"Ich bin allzu lange in dieser Kirche geblieben"
Der katholische Priester Eugen Drewermann wurde durch seinen Versuch bekannt Theologie und Psychoanalyse miteinander zu verbinden. Durch seine Bücher, Vorlesungen und Vorträge erregte er das Missfallen der kirchlichen Autoritäten – bis ihm die Lehrerlaubnis entzogen wurde.
"Ich denke, es ist jedem klar, dass man, bevor man verurteilt, mit einem Angeklagten redet. Genau das ist eben nicht passiert. Die Situation ist: Man steckt mich ins Gefängnis und dann sagt man, jetzt beweise uns, trotz allem, dass du noch katholisch bist."
Aus den Medien hatte der Paderborner Psychotherapeut und Hochschullehrer Eugen Drewermann erfahren, dass ihm die Lehrbefugnis als katholischer Theologiedozent entzogen werden solle. Weltweit gehörte er zu den bekanntesten katholischen Theologen, ein Bestseller-Autor mit einer großen Lesergemeinde, der viele Vorträge hielt und eine unübersehbare Schar von Menschen erreichte. Deshalb erregte die Pressekonferenz, die Johannes Joachim Degenhardt, der Erzbischof von Paderborn, für den 8. Oktober 1991, 16 Uhr, angesetzt hatte, international Aufsehen. Wörtlich erklärte der Oberhirte: "In der katholischen Kirche kann man nicht alles sagen." Folglich dürfe der Privatdozent und Priester Drewermann katholische Priesterstudenten in Zukunft nicht mehr ausbilden. Was Degenhardt ihm konkret vorwarf, hörte sich in der Theologensprache so an:
"Ich will nur ein paar Punkte nennen: einmal, was die Offenbarung angeht; dann, was die Geschichtlichkeit der Erlösung angeht und die Person Jesus Christus, seine Menschwerdung und seine Einzigartigkeit. Das sind einige Dinge, die also nichts direkt zu tun haben damit, dass er Psychotherapie und Theologie verbinden will. Darum geht es nicht. Sondern es geht darum, ob eben diese Glaubensaussagen von ihm auch so dargestellt werden, dass man sie als katholische Aussagen betrachten kann."
Die komplizierten, für Laien kaum verständlichen theologischen Zusammenhänge hätte Erzbischof Degenhardt schon viele Jahre zuvor ins Feld führen können. Jedoch: Sie waren letztlich nicht der Anlass für das Lehrverbot. Den eigentlichen Grund deutete Drewermann kurz nach seiner Verurteilung selber an:
"Wofür ich eintrete, ist eine Kirche, die auf ihren Reichtum verzichtet und die aufhört, Neurosen zu verbreiten. Das hängt auch nicht persönlich ab von Herrn Degenhardt. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, was wir für eine Kirchenstruktur haben."
Die Kirche und ihre materielle wie psychische Macht – das war der Punkt. Drewermann hatte sich schon lange Zeit um die Vermittlung zwischen Psychotherapie und christlichem Glauben bemüht. In der Bibel beispielsweise sah er ein Buch der Träume - eine Ansicht, die die Glaubenshüter jahrelang hinnahmen. Erst als Drewermann sich mit der Machtverteilung in der katholischen Kirche beschäftigte, wurde er gefährlich für die Hierarchie. 1989 bereitete er ein neues Buch vor: "Kleriker – Psychogramm eines Ideals". Darin untersuchte er die zölibatäre Machtstruktur seiner Kirche sowie Neurosen unter Priestern und Ordensschwestern. "Drewermann bringt den Klerus auf die Couch" hieß es, als erste Einzelheiten bekannt wurden. In Rom schreckte Kardinal Joseph Ratzinger auf, damals der oberste katholische Glaubenswächter, heute Papst Benedikt. In einem Brief erwartete er vom Paderborner Erzbischof, dass er gegen den Theologen vorgehe.
Degenhardt setzte ein kirchliches Verfahren in Gang, das mit dem Entzug der Lehrerlaubnis endete und weitere Folgen hatte: Drewermann erhielt ein Predigtverbot, woraufhin er seinerseits sein Priesteramt ruhen ließ. Dreizehn Jahre später, im Jahre 2005, zu seinem 65. Geburtstag, trat er aus der katholischen Kirche aus.
Auch heute erreicht der nunmehr 71-jährige Autor ein Millionenpublikum. In diesen Tagen erscheint ein weiteres Buch, worin er biblische Kapitel auslegt. Daran hat er, wie er sagt, zwei Jahre lang hart gearbeitet, sofern ihm Zeit blieb zwischen seinen Vorträgen und den therapeutischen Gesprächen, zu denen er Ratsuchende weiterhin in seiner Paderborner Wohnung empfängt.
"In den letzten 20 Jahren habe ich die Verantwortung für das, was die katholische Kirche tut – schon gar jetzt unter Papst Benedikt XVI. – abgeben dürfen und auch abgeben müssen. Ich bin allzu lange in dieser Kirche geblieben, den Leuten zuliebe, die in dieser Kirche an dieser Kirche leiden und deren Anliegen ich vertreten wollte, gegen den Widerstand der Bischöfe und der Amtsträger. Der Auftrag bleibt: Menschen bei der Hand zu nehmen und zu sich selber zu führen. So interpretiere ich Psychotherapie, so interpretiere ich Glaube. Dafür lebe ich und dafür stehe ich."
Aus den Medien hatte der Paderborner Psychotherapeut und Hochschullehrer Eugen Drewermann erfahren, dass ihm die Lehrbefugnis als katholischer Theologiedozent entzogen werden solle. Weltweit gehörte er zu den bekanntesten katholischen Theologen, ein Bestseller-Autor mit einer großen Lesergemeinde, der viele Vorträge hielt und eine unübersehbare Schar von Menschen erreichte. Deshalb erregte die Pressekonferenz, die Johannes Joachim Degenhardt, der Erzbischof von Paderborn, für den 8. Oktober 1991, 16 Uhr, angesetzt hatte, international Aufsehen. Wörtlich erklärte der Oberhirte: "In der katholischen Kirche kann man nicht alles sagen." Folglich dürfe der Privatdozent und Priester Drewermann katholische Priesterstudenten in Zukunft nicht mehr ausbilden. Was Degenhardt ihm konkret vorwarf, hörte sich in der Theologensprache so an:
"Ich will nur ein paar Punkte nennen: einmal, was die Offenbarung angeht; dann, was die Geschichtlichkeit der Erlösung angeht und die Person Jesus Christus, seine Menschwerdung und seine Einzigartigkeit. Das sind einige Dinge, die also nichts direkt zu tun haben damit, dass er Psychotherapie und Theologie verbinden will. Darum geht es nicht. Sondern es geht darum, ob eben diese Glaubensaussagen von ihm auch so dargestellt werden, dass man sie als katholische Aussagen betrachten kann."
Die komplizierten, für Laien kaum verständlichen theologischen Zusammenhänge hätte Erzbischof Degenhardt schon viele Jahre zuvor ins Feld führen können. Jedoch: Sie waren letztlich nicht der Anlass für das Lehrverbot. Den eigentlichen Grund deutete Drewermann kurz nach seiner Verurteilung selber an:
"Wofür ich eintrete, ist eine Kirche, die auf ihren Reichtum verzichtet und die aufhört, Neurosen zu verbreiten. Das hängt auch nicht persönlich ab von Herrn Degenhardt. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, was wir für eine Kirchenstruktur haben."
Die Kirche und ihre materielle wie psychische Macht – das war der Punkt. Drewermann hatte sich schon lange Zeit um die Vermittlung zwischen Psychotherapie und christlichem Glauben bemüht. In der Bibel beispielsweise sah er ein Buch der Träume - eine Ansicht, die die Glaubenshüter jahrelang hinnahmen. Erst als Drewermann sich mit der Machtverteilung in der katholischen Kirche beschäftigte, wurde er gefährlich für die Hierarchie. 1989 bereitete er ein neues Buch vor: "Kleriker – Psychogramm eines Ideals". Darin untersuchte er die zölibatäre Machtstruktur seiner Kirche sowie Neurosen unter Priestern und Ordensschwestern. "Drewermann bringt den Klerus auf die Couch" hieß es, als erste Einzelheiten bekannt wurden. In Rom schreckte Kardinal Joseph Ratzinger auf, damals der oberste katholische Glaubenswächter, heute Papst Benedikt. In einem Brief erwartete er vom Paderborner Erzbischof, dass er gegen den Theologen vorgehe.
Degenhardt setzte ein kirchliches Verfahren in Gang, das mit dem Entzug der Lehrerlaubnis endete und weitere Folgen hatte: Drewermann erhielt ein Predigtverbot, woraufhin er seinerseits sein Priesteramt ruhen ließ. Dreizehn Jahre später, im Jahre 2005, zu seinem 65. Geburtstag, trat er aus der katholischen Kirche aus.
Auch heute erreicht der nunmehr 71-jährige Autor ein Millionenpublikum. In diesen Tagen erscheint ein weiteres Buch, worin er biblische Kapitel auslegt. Daran hat er, wie er sagt, zwei Jahre lang hart gearbeitet, sofern ihm Zeit blieb zwischen seinen Vorträgen und den therapeutischen Gesprächen, zu denen er Ratsuchende weiterhin in seiner Paderborner Wohnung empfängt.
"In den letzten 20 Jahren habe ich die Verantwortung für das, was die katholische Kirche tut – schon gar jetzt unter Papst Benedikt XVI. – abgeben dürfen und auch abgeben müssen. Ich bin allzu lange in dieser Kirche geblieben, den Leuten zuliebe, die in dieser Kirche an dieser Kirche leiden und deren Anliegen ich vertreten wollte, gegen den Widerstand der Bischöfe und der Amtsträger. Der Auftrag bleibt: Menschen bei der Hand zu nehmen und zu sich selber zu führen. So interpretiere ich Psychotherapie, so interpretiere ich Glaube. Dafür lebe ich und dafür stehe ich."