpräsentationsjahr, die ersten Projekte sind fertig, werden sehr, sehr gut besucht, wie unser IBA-Dock beispielsweise, dieses schwimmende Ausstellungs- und Informationszentrum hier im Müggenburger Zollhafen, und die Wahrnehmung, die öffentliche Wahrnehmung, hat sich schon in diesem Jahr erheblich gesteigert, und das wird die nächsten drei Jahre sicherlich auch noch deutlich zunehmen, zumal die Projekte, die wir realisieren, schon jetzt sagen wir mal in der Fachwelt eine große Strahlkraft haben.
Schwarz: Es geht bei diesen Bauausstellungen ja auch immer darum, Defizite in Potenziale umzudeuten. Frage ich jetzt einfach mal: Wo sind denn die Potenziale in Wilhelmsburg?
Hellweg: Es gibt eine Menge von Potenzialen in Wilhelmsburg, die bislang verkannt worden sind. Wilhelmsburg ist die größte Flussinsel Europas, sie liegt zwischen der Norderelbe und der Süderelbe. Wir haben nicht nur das Wasser um die Insel herum, wir haben auch viel Wasser in Wilhelmsburg, alte Industriekanäle, die aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden können, und wir haben viel Grün, wir haben einen Stadtteil, der sehr innenstadtnah liegt, nur zwei Stationen vom Hauptbahnhof entfernt, und gleichzeitig so grün und blau ist, wie es normalerweise nur die Umlandgemeinden sind. Und das sind die Potenziale. Natürlich haben wir auch Probleme, die großen Verkehrstrassen beispielsweise, die Wilhelmsburg durchschneiden, aber eine dieser großen Stadtautobahnen werden wir im wahrsten Sinne des Wortes beseitigen. Das heißt, wir legen sie mit einer Eisenbahnstrecke zusammen, sodass man tatsächlich diese Potenziale, die bislang nicht wirklich entwickelt worden sind, in den nächsten Jahren entwickeln kann.
Schwarz: Sie haben sich unter anderem den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben, welche Antworten liefert da die IBA?
Hellweg: Wilhelmsburg ist ein ganz besonderer Stadtteil, er war 1962 durch die große Flut hauptsächlich heimgesucht, kann man sagen, hier in Hamburg, und insofern ist das Bewusstsein über den Klimawandel hier sehr ausgeprägt. Und was wir hier eben versuchen, ist, dass wir auf der einen Seite Anpassungsstrategien entwickeln, das heißt also, Häuser, die auch mal zeitweise hohe Grundwasserstände oder auch 50, 60 Zentimeter Wasser vertragen können, ohne sozusagen gleich Probleme zu bekommen, oder Häuser, die aufschwimmen, wie zum Beispiel unser IBA-Dock, in dem die IBA selber sitzt. Aber wir befassen uns auch natürlich mit dem Thema des Klimaschutzes. Alle unsere Projekte sind in energetischem Maßstab vorbildlich, sie sind deutlich besser als das, was der Gesetzgeber fordert, und wir haben ein Konzept aufgestellt, was wir jetzt im Dezember der Öffentlichkeit vorlegen werden, wo wir zeigen, wie Wilhelmsburg als erster Stadtteil einer deutschen oder vielleicht auch einer europäischen Großstadt klimaneutral umgewandelt werden kann bis 2040, und zwar mit eigenen lokalen Ressourcen. Das ist eigentlich das Besondere, dass wir nicht die großen energetischen Anlagen in Afrika oder weit draußen in der Nordsee brauchen, sondern dass wir die lokalen Ressourcen nutzen, den Wind, die Sonne, die Biomasse, die Geothermie, um Wilhelmsburg klimaneutral zu machen.
Schwarz: Eine Fachzeitschrift hat vor Kurzem den Begriff Post-Oil City ins Leben gerufen, also die Stadt nach dem Ölzeitalter. Werden wir in naher Zukunft Städte ohne fossile Brennstoffe entwickeln können?
Hellweg: Also in naher Zukunft ist das eine relative Frage, aber es gibt ja verschiedene sehr seriöse Untersuchungen auch für Deutschland, die zeigen, dass bis 2050 tatsächlich der Wandel geschafft werden kann. Und der Wandel muss auch geschafft werden. 80 Prozent aller CO2-Emissionen auf der Welt werden in den Städten produziert, und Städte sind nach wie vor das ideale Lebensbild der Menschen. Die Menschen strömen immer noch in die Städte, die Globalisierung ist im Prinzip eine Urbanisierung, und insofern, wenn wir das Problem nicht in den Städten lösen, dann werden wir es überhaupt nicht lösen. Und da bietet eben eine IBA eine gute Experimentierwerkstatt sag ich mal, um so was in einem begrenzten lokalen Rahmen zu zeigen und auch vorzuziehen, schneller zu zeigen, als dies vielleicht im globalen Maßstab oder in einem nationalen Maßstab möglich ist.
Schwarz: Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg, vielen Dank, Herr Hellweg für das Gespräch!
Hellweg: Herzlichen Dank!
Uli Hellweg: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Hellweg, was ist los mit diesem Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, was ist das Problem?
Hellweg: Wilhelmsburg ist ein bisschen das Stiefkind von Hamburg gewesen in den letzten Jahrzehnten. Obwohl es sehr, sehr zentral gelegen ist, mitten in der Stadt, hat dieser Stadtteil doch nie die Wahrnehmung erfahren, die er brauchte, und es haben sich bestimmte Probleme im sozialen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich hier geballt. Und insofern war es eigentlich naheliegend, das stärkste Instrument der deutschen Baukultur, eine internationale Bauausstellung, hier zum Einsatz zu bringen.
Schwarz: Was kann eine internationale Bauausstellung da jetzt mehr ausrichten als zum Beispiel ein kommunales Investitionsprojekt?
Hellweg: Der große Vorteil einer Bauausstellung ist, dass sie die Kräfte bündeln kann. Sie hat auch interdisziplinär behördenübergreifend, verwaltungsübergreifend Kräfte bündeln. Das ist in einer normalen Verwaltung immer etwas schwierig, weil es gibt Zuständigkeiten und es gibt vielleicht auch manchmal bestimmte Eifersüchteleien, und mit einer IBA hat man im Grunde ein zeitlich befristetes Instrument geschaffen, niemand muss wirklich Angst davor haben, weil im Grunde diese sieben oder acht Jahre, die eine IBA dauert, überschaubar sind, und man weiß eben, auch die Politik weiß, in dieser Zeit konzentrieren wir auch unsere finanziellen Ressourcen auf dieses Gebiet und schaffen mit diesem Motor IBA gewissermaßen den Sprung nach vorne. Dann geht das Geschäft allerdings wieder in die Hände der Verwaltung über, das ist auch gute IBA-Tradition, und insofern hat sich dort gewissermaßen eine eigene Kultur von Internationalen Bauausstellungen entwickelt seit 1901, die in der Regel eigentlich sehr erfolgreich war.
Schwarz: Drei Jahre läuft diese IBA jetzt schon in Hamburg, wie kommt es, dass kaum jemand etwas darüber weiß?
Hellweg: Das Problem jeder IBA ist die Sichtbarkeit, und wie immer in der Stadtentwicklung, wenn Sie anfangen, müssen Sie Planungsrecht schaffen, Sie haben sehr umfangreiche Beteiligungsprozesse, denn wir sind ja auch eine IBA, die nicht irgendwo auf dem Greenfield oder irgendwo auf einer Konversionsfläche stattfindet, sondern in einem belebten Stadtteil, und dort muss man eben auch Konsensprozesse, Beteiligungsprozesse organisieren. Und jede IBA wird eigentlich erst dann wahrgenommen – deswegen ist es auch eine Ausstellung –, wenn sie etwas auszustellen hat. Und das beginnt bei uns jetzt im Zwischenpräsentationsjahr, die ersten Projekte sind fertig, werden sehr, sehr gut besucht, wie unser IBA-Dock beispielsweise, dieses schwimmende Ausstellungs- und Informationszentrum hier im Müggenburger Zollhafen, und die Wahrnehmung, die öffentliche Wahrnehmung, hat sich schon in diesem Jahr erheblich gesteigert, und das wird die nächsten drei Jahre sicherlich auch noch deutlich zunehmen, zumal die Projekte, die wir realisieren, schon jetzt sagen wir mal in der Fachwelt eine große Strahlkraft haben.
Schwarz: Es geht bei diesen Bauausstellungen ja auch immer darum, Defizite in Potenziale umzudeuten. Frage ich jetzt einfach mal: Wo sind denn die Potenziale in Wilhelmsburg?
Hellweg: Es gibt eine Menge von Potenzialen in Wilhelmsburg, die bislang verkannt worden sind. Wilhelmsburg ist die größte Flussinsel Europas, sie liegt zwischen der Norderelbe und der Süderelbe. Wir haben nicht nur das Wasser um die Insel herum, wir haben auch viel Wasser in Wilhelmsburg, alte Industriekanäle, die aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden können, und wir haben viel Grün, wir haben einen Stadtteil, der sehr innenstadtnah liegt, nur zwei Stationen vom Hauptbahnhof entfernt, und gleichzeitig so grün und blau ist, wie es normalerweise nur die Umlandgemeinden sind. Und das sind die Potenziale. Natürlich haben wir auch Probleme, die großen Verkehrstrassen beispielsweise, die Wilhelmsburg durchschneiden, aber eine dieser großen Stadtautobahnen werden wir im wahrsten Sinne des Wortes beseitigen. Das heißt, wir legen sie mit einer Eisenbahnstrecke zusammen, sodass man tatsächlich diese Potenziale, die bislang nicht wirklich entwickelt worden sind, in den nächsten Jahren entwickeln kann.
Schwarz: Sie haben sich unter anderem den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben, welche Antworten liefert da die IBA?
Hellweg: Wilhelmsburg ist ein ganz besonderer Stadtteil, er war 1962 durch die große Flut hauptsächlich heimgesucht, kann man sagen, hier in Hamburg, und insofern ist das Bewusstsein über den Klimawandel hier sehr ausgeprägt. Und was wir hier eben versuchen, ist, dass wir auf der einen Seite Anpassungsstrategien entwickeln, das heißt also, Häuser, die auch mal zeitweise hohe Grundwasserstände oder auch 50, 60 Zentimeter Wasser vertragen können, ohne sozusagen gleich Probleme zu bekommen, oder Häuser, die aufschwimmen, wie zum Beispiel unser IBA-Dock, in dem die IBA selber sitzt. Aber wir befassen uns auch natürlich mit dem Thema des Klimaschutzes. Alle unsere Projekte sind in energetischem Maßstab vorbildlich, sie sind deutlich besser als das, was der Gesetzgeber fordert, und wir haben ein Konzept aufgestellt, was wir jetzt im Dezember der Öffentlichkeit vorlegen werden, wo wir zeigen, wie Wilhelmsburg als erster Stadtteil einer deutschen oder vielleicht auch einer europäischen Großstadt klimaneutral umgewandelt werden kann bis 2040, und zwar mit eigenen lokalen Ressourcen. Das ist eigentlich das Besondere, dass wir nicht die großen energetischen Anlagen in Afrika oder weit draußen in der Nordsee brauchen, sondern dass wir die lokalen Ressourcen nutzen, den Wind, die Sonne, die Biomasse, die Geothermie, um Wilhelmsburg klimaneutral zu machen.
Schwarz: Eine Fachzeitschrift hat vor Kurzem den Begriff Post-Oil City ins Leben gerufen, also die Stadt nach dem Ölzeitalter. Werden wir in naher Zukunft Städte ohne fossile Brennstoffe entwickeln können?
Hellweg: Also in naher Zukunft ist das eine relative Frage, aber es gibt ja verschiedene sehr seriöse Untersuchungen auch für Deutschland, die zeigen, dass bis 2050 tatsächlich der Wandel geschafft werden kann. Und der Wandel muss auch geschafft werden. 80 Prozent aller CO2-Emissionen auf der Welt werden in den Städten produziert, und Städte sind nach wie vor das ideale Lebensbild der Menschen. Die Menschen strömen immer noch in die Städte, die Globalisierung ist im Prinzip eine Urbanisierung, und insofern, wenn wir das Problem nicht in den Städten lösen, dann werden wir es überhaupt nicht lösen. Und da bietet eben eine IBA eine gute Experimentierwerkstatt sag ich mal, um so was in einem begrenzten lokalen Rahmen zu zeigen und auch vorzuziehen, schneller zu zeigen, als dies vielleicht im globalen Maßstab oder in einem nationalen Maßstab möglich ist.
Schwarz: Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg, vielen Dank, Herr Hellweg für das Gespräch!
Hellweg: Herzlichen Dank!