"Ich bin ein Berliner"
Im Juni 1963 war Deutschland geprägt durch den Kalten Krieg und die Teilung des Landes: Zwei Systeme in einem Land, die sich feindlich gegenüber standen. Dieser Hintergrund ist wichtig, um zu verstehen, warum John F. Kennedys Satz so euphorisch aufgenommen wurde.
26. Juni 1963. Eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag, ein Mittwoch. Die Wetterprognose: Stark bewölkt mit einzelnen gewittrigen Schauern. Die Berliner Morgenpost gratuliert betagten Geburtstagskindern, an diesem Tag der Rentnerin Henriette Frick aus Berlin-Halensee zum 85. Geburtstag. Die Stadt ist voller Stars - Daliah Lavi, Charles Aznavour, Eddi Constantine - es ist Halbzeit bei der Berlinale, die damals noch im Sommer stattfindet. Doch an diesem Mittwoch wollen die Berliner, zumindest im Westen, jemand anderen sehen, einen Politstar - der allerdings auch einem Hollywoodfilm entsprungen sein könnte: Jung und voller Charisma.
Viele Berliner können wegen ihm ausschlafen: Die Kinder haben schulfrei, viele Geschäfte sind geschlossen. Bei den Postämtern gibt es erst ab 16 Uhr normalen Schalterdienst. Die West-Berliner Gerichte halten, ebenso wie die Polizeireviere, nur einen Notdienst aufrecht. Die Staatlichen Museen bleiben den ganzen Tag geschlossen und auch die Bäcker- und Fleischerei-Innungen wollen ihren Mitarbeitern ab Mittag frei geben.
Sprecher: "Es ist nicht zu viel gesagt: Eine Stadt ist aus den Häusern, alle Bürger planen dasselbe, Sie können fragen wo und wen Sie wollen:"
Frau: "Ich steh an der Straße und wink ihm zu, ich find ihn sehr sympathisch und deshalb…"
Frau: "Ja ich geh hin, is doch logisch…"
Frau: "Alle gehen hin…"
Frau: "Ich geh hin, stell mich hin, will ihn begrüßen nach Möglichkeit…"
Frau: "Winken, aber ich hab keine Fähnchen bekommen."
Frau: "Wir freuen uns schon, mit Enkeltochter."
Frau: "Der wird auch an der FU sprechen und da werde ich hingehen und kucken, ich habe sogar eine Karte für die Leute, die ganz vorne stehen dürfen um ihn zu sehen."
Frau: "Ich finde das sehr schön, dass der große Präsident Berlin besucht und das ist für uns eine große Freude.""
Viele Berliner können wegen ihm ausschlafen: Die Kinder haben schulfrei, viele Geschäfte sind geschlossen. Bei den Postämtern gibt es erst ab 16 Uhr normalen Schalterdienst. Die West-Berliner Gerichte halten, ebenso wie die Polizeireviere, nur einen Notdienst aufrecht. Die Staatlichen Museen bleiben den ganzen Tag geschlossen und auch die Bäcker- und Fleischerei-Innungen wollen ihren Mitarbeitern ab Mittag frei geben.
Sprecher: "Es ist nicht zu viel gesagt: Eine Stadt ist aus den Häusern, alle Bürger planen dasselbe, Sie können fragen wo und wen Sie wollen:"
Frau: "Ich steh an der Straße und wink ihm zu, ich find ihn sehr sympathisch und deshalb…"
Frau: "Ja ich geh hin, is doch logisch…"
Frau: "Alle gehen hin…"
Frau: "Ich geh hin, stell mich hin, will ihn begrüßen nach Möglichkeit…"
Frau: "Winken, aber ich hab keine Fähnchen bekommen."
Frau: "Wir freuen uns schon, mit Enkeltochter."
Frau: "Der wird auch an der FU sprechen und da werde ich hingehen und kucken, ich habe sogar eine Karte für die Leute, die ganz vorne stehen dürfen um ihn zu sehen."
Frau: "Ich finde das sehr schön, dass der große Präsident Berlin besucht und das ist für uns eine große Freude.""
2000 Journalisten und 30 Stenotypistinnen
13.000 Polizeibeamte sind an diesem Tag im Einsatz. Die Straßen Berlins werden zur längsten politischen Bühne, die das Nachkriegsdeutschland jemals erlebt hat. 53 Kilometer ist die Strecke, die der Präsident vom Flughafen Tegel quer durch die Stadt abfahren wird:
"Wir haben die große Bitte, dass die Besucher möglichst nicht mit dem eigenen Wagen zur Strecke fahren, darum, bitte lasst die Wagen zu Hause, liebe Berliner, die ihr dorthin kommt, benutzt die BVG, und beachtete das Halteverbot, das wir für beide Fahrtrichtungen anordnen mussten."
"Astronauten im Weltall!
Kennedy in Berlin.
Große Ereignisse kommen auf den Bildschirm"
Eine Werbeanzeige von Radio-Rading aus Steglitz, der billigste Fernseher kostet dort 598 D-Mark. Zum Vergleich: Einen Pullover bekommt man bei C&A für 11 D-Mark. Ein Pfund Gulasch kosten 2,70 D-Mark. Zigaretten 1,75 D-Mark.
Reporter: "Nahezu 2.000 Journalisten aus der ganzen Welt sind zur Zeit in Berlin, um ihre Hörer, Seher und Leser schnell und ausführlich informieren zu können. Im Pressezentrum des Rathauses stehen allein 30 Fremdsprachenstenotypistinnen zur Hilfe bereit …"
John F. Kennedy war bereits zweimal in Berlin gewesen, Ende August 1939, als 22-Jähriger kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen. Und dann wieder in der vom Krieg zerstörten Stadt, Ende Juli 1945, als Journalist.
Reporter: "Es ist 9 Uhr und 34 Minuten, und in diesem Augenblick senkt sich die Boeing 707, die den amerikanischen Präsidenten, den hohen Gast des heutigen Tages an Bord trägt. Und wie durch ein kleines Wunder der Natur, bis vor fünf Minuten gab es hier noch dunkle Wolken, ein bisschen Regen dazu und in dem Moment, wo die Maschine aufsetzt und sie hat in diesem Moment aufgesetzt, in diesem Augenblick ist der Himmel aufgerissen und präsentiert sich über uns, und alles ist im Sonnenglanz…"
"Wir haben die große Bitte, dass die Besucher möglichst nicht mit dem eigenen Wagen zur Strecke fahren, darum, bitte lasst die Wagen zu Hause, liebe Berliner, die ihr dorthin kommt, benutzt die BVG, und beachtete das Halteverbot, das wir für beide Fahrtrichtungen anordnen mussten."
"Astronauten im Weltall!
Kennedy in Berlin.
Große Ereignisse kommen auf den Bildschirm"
Eine Werbeanzeige von Radio-Rading aus Steglitz, der billigste Fernseher kostet dort 598 D-Mark. Zum Vergleich: Einen Pullover bekommt man bei C&A für 11 D-Mark. Ein Pfund Gulasch kosten 2,70 D-Mark. Zigaretten 1,75 D-Mark.
Reporter: "Nahezu 2.000 Journalisten aus der ganzen Welt sind zur Zeit in Berlin, um ihre Hörer, Seher und Leser schnell und ausführlich informieren zu können. Im Pressezentrum des Rathauses stehen allein 30 Fremdsprachenstenotypistinnen zur Hilfe bereit …"
John F. Kennedy war bereits zweimal in Berlin gewesen, Ende August 1939, als 22-Jähriger kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen. Und dann wieder in der vom Krieg zerstörten Stadt, Ende Juli 1945, als Journalist.
Reporter: "Es ist 9 Uhr und 34 Minuten, und in diesem Augenblick senkt sich die Boeing 707, die den amerikanischen Präsidenten, den hohen Gast des heutigen Tages an Bord trägt. Und wie durch ein kleines Wunder der Natur, bis vor fünf Minuten gab es hier noch dunkle Wolken, ein bisschen Regen dazu und in dem Moment, wo die Maschine aufsetzt und sie hat in diesem Moment aufgesetzt, in diesem Augenblick ist der Himmel aufgerissen und präsentiert sich über uns, und alles ist im Sonnenglanz…"
Gerangel um den besten Platz
Die politische Weltlage ist Anfang der 60er Jahre schwierig. 1961, beim Bau der Berliner Mauer, hatten sich viele Berliner mehr Unterstützung von Seiten der USA erhofft. 1962 brachte die Kuba-Krise die beiden Supermächte USA und Sowjetunion an den Rand eines Nuklearkrieges:
Reporter: "Und nun der Salut für Präsident Kennedy, der in diesem Augenblick die Gangway hinabschreitet …"
Der Präsident wird von Konrad Adenauer, dem Bundeskanzler, und Willy Brandt, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, begrüßt:
"Unsere Hoffnung, Herr Präsident, gilt ihrer Führung im Ringen um Fortschritt und Frieden …"
Über den protokollarischen Ablauf des Besuches war seit April 1963 verhandelt worden, Willy Brandt, der SPD-Hoffnungsträger hatte andere Vorstellungen als Konrad Adenauer, der CDU-Bundeskanzler. Jeder wollte möglichst prominent neben dem Präsidenten in Erscheinung treten.
Reporter: "Die große Fahrt durch Berlin beginnt …"
Kurz nach 10 Uhr setzt sich der Konvoi in Bewegung.
Reporter: "Im Wagen jetzt gut zu sehen, vorne stehen Präsident Kennedy und Bundeskanzler Adenauer und in der Mitte etwas versetzt der Regierende Bürgermeister und Jubel über Jubel…"
Eigentlich müsste die wichtigste Person, der Präsident in der Mitte stehen, doch wegen seines Rückenleidens steht er seitlich im Wagen, um sich besser abstützen zu können:
Reporter: "Konfettiregen, Konfettiregen, Konfettiregen, das ist eine sympathische, eine rührend sympathische Geste, den amerikanischen Präsidenten so zu empfangen, wie er seine prominenten Gäste in New York zu empfangen pflegt und auch hier wieder gefährlich überladene Balkons, kleine Balkons, die vielleicht einmal vom Architekten für drei vier Personen geplant waren …"
Willy Brandt: "Ich glaube, das Wichtigste war nicht das, was er gesagt hat, sondern dass er bei der Fahrt durch die Straßen sprachlos war, dass er wirklich tief bewegt war, zwischendurch Fragen stellte, was bedeutet dies, was bedeutet jenes, und dass er gemerkt hat, sehr rasch gemerkt hat, da ist an der Sache nicht gedreht worden. Ich habe gleich zu Beginn scherzhaft gesagt: Sie verstehen doch sicher, dass die Leute alle durch die Polizei herbeordert worden sind und dann sah er diese, von den Schulkindern und von anderen gemachten Transparente, die Grüße an die Familie, ich vergesse nicht den kleinen Jungen mit dem Schild, ‚I greet Caroline‘, also ein Gruß an die kleine Tochter, viele andere rührende Dinge, ganz anders als man sowas woanders macht, ich denk jetzt nicht nur an den Osten."
Reporter:"Ein schöner Augenblick für den Reporter, das miterleben zu dürfen. Amerikanische Fahnen hier von Bauarbeitern geschwenkt und kleine Papierfähnchen von Kindern und von Erwachsenen, Papierfähnchen, die die Symbole der Bundesrepublik, von Berlin und von den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen."
Willy Brandt: "Seine Schwester hat es meiner Frau gesagt, das war, was die Aufnahme angeht, der Höhepunkt seiner Begegnung mit Menschen überhaupt bisher."
Reporter: "Und nun der Salut für Präsident Kennedy, der in diesem Augenblick die Gangway hinabschreitet …"
Der Präsident wird von Konrad Adenauer, dem Bundeskanzler, und Willy Brandt, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, begrüßt:
"Unsere Hoffnung, Herr Präsident, gilt ihrer Führung im Ringen um Fortschritt und Frieden …"
Über den protokollarischen Ablauf des Besuches war seit April 1963 verhandelt worden, Willy Brandt, der SPD-Hoffnungsträger hatte andere Vorstellungen als Konrad Adenauer, der CDU-Bundeskanzler. Jeder wollte möglichst prominent neben dem Präsidenten in Erscheinung treten.
Reporter: "Die große Fahrt durch Berlin beginnt …"
Kurz nach 10 Uhr setzt sich der Konvoi in Bewegung.
Reporter: "Im Wagen jetzt gut zu sehen, vorne stehen Präsident Kennedy und Bundeskanzler Adenauer und in der Mitte etwas versetzt der Regierende Bürgermeister und Jubel über Jubel…"
Eigentlich müsste die wichtigste Person, der Präsident in der Mitte stehen, doch wegen seines Rückenleidens steht er seitlich im Wagen, um sich besser abstützen zu können:
Reporter: "Konfettiregen, Konfettiregen, Konfettiregen, das ist eine sympathische, eine rührend sympathische Geste, den amerikanischen Präsidenten so zu empfangen, wie er seine prominenten Gäste in New York zu empfangen pflegt und auch hier wieder gefährlich überladene Balkons, kleine Balkons, die vielleicht einmal vom Architekten für drei vier Personen geplant waren …"
Willy Brandt: "Ich glaube, das Wichtigste war nicht das, was er gesagt hat, sondern dass er bei der Fahrt durch die Straßen sprachlos war, dass er wirklich tief bewegt war, zwischendurch Fragen stellte, was bedeutet dies, was bedeutet jenes, und dass er gemerkt hat, sehr rasch gemerkt hat, da ist an der Sache nicht gedreht worden. Ich habe gleich zu Beginn scherzhaft gesagt: Sie verstehen doch sicher, dass die Leute alle durch die Polizei herbeordert worden sind und dann sah er diese, von den Schulkindern und von anderen gemachten Transparente, die Grüße an die Familie, ich vergesse nicht den kleinen Jungen mit dem Schild, ‚I greet Caroline‘, also ein Gruß an die kleine Tochter, viele andere rührende Dinge, ganz anders als man sowas woanders macht, ich denk jetzt nicht nur an den Osten."
Reporter:"Ein schöner Augenblick für den Reporter, das miterleben zu dürfen. Amerikanische Fahnen hier von Bauarbeitern geschwenkt und kleine Papierfähnchen von Kindern und von Erwachsenen, Papierfähnchen, die die Symbole der Bundesrepublik, von Berlin und von den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen."
Willy Brandt: "Seine Schwester hat es meiner Frau gesagt, das war, was die Aufnahme angeht, der Höhepunkt seiner Begegnung mit Menschen überhaupt bisher."
Kennedy: USA geben Berlin nicht auf
11.12 Uhr: Der Präsident erreicht die Kongresshalle und wird von 1.200 Menschen mit langanhaltendem Beifall begrüßt. Kennedy spricht dort zu Gewerkschaftern – und betont zum ersten Mal während seines Aufenthaltes, dass die USA die Stadt nicht aufgeben würden:
"This is a great city, it has made a lot in the history of the last 18 years, I’m proud to be here with general Clay and when I leave tonight, I leave and the United States stay."
Danach geht es weiter Richtung Brandenburger Tor, Ankunft 11.43 Uhr:
"Auf der anderen Seite des Brandenburger Tores hat man sich, so glaubt man, einen besonderen Clou einfallen lassen, zwischen den mächtigen sechs Pfeilern sind riesige Fahnentuche herabgesenkt worden, rote Fahnen, die hier die Durchsicht versperren und in wenigen Sekunden wird hier am Brandenburger Tor an der Grenze, einer der vielen Nahtstellen zwischen Ost und West, über die Berlin verfügt, der Wagen des Präsidenten auftauchen. Präsident Kennedy wird, wenn er die 21 Stufen dieses Podestes hinter sich gebracht hat, zum ersten Mal die Mauer in Berlin sehen."
Auch im Ostteil der Stadt ist der Besuch des Präsidenten Tagesthema.
Reporter: "Sie hatten alle das gleiche Ziel, das Brandenburger Tor, sie wollten Kennedy sehen, wenn auch nur aus der Entfernung von 400 Metern an der Sperrgrenze Unter den Linden, Ecke Wilhelmstraße. Doch dann sahen sie, dass die Funktionäre ihnen mit blutrotem Fahnentuch den Blick versperrt hatten, enttäuscht machten die meisten kehrt. Doch 150 bis 200 Menschen blieben hinter dem Sperrseil stehen, als könnten sie einen Hauch, ein Echo von dem mitbekommen, was sich jenseits des verhängten Tores abspielte."
"This is a great city, it has made a lot in the history of the last 18 years, I’m proud to be here with general Clay and when I leave tonight, I leave and the United States stay."
Danach geht es weiter Richtung Brandenburger Tor, Ankunft 11.43 Uhr:
"Auf der anderen Seite des Brandenburger Tores hat man sich, so glaubt man, einen besonderen Clou einfallen lassen, zwischen den mächtigen sechs Pfeilern sind riesige Fahnentuche herabgesenkt worden, rote Fahnen, die hier die Durchsicht versperren und in wenigen Sekunden wird hier am Brandenburger Tor an der Grenze, einer der vielen Nahtstellen zwischen Ost und West, über die Berlin verfügt, der Wagen des Präsidenten auftauchen. Präsident Kennedy wird, wenn er die 21 Stufen dieses Podestes hinter sich gebracht hat, zum ersten Mal die Mauer in Berlin sehen."
Auch im Ostteil der Stadt ist der Besuch des Präsidenten Tagesthema.
Reporter: "Sie hatten alle das gleiche Ziel, das Brandenburger Tor, sie wollten Kennedy sehen, wenn auch nur aus der Entfernung von 400 Metern an der Sperrgrenze Unter den Linden, Ecke Wilhelmstraße. Doch dann sahen sie, dass die Funktionäre ihnen mit blutrotem Fahnentuch den Blick versperrt hatten, enttäuscht machten die meisten kehrt. Doch 150 bis 200 Menschen blieben hinter dem Sperrseil stehen, als könnten sie einen Hauch, ein Echo von dem mitbekommen, was sich jenseits des verhängten Tores abspielte."
Ein zartes Winken der Ostberliner
Vom Brandenburger Tor fährt die Kolonne weiter zum Checkpoint Charlie. Ankunft 12.05 Uhr. Auch dort wird er auf der Ostseite der Mauer erwartet:
Reporter: "Da steht er! Da ist er! Riefen sich die Leute halblaut zu, und sie hoben den Arm dabei, um mit dem Finger auf die Gestalt zu zeigen, die sie meinten, und aus dem ausgestreckten Zeigefinger wurde plötzlich ein Winken. Lass doch das Winken, das ist gefährlich, raunte einer. Das ist mir egal, vielleicht sehen‘s die drüben doch. Man hat sie gesehen."
Reporter: "Und jetzt betritt der Präsident den Beobachtungsstand, jetzt sehe ich auch ein zartes Winken der Ostberliner, die Präsident Kennedy eben oben gesehen haben. Immer noch steht der Präsident im Gespräch vertieft auf dem Beobachtungsstand und er wird unterrichtet vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und noch einmal geht er vor, wahrscheinlich kennt er die Situation in Berlin, kennt sie an diesem Punkt von Bildern, von Berichten, aber wie wir von vielen Besuchern Berlins ja erfahren mussten, der direkte Eindruck hier, der ist unauswischbar und er ist der stärkste."
Langsam nähert sich der Konvoi dem Rathaus Schöneberg:
Reporter:"Kennedy! Kennedy! Die Polizei steht jetzt vor ihrer schwersten Bewährungsprobe, ich glaube nicht, dass es den wenigen Wachtmeistern gelingen wird, die bisher freigehaltenen Gassen weiter frei zu halten, die Menge drückt und drückt weiter auf uns zu."
Mehr als vierhunderttausend Menschen haben sich hier versammelt, als der Konvoi um 12.50 Uhr eintrifft. Hier wird Kennedy jenen Satz sagen, der bis heute unvergessen ist:
Robert Lochner: "Ich wurde zwei Wochen vorher nach Washington zitiert, um den Präsidenten kennenzulernen und wurde beauftragt, ein paar einfache Sätze auf Deutsch zu schreiben, und dann nahm er mich in das berühmte Oval Office und ich gab Kennedy eine Kopie und las ihm den ersten Satz langsam vor, ganz einfache Sätze und bat ihn das zu wiederholen, was er tat, und das war schlimm. Und er guckte hoch und musste wohl mein entsetztes Gesicht gesehen haben: Not very good was it?"
Erinnert sich Robert Lochner, der als Dolmetscher mit Kennedy im Auto durch Berlin fuhr:
"Und als ich die Treppe zum Rathaus Schöneberg hoch ging, rief er mich zu sich und sagte, ich möchte oben auf ein Blatt Papier schreiben: "I am a Berliner", auf Deutsch."
Reporter: "Da steht er! Da ist er! Riefen sich die Leute halblaut zu, und sie hoben den Arm dabei, um mit dem Finger auf die Gestalt zu zeigen, die sie meinten, und aus dem ausgestreckten Zeigefinger wurde plötzlich ein Winken. Lass doch das Winken, das ist gefährlich, raunte einer. Das ist mir egal, vielleicht sehen‘s die drüben doch. Man hat sie gesehen."
Reporter: "Und jetzt betritt der Präsident den Beobachtungsstand, jetzt sehe ich auch ein zartes Winken der Ostberliner, die Präsident Kennedy eben oben gesehen haben. Immer noch steht der Präsident im Gespräch vertieft auf dem Beobachtungsstand und er wird unterrichtet vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und noch einmal geht er vor, wahrscheinlich kennt er die Situation in Berlin, kennt sie an diesem Punkt von Bildern, von Berichten, aber wie wir von vielen Besuchern Berlins ja erfahren mussten, der direkte Eindruck hier, der ist unauswischbar und er ist der stärkste."
Langsam nähert sich der Konvoi dem Rathaus Schöneberg:
Reporter:"Kennedy! Kennedy! Die Polizei steht jetzt vor ihrer schwersten Bewährungsprobe, ich glaube nicht, dass es den wenigen Wachtmeistern gelingen wird, die bisher freigehaltenen Gassen weiter frei zu halten, die Menge drückt und drückt weiter auf uns zu."
Mehr als vierhunderttausend Menschen haben sich hier versammelt, als der Konvoi um 12.50 Uhr eintrifft. Hier wird Kennedy jenen Satz sagen, der bis heute unvergessen ist:
Robert Lochner: "Ich wurde zwei Wochen vorher nach Washington zitiert, um den Präsidenten kennenzulernen und wurde beauftragt, ein paar einfache Sätze auf Deutsch zu schreiben, und dann nahm er mich in das berühmte Oval Office und ich gab Kennedy eine Kopie und las ihm den ersten Satz langsam vor, ganz einfache Sätze und bat ihn das zu wiederholen, was er tat, und das war schlimm. Und er guckte hoch und musste wohl mein entsetztes Gesicht gesehen haben: Not very good was it?"
Erinnert sich Robert Lochner, der als Dolmetscher mit Kennedy im Auto durch Berlin fuhr:
"Und als ich die Treppe zum Rathaus Schöneberg hoch ging, rief er mich zu sich und sagte, ich möchte oben auf ein Blatt Papier schreiben: "I am a Berliner", auf Deutsch."
Kennedy hat sich selbst zitiert
Der Zettel mit dem Satz liegt heute im Berliner Kennedy-Museum. Der Historiker Andreas W. Baum hat recherchiert, woher der Schlüsselsatz kam. Der Präsident zitierte sich damit selbst, 1962 hatte er in New Orleans eine Rede gehalten und gesagt:
"Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den man sagen konnte, ‚Ich bin ein Bürger Roms’. Heute, 1962, so glaube ich, ist der stolzeste Satz, den jemand sagen kann, ‚Ich bin ein Bürger der Vereinigten Staaten’."
Diese Gedanken tauchen auch in seiner Berliner Rede wieder auf.
"Two thousand years ago the proudest boast was Civis Romanus sum. Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‚Ich bin ein Berliner‘.”"
Kennedy hält eine kämpferische, antikommunistische Rede:
""There are some who say that Communism is the wave of the future. Let them come to Berlin."
Am Ende wiederholt er den Schlüsselsatz:
"All free men, wherever they may live, are citizens of Berlin, and, therefore, as a free man, I take pride in the words "Ich bin ein Berliner"."
Egon Bahr: "Er hat extemporiert, er hat also nicht nur vorher fertig gemachte Reden abgelesen, sondern er ist persönlich engagiert gewesen, und er hat sich von seinem Eindruck tragen lassen, er hat länger gesprochen, an allen Plätzen als er wollte, oder als vorgesehen war, denn er wollte ja länger sprechen."
Egon Bahr am 26. Juni 1963, damals ist er Pressesprecher des Berliner Senats und enger Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt:
"Niemand auf unserer Seite wusste, was er sagen würde."
Willy Brandt war die Rede zu konfrontativ, er sei, so schreibt Egon Bahr 50 Jahre später in seinen Erinnerungen, von der Schöneberger Rede des Präsidenten wenig begeistert gewesen:
"Als Kennedy seinen berühmten Satz ausrief, der die Stadt unangreifbar machte, freute sich Adenauer, und Brandt blieb säuerlich ernst."
"Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den man sagen konnte, ‚Ich bin ein Bürger Roms’. Heute, 1962, so glaube ich, ist der stolzeste Satz, den jemand sagen kann, ‚Ich bin ein Bürger der Vereinigten Staaten’."
Diese Gedanken tauchen auch in seiner Berliner Rede wieder auf.
"Two thousand years ago the proudest boast was Civis Romanus sum. Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‚Ich bin ein Berliner‘.”"
Kennedy hält eine kämpferische, antikommunistische Rede:
""There are some who say that Communism is the wave of the future. Let them come to Berlin."
Am Ende wiederholt er den Schlüsselsatz:
"All free men, wherever they may live, are citizens of Berlin, and, therefore, as a free man, I take pride in the words "Ich bin ein Berliner"."
Egon Bahr: "Er hat extemporiert, er hat also nicht nur vorher fertig gemachte Reden abgelesen, sondern er ist persönlich engagiert gewesen, und er hat sich von seinem Eindruck tragen lassen, er hat länger gesprochen, an allen Plätzen als er wollte, oder als vorgesehen war, denn er wollte ja länger sprechen."
Egon Bahr am 26. Juni 1963, damals ist er Pressesprecher des Berliner Senats und enger Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt:
"Niemand auf unserer Seite wusste, was er sagen würde."
Willy Brandt war die Rede zu konfrontativ, er sei, so schreibt Egon Bahr 50 Jahre später in seinen Erinnerungen, von der Schöneberger Rede des Präsidenten wenig begeistert gewesen:
"Als Kennedy seinen berühmten Satz ausrief, der die Stadt unangreifbar machte, freute sich Adenauer, und Brandt blieb säuerlich ernst."
Das letzte Mal so kritiklos aufgenommen
Nächste Station nach Mittagspause und Arbeitsessen ist kurz vor 16.00 Uhr die Freie Universität, dort erhält Kennedy die Ehrenbürgerwürde der FU - und spricht über Entspannung und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, den Wind des Wandels, der über den Eisernen Vorhang und die Welt weht und dass das Misstrauen auf beiden Seiten beseitigt werden müsse:
"Nun freute sich Brandt, während das Gesicht Adenauer erstarrte."
Die Studenten feiern Kennedy – es war das letzte Mal, dass ein US-Präsident so kritiklos in Westberlin aufgenommen wurde. Danach geht die Fahrt zum US-Hauptquartier, wo er vor Soldaten spricht. Dann zum Flughafen.
Reporter: "Es sind vielleicht die letzten zwei Kilometer der Fahrt zum Flughafen, die ja immer wieder das gleiche Bild bietet: Männer und Frauen und Kinder Fähnchen schwingend, Taschentuch schwenkend am Straßenrand, ein großer Tag für diese Menschen, ein großer Tag, den sie sicher lange nicht vergessen werden, wir haben – und da dürfte etwas Stolz in der Stimme liegen, wenn sie das erzählen: Wir haben Präsident Kennedy gesehen, wir waren damals dabei, als er nach Berlin kam am 26 Juni 1963."
Am Flughafen wird Kennedy von Brandt und Adenauer verabschiedet. Um 17.45 Uhr rollt die Maschine des Präsidenten auf die Startbahn.
Gerhard Kegel: "Man muss sich die Frage stellen, weshalb ein solches Auftreten Kennedys in Westberlin, er hat doch dort einen solchen Unfug zusammengeschwätzt, dass ich nicht annehme, dass er selber bei einer Lektüre seiner Reden hocherfreut sein würde."
Karl-Eduard von Schnitzler: "In seine Lebenserinnerungen wird er seine Westberliner Reden heute wahrscheinlich nicht aufnehmen, wahrscheinlich werden sie ihm aber auch schon früher leidtun …"
"Nun freute sich Brandt, während das Gesicht Adenauer erstarrte."
Die Studenten feiern Kennedy – es war das letzte Mal, dass ein US-Präsident so kritiklos in Westberlin aufgenommen wurde. Danach geht die Fahrt zum US-Hauptquartier, wo er vor Soldaten spricht. Dann zum Flughafen.
Reporter: "Es sind vielleicht die letzten zwei Kilometer der Fahrt zum Flughafen, die ja immer wieder das gleiche Bild bietet: Männer und Frauen und Kinder Fähnchen schwingend, Taschentuch schwenkend am Straßenrand, ein großer Tag für diese Menschen, ein großer Tag, den sie sicher lange nicht vergessen werden, wir haben – und da dürfte etwas Stolz in der Stimme liegen, wenn sie das erzählen: Wir haben Präsident Kennedy gesehen, wir waren damals dabei, als er nach Berlin kam am 26 Juni 1963."
Am Flughafen wird Kennedy von Brandt und Adenauer verabschiedet. Um 17.45 Uhr rollt die Maschine des Präsidenten auf die Startbahn.
Gerhard Kegel: "Man muss sich die Frage stellen, weshalb ein solches Auftreten Kennedys in Westberlin, er hat doch dort einen solchen Unfug zusammengeschwätzt, dass ich nicht annehme, dass er selber bei einer Lektüre seiner Reden hocherfreut sein würde."
Karl-Eduard von Schnitzler: "In seine Lebenserinnerungen wird er seine Westberliner Reden heute wahrscheinlich nicht aufnehmen, wahrscheinlich werden sie ihm aber auch schon früher leidtun …"
DDR-Fernsehen: Kennedy sah Grenzen seiner Macht
Im DDR-Fernsehen diskutiert am Abend Karl-Eduard von Schnitzler mit Gästen wie dem SED-Funktionär Gerhard Kegel den Besuch des Präsidenten:
Kegel: "Zweifellos, er hat in Westberlin die Grenzen seiner Macht gesehen und der Machtsphäre der imperialistischen USA, denn das ist natürlich für ihn zweifellos ein Erlebnis, hier an einer Stelle in der Welt zu stehen, und in eine Welt hinüberzublicken, wo Dollarmillionäre absolut nichts zu sagen haben."
Karl-Eduard von Schnitzler: "Den Anblick haben wir ihm ja erspart."
Die ARD zeigt nach der Tageschau eine Sondersendung mit Ausschnitten des Besuches. Robert Lemkes "heiteres Berufe-Raten" "Was bin ich" beginnt deswegen erst um 21.00 Uhr. Kennedy ist auch noch abends bei den Berlinern das Gesprächsthema, wahrscheinlich auch bei der Geburtstagsfeier von Henriette Frick, der 85jährigen Rentnerin aus Halensee. Und bei den Besuchern der Deutschen Oper, wo "Die Hochzeit des Figaro" aufgeführt wird. Am Tag danach versucht die Stadt wieder zur Normalität überzugehen:
"Ein Großreinemachen mit Papiersammeln und Straßenwaschen wird die Nachlese der Berliner Stadtreinigung zum Berliner Kennedybesuch sein. Gestern waren schon 20 Fahrzeugkolonnen unterwegs, heute früh um 5 Uhr begann die Hauptarbeit mit 750 Mitarbeitern, auf den Straßen werden über 50 Wasch- und Kehrmaschinen eingesetzt. Wo der Konfetti- und Papierregen auf Grünanalgen und zwischen Hecken niedergegangen ist, wird mit motorisierten Saugrüsseln gearbeitet."
Doch der Besuch des Präsidenten hatte bleibende Folgen. Willy Brandt:
"Die Berührung mit den Berlinern wurde zum stärksten Erlebnis Kennedys, das wird ihn begleiten. Es wird dem Mann künftig dieses Berlin nicht nur als irgendein Punkt auf der Landkarte vor Augen sein, sondern das lebendige Berlin, mit all diesen Menschen voll von Dankbarkeit und Hoffnung und Vertrauen, das glaube ich, ist das Wichtigste und wird auch auf die allgemeinen deutsch-amerikanischen Beziehungen einwirken, es wird auch die europäischen Dinge beeinflussen."
Und Egon Bahr erinnert sich Jahrzehnte später:
"Das war wie ein Verlöbnis, dieses 'Ich bin ein Berliner'. Dieses Westberlin wurde ein Teil Amerikas. Und war von diesem Augenblick an unantastbar. Und alle Hauptstädte zwischen Washington und Moskau mussten das berücksichtigen."
Kegel: "Zweifellos, er hat in Westberlin die Grenzen seiner Macht gesehen und der Machtsphäre der imperialistischen USA, denn das ist natürlich für ihn zweifellos ein Erlebnis, hier an einer Stelle in der Welt zu stehen, und in eine Welt hinüberzublicken, wo Dollarmillionäre absolut nichts zu sagen haben."
Karl-Eduard von Schnitzler: "Den Anblick haben wir ihm ja erspart."
Die ARD zeigt nach der Tageschau eine Sondersendung mit Ausschnitten des Besuches. Robert Lemkes "heiteres Berufe-Raten" "Was bin ich" beginnt deswegen erst um 21.00 Uhr. Kennedy ist auch noch abends bei den Berlinern das Gesprächsthema, wahrscheinlich auch bei der Geburtstagsfeier von Henriette Frick, der 85jährigen Rentnerin aus Halensee. Und bei den Besuchern der Deutschen Oper, wo "Die Hochzeit des Figaro" aufgeführt wird. Am Tag danach versucht die Stadt wieder zur Normalität überzugehen:
"Ein Großreinemachen mit Papiersammeln und Straßenwaschen wird die Nachlese der Berliner Stadtreinigung zum Berliner Kennedybesuch sein. Gestern waren schon 20 Fahrzeugkolonnen unterwegs, heute früh um 5 Uhr begann die Hauptarbeit mit 750 Mitarbeitern, auf den Straßen werden über 50 Wasch- und Kehrmaschinen eingesetzt. Wo der Konfetti- und Papierregen auf Grünanalgen und zwischen Hecken niedergegangen ist, wird mit motorisierten Saugrüsseln gearbeitet."
Doch der Besuch des Präsidenten hatte bleibende Folgen. Willy Brandt:
"Die Berührung mit den Berlinern wurde zum stärksten Erlebnis Kennedys, das wird ihn begleiten. Es wird dem Mann künftig dieses Berlin nicht nur als irgendein Punkt auf der Landkarte vor Augen sein, sondern das lebendige Berlin, mit all diesen Menschen voll von Dankbarkeit und Hoffnung und Vertrauen, das glaube ich, ist das Wichtigste und wird auch auf die allgemeinen deutsch-amerikanischen Beziehungen einwirken, es wird auch die europäischen Dinge beeinflussen."
Und Egon Bahr erinnert sich Jahrzehnte später:
"Das war wie ein Verlöbnis, dieses 'Ich bin ein Berliner'. Dieses Westberlin wurde ein Teil Amerikas. Und war von diesem Augenblick an unantastbar. Und alle Hauptstädte zwischen Washington und Moskau mussten das berücksichtigen."