"Ich bin skeptisch, dass er das durchstehen kann"
Der Co-Autor der gerade erscheinenden Guttenberg-Biografie, Markus Wehner, hat nach eigener Aussage schon während der Recherchen zu seinem Buch gemerkt, dass es im Lebenslauf des Ministers Ungereimtheiten gebe.
Joachim Scholl: Dieses Buch wird man nun gänzlich anders lesen, als es sich die Autoren vermutlich dachten. Markus Wehner und Eckart Lohse sind beides Kollegen, Journalisten bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", und sie legen jetzt eine Biografie über Karl-Theodor zu Guttenberg vor. Heute kommt das Buch auf den Markt, geschrieben und gedruckt war es allerdings schon vor der Plagiatsaffäre um die ominöse Doktorarbeit. Guten Morgen, Markus Wehner!
Markus Wehner: Guten Morgen!
Scholl: Eine Biografie über einen Lebenden ist immer ein Risiko für den Biografen, man weiß ja nicht, was noch kommt. Sie haben den Gau eigentlich, den größten anzunehmenden Unfall eines Biografen erlebt, was haben Sie vor zwei Wochen gedacht, als die Bombe platzte?
Wehner: Gut, man könnte natürlich auch sagen, wir haben eine Punktlandung gemacht, indem wir genau zu dem Zeitpunkt, wo alle über Guttenberg reden, ein Buch präsentieren, was den Mann erklärt. Vor zwei Wochen haben wir natürlich schon, ich bekam eine SMS morgens, von einem Kollegen, der mir die Agenturmeldung schickte, da dachte ich, na, schauen wir mal, was da dran ist. Aber als ich mir dann die "Süddeutsche Zeitung" angeschaut habe, dann habe ich schon gemerkt, das ist nicht irgendwas, was an den Haaren herbeigezogen ist, und ja …
Scholl: … hat man dann vielleicht ein starkes Wort auf den Lippen als Autor?
Wehner: Nein, wir haben natürlich überlegt, was das bedeutet, und wir aktualisieren auch sozusagen fortlaufend. Was aber die Leute doch jetzt interessiert, das ist, was ist das eigentlich für ein Mann, wie tickt der, wo kommt der her, wie ist er aufgewachsen, wodurch ist er geprägt worden, wie waren sein Elternhaus, seine Kindheit? Und das sind alle … all diese Fragen werden in dem Buch beantwortet und ich glaube, das ist auch der Grund, warum es jetzt eben auch auf ein großes Interesse stößt.
Scholl: Lassen Sie uns gleich auf diese Herkunft und diese Prägung kommen, Herr Wehner, aber inwieweit hat dieser Fälschungsfall Sie vielleicht auch in Ihrem Urteil, in Ihren Erkenntnissen bestätigt zusammen mit Ihrem Kollegen, oder auch verblüfft?
Wehner: Also er hat uns natürlich schon überrascht, es wäre jetzt vermessen zu sagen, das hätten wir erwartet, also so einen gravierenden Betrug, das hat uns überrascht wie alle anderen auch. Ein klein wenig hat es uns dann vielleicht doch nicht überrascht in dem Sinne, dass wir bei unserer Arbeit schon gemerkt haben, dass im Lebenslauf von Karl-Theodor zu Guttenberg es doch viele Stellen gibt, wo das dick aufgetragene Blattgold dann doch abblättert, wenn man ein bisschen kratzt. Und insofern hat der Fall dann letztlich viele Dinge, die wir in dem Buch beschreiben, auch bestätigt mit erschreckender Deutlichkeit.
Scholl: Dieser Eindruck wird einem in weiten Teilen vermittelt durch Ihr Buch, Herr Wehner, also das Karl-Theodor zu Guttenberg ein Mensch ist, bei dem Schein und Sein oftmals recht weit auseinanderklaffen. Nun könnte man das bei vielen Politikern vermuten, also die große Diskrepanz auch zwischen Öffentlichem und Privatem. Was macht den Unterschied bei Herrn zu Guttenberg?
Wehner: Herr Guttenberg ist glaube ich jemand, der – das kann man ja gar nicht bestreiten – durch ein besonders bestechendes und beeindruckendes Auftreten die Leute für sich gewinnt. Auch im persönlichen Gespräch ist er durchaus jemand, der Leute für sich einnimmt, und das überträgt sich auch über die Medien. Und das ist auch was, was er gelernt hat, was er lernen musste, schon in seiner Kindheit, er wurde schon als 12-, 13-Jähriger vom Vater geschickt um bei Betriebsfeiern oder anderen Anlässen Reden zu halten. Das heißt, ein Guttenberg muss ein Bierzelt in fünf Minuten im Griff haben. Das kann er auch, aber viele andere Dinge kann er eben nicht. Aber weil er eben diesen Anspruch hatte, Elite zu sein, glaubte er offenbar, in allen Bereichen grandios sein zu müssen, und das erklärt vielleicht auch den Fall mit der Doktorarbeit.
Scholl: Inwieweit hat ihn denn diese Herkunft, also diese adlige Herkunft, auch diese reiche Herkunft, natürlich privilegierte Herkunft, ja, konditioniert, geprägt, beeinflusst, vielleicht auch ja bestimmt in seinem Denken und seinem Handeln?
Wehner: Ja, das hat sie natürlich auf jeden Fall. Ich habe schon gesagt, dieser Anspruch Elite sein zu müssen in einer Familiengeschichte, in der sich sozusagen die ganze deutsche Geschichte der vergangenen Jahrhunderte widerspiegelt: Da gibt es den Urgroßonkel, der in den letzten Kriegstagen von den Nazis ermordet wurde als Widerstandskämpfer, da gibt es den Urgroßvater, der Monarchist war und die Münchner Räterepublik mit niedergeschlagen hat, da gibt es die Verbindung zu den Stauffenbergs, eine Tante, die mit einem Sohn Stauffenbergs verheiratet ist, auch andere Verbindungen zu der Familie. Da ist ganz viel historischer Glanz, ganz viel Verpflichtung, aber natürlich auch eine große Last für jemanden, der glaubt, eben dem gerecht werden zu müssen.
Scholl: Sie schreiben von einem Glückskind auch. Also einem Menschen, dem irgendwie alles in den Schoß gefallen zu sein schien, Herkunft, Reichtum, Karriere, tolle Ehefrau kommt noch dazu. Wäre das vielleicht auch das Muster, mit dem dann diese eklatante Fälschungsdreistigkeit zu erklären wäre, also im Sinne von: Was muss ich mich denn abmühen, ich bin doch sowieso schon Mister Wonderful und mir gelingt doch alles, also auch das?
Wehner: Ja, ich glaube, da gibt es einen Zug an ihm, wo er glaube ich sich selber für unantastbar hält. Und wenn wir uns eben den Lebenslauf anschauen, wo dann eben ein Praktikum als Student in New York zu einer beruflichen Station wird, oder ein Praktikum bei einer Zeitung zu einer scheinbar über Jahre dauernden freien Mitarbeit, wo dann die Arbeit in der Geschäftsführung des Familienunternehmens so ist, dass bis heute eigentlich keiner weiß, was er da gemacht hat, oder die sieben Jahre im Aufsichtsrat, wo enge Bekannte sagen, die standen nur auf dem Papier, diese Tätigkeit. Da ergibt sich natürlich schon ein Bild, was jetzt sozusagen noch mal mit großer Deutlichkeit zutage tritt, dass man eben doch mehr scheinen wollte, als man wirklich ist.
Scholl: "Guttenberg", die Biografie geschrieben von Eckart Lohse und Markus Wehner, und Letzterer ist hier im Deutschlandradio Kultur zu Gast. Sie haben ihm im Zuge Ihrer Arbeit an dem Buch selbst gesprochen, den Minister. Wie waren denn diese Treffen, welchen Eindruck hat er auf Sie persönlich gemacht?
Wehner: Ja wir haben ihn begleitet auf Reisen, wir haben ihn natürlich auch beobachtet bei zahlreichen Auftritten, Parteitagen oder Auftritten im Wahlkampf oder in Bierzelten, vor Kommunalpolitikern. Aber wir haben auch mit ihm ein langes Gespräch geführt in seinem Büro über sein Leben und seinen Lebenslauf, seine Familie. Wie ich schon gesagt habe, er ist sehr gewinnend, kann Leute für sich einnehmen, und so ein bisschen ist es auch, dass man sich hinterher fragt, hm, war das jetzt alles, ist das alles wirklich so, was er einem erzählt hat? Aber in dem Moment, wo er es einem erzählt hat, glaubt man es auch.
Scholl: Der Ansatz Ihres Buches war auch, wie ich gelesen habe und wie ich folgere, dass Sie verstehen wollen, was das Phänomen Guttenberg ausmacht. Er ist der erfolgreichste deutsche Politiker der letzten Jahre mit einem kometenhaften Aufstieg in der Beliebtheitsskala, auch in seinen öffentlichen Äußerungen, auch mit seiner Politik, also die Wehrpflicht abzuschaffen …
Eine unglaublich beeindruckende Karriere in kurzer Zeit, die jetzt anscheinend relativ schnell zerfällt, zerschellt, wie auch immer. Sie schreiben an einer Stelle bei der Schilderung eines Auftrittes: "Als habe er sich Jahre darauf vorbereitet und gewartet, dass endlich der Startschuss für die große Guttenberg-Show falle." Hat er das wirklich? Weil das hieße ja, dass da ein großer, strategischer Plan eines Politikers hinter allem stünde, meine Stunde kommt und dann geht es ganz nach oben, und zwar ganz schnell.
Wehner: Nein, ich glaube, diesen Plan hatte er glaube ich nicht. Aber er wirkt natürlich so, wenn er dann auftritt, auf die Bühne springt, Reden hält, die vielleicht intellektuell nicht sehr tiefgehend, aber doch durchaus voller Effekte und massentauglich sind. Das ist etwas, was er eben gelernt hat, und dadurch entsteht der Eindruck, dass da eigentlich ein schon fertiger Politiker auf die Bühne kommt.
Wenn es dann an die Sachen geht, wo es um skrupulöse Arbeit geht, wo man sich einarbeiten muss in schwierige Vorgänge, da tut er sich eben ganz offensichtlich schwieriger. Und das ist ein Problem natürlich, wenn man so wie jetzt eine Bundeswehrreform auch wirklich mit vielen schwierigen Details durchstehen will. Da muss er sich umstellen, wenn er dazu noch die Gelegenheit haben sollte, und vor allen Dingen müsste er sich glaube ich mehr beraten lassen.
Scholl: Seine Popularität, laut Meinungsumfragen, ist immer noch sehr hoch. Sie haben ihn beobachtet bei vielen Auftritten, also mal seine, manche Reden in Hallen und Festzelten, die gleichen eher so Auftritten von Rockstars, also mit AC/DC wird eingezogen, man denkt fast an ein Fußballspiel, also an St. Pauli, und dann schildern Sie also auch eine Atmosphäre von, ja, Begeisterung, Euphorie, manchmal sogar Ergriffenheit. Wie erklären Sie sich die Faszination, die dieser Mann anscheinend für viele Menschen ausstrahlt?
Wehner: Ja Guttenberg ist natürlich ein besonderer Politiker, weil er einer der wenigen Politiker ist, die eben diesen Glanz und Glamour verbreiten. Und dadurch ist er natürlich für viele Leute schon was Besonderes. Er hat das ja auch wie kein Politiker vorher glaube ich in der Geschichte der Bundesrepublik geschafft, ganz tief in die bunten Blätter, in die Yellow Press einzudringen. Also wenn man zum Frisör geht oder zum Arzt, dann kommt man ja schon da an Guttenberg und seiner Frau nicht vorbei.
Und ich glaube, dass aber, also dieses Äußere, der Junge, Sportliche, Unverbrauchte, Frische, Gutaussehende, dass das natürlich nicht alles erklärt, sondern Guttenberg ist natürlich auch … viele intellektuelle, viele bürgerlich konservative Leute haben ihn ja auch zu ihrem Hoffnungsträger erkoren. Guttenberg ist ganz sicher eben auch das Produkt unserer Sehnsüchte, also der Sehnsüchte nach einem Politiker, der ganz anders ist, der gradlinig ist, der nicht grau und langweilig ist, der eine klare Furche zieht, der Klartext redet. Und all dies hat man in ihn hineinprojiziert und deswegen ist es auch für viele jetzt so schwer, sich von diesem Bild zu trennen.
Scholl: Klopfen wir zum Schluss, Herr Wehner, doch noch mal aufs Guttenberg-Barometer: Wie steht es denn heute, steigend oder fallend, bleibt er oder geht er, was meinen Sie?
Wehner: Ich bin skeptisch, dass er das durchstehen kann. Aber man wird es sehen.
Scholl: "Guttenberg", die Biografie, geschrieben von Eckart Lohse und Markus Wehner, ab heute ist das Buch im Handel. Herr Wehner war bei uns zu Gast, erschienen ist das Buch im Droemer-Verlag mit 416 Seiten zum Preis von 19,99 Euro. Herzlichen Dank für Ihren Besuch!
Wehner: Danke Ihnen!
Markus Wehner: Guten Morgen!
Scholl: Eine Biografie über einen Lebenden ist immer ein Risiko für den Biografen, man weiß ja nicht, was noch kommt. Sie haben den Gau eigentlich, den größten anzunehmenden Unfall eines Biografen erlebt, was haben Sie vor zwei Wochen gedacht, als die Bombe platzte?
Wehner: Gut, man könnte natürlich auch sagen, wir haben eine Punktlandung gemacht, indem wir genau zu dem Zeitpunkt, wo alle über Guttenberg reden, ein Buch präsentieren, was den Mann erklärt. Vor zwei Wochen haben wir natürlich schon, ich bekam eine SMS morgens, von einem Kollegen, der mir die Agenturmeldung schickte, da dachte ich, na, schauen wir mal, was da dran ist. Aber als ich mir dann die "Süddeutsche Zeitung" angeschaut habe, dann habe ich schon gemerkt, das ist nicht irgendwas, was an den Haaren herbeigezogen ist, und ja …
Scholl: … hat man dann vielleicht ein starkes Wort auf den Lippen als Autor?
Wehner: Nein, wir haben natürlich überlegt, was das bedeutet, und wir aktualisieren auch sozusagen fortlaufend. Was aber die Leute doch jetzt interessiert, das ist, was ist das eigentlich für ein Mann, wie tickt der, wo kommt der her, wie ist er aufgewachsen, wodurch ist er geprägt worden, wie waren sein Elternhaus, seine Kindheit? Und das sind alle … all diese Fragen werden in dem Buch beantwortet und ich glaube, das ist auch der Grund, warum es jetzt eben auch auf ein großes Interesse stößt.
Scholl: Lassen Sie uns gleich auf diese Herkunft und diese Prägung kommen, Herr Wehner, aber inwieweit hat dieser Fälschungsfall Sie vielleicht auch in Ihrem Urteil, in Ihren Erkenntnissen bestätigt zusammen mit Ihrem Kollegen, oder auch verblüfft?
Wehner: Also er hat uns natürlich schon überrascht, es wäre jetzt vermessen zu sagen, das hätten wir erwartet, also so einen gravierenden Betrug, das hat uns überrascht wie alle anderen auch. Ein klein wenig hat es uns dann vielleicht doch nicht überrascht in dem Sinne, dass wir bei unserer Arbeit schon gemerkt haben, dass im Lebenslauf von Karl-Theodor zu Guttenberg es doch viele Stellen gibt, wo das dick aufgetragene Blattgold dann doch abblättert, wenn man ein bisschen kratzt. Und insofern hat der Fall dann letztlich viele Dinge, die wir in dem Buch beschreiben, auch bestätigt mit erschreckender Deutlichkeit.
Scholl: Dieser Eindruck wird einem in weiten Teilen vermittelt durch Ihr Buch, Herr Wehner, also das Karl-Theodor zu Guttenberg ein Mensch ist, bei dem Schein und Sein oftmals recht weit auseinanderklaffen. Nun könnte man das bei vielen Politikern vermuten, also die große Diskrepanz auch zwischen Öffentlichem und Privatem. Was macht den Unterschied bei Herrn zu Guttenberg?
Wehner: Herr Guttenberg ist glaube ich jemand, der – das kann man ja gar nicht bestreiten – durch ein besonders bestechendes und beeindruckendes Auftreten die Leute für sich gewinnt. Auch im persönlichen Gespräch ist er durchaus jemand, der Leute für sich einnimmt, und das überträgt sich auch über die Medien. Und das ist auch was, was er gelernt hat, was er lernen musste, schon in seiner Kindheit, er wurde schon als 12-, 13-Jähriger vom Vater geschickt um bei Betriebsfeiern oder anderen Anlässen Reden zu halten. Das heißt, ein Guttenberg muss ein Bierzelt in fünf Minuten im Griff haben. Das kann er auch, aber viele andere Dinge kann er eben nicht. Aber weil er eben diesen Anspruch hatte, Elite zu sein, glaubte er offenbar, in allen Bereichen grandios sein zu müssen, und das erklärt vielleicht auch den Fall mit der Doktorarbeit.
Scholl: Inwieweit hat ihn denn diese Herkunft, also diese adlige Herkunft, auch diese reiche Herkunft, natürlich privilegierte Herkunft, ja, konditioniert, geprägt, beeinflusst, vielleicht auch ja bestimmt in seinem Denken und seinem Handeln?
Wehner: Ja, das hat sie natürlich auf jeden Fall. Ich habe schon gesagt, dieser Anspruch Elite sein zu müssen in einer Familiengeschichte, in der sich sozusagen die ganze deutsche Geschichte der vergangenen Jahrhunderte widerspiegelt: Da gibt es den Urgroßonkel, der in den letzten Kriegstagen von den Nazis ermordet wurde als Widerstandskämpfer, da gibt es den Urgroßvater, der Monarchist war und die Münchner Räterepublik mit niedergeschlagen hat, da gibt es die Verbindung zu den Stauffenbergs, eine Tante, die mit einem Sohn Stauffenbergs verheiratet ist, auch andere Verbindungen zu der Familie. Da ist ganz viel historischer Glanz, ganz viel Verpflichtung, aber natürlich auch eine große Last für jemanden, der glaubt, eben dem gerecht werden zu müssen.
Scholl: Sie schreiben von einem Glückskind auch. Also einem Menschen, dem irgendwie alles in den Schoß gefallen zu sein schien, Herkunft, Reichtum, Karriere, tolle Ehefrau kommt noch dazu. Wäre das vielleicht auch das Muster, mit dem dann diese eklatante Fälschungsdreistigkeit zu erklären wäre, also im Sinne von: Was muss ich mich denn abmühen, ich bin doch sowieso schon Mister Wonderful und mir gelingt doch alles, also auch das?
Wehner: Ja, ich glaube, da gibt es einen Zug an ihm, wo er glaube ich sich selber für unantastbar hält. Und wenn wir uns eben den Lebenslauf anschauen, wo dann eben ein Praktikum als Student in New York zu einer beruflichen Station wird, oder ein Praktikum bei einer Zeitung zu einer scheinbar über Jahre dauernden freien Mitarbeit, wo dann die Arbeit in der Geschäftsführung des Familienunternehmens so ist, dass bis heute eigentlich keiner weiß, was er da gemacht hat, oder die sieben Jahre im Aufsichtsrat, wo enge Bekannte sagen, die standen nur auf dem Papier, diese Tätigkeit. Da ergibt sich natürlich schon ein Bild, was jetzt sozusagen noch mal mit großer Deutlichkeit zutage tritt, dass man eben doch mehr scheinen wollte, als man wirklich ist.
Scholl: "Guttenberg", die Biografie geschrieben von Eckart Lohse und Markus Wehner, und Letzterer ist hier im Deutschlandradio Kultur zu Gast. Sie haben ihm im Zuge Ihrer Arbeit an dem Buch selbst gesprochen, den Minister. Wie waren denn diese Treffen, welchen Eindruck hat er auf Sie persönlich gemacht?
Wehner: Ja wir haben ihn begleitet auf Reisen, wir haben ihn natürlich auch beobachtet bei zahlreichen Auftritten, Parteitagen oder Auftritten im Wahlkampf oder in Bierzelten, vor Kommunalpolitikern. Aber wir haben auch mit ihm ein langes Gespräch geführt in seinem Büro über sein Leben und seinen Lebenslauf, seine Familie. Wie ich schon gesagt habe, er ist sehr gewinnend, kann Leute für sich einnehmen, und so ein bisschen ist es auch, dass man sich hinterher fragt, hm, war das jetzt alles, ist das alles wirklich so, was er einem erzählt hat? Aber in dem Moment, wo er es einem erzählt hat, glaubt man es auch.
Scholl: Der Ansatz Ihres Buches war auch, wie ich gelesen habe und wie ich folgere, dass Sie verstehen wollen, was das Phänomen Guttenberg ausmacht. Er ist der erfolgreichste deutsche Politiker der letzten Jahre mit einem kometenhaften Aufstieg in der Beliebtheitsskala, auch in seinen öffentlichen Äußerungen, auch mit seiner Politik, also die Wehrpflicht abzuschaffen …
Eine unglaublich beeindruckende Karriere in kurzer Zeit, die jetzt anscheinend relativ schnell zerfällt, zerschellt, wie auch immer. Sie schreiben an einer Stelle bei der Schilderung eines Auftrittes: "Als habe er sich Jahre darauf vorbereitet und gewartet, dass endlich der Startschuss für die große Guttenberg-Show falle." Hat er das wirklich? Weil das hieße ja, dass da ein großer, strategischer Plan eines Politikers hinter allem stünde, meine Stunde kommt und dann geht es ganz nach oben, und zwar ganz schnell.
Wehner: Nein, ich glaube, diesen Plan hatte er glaube ich nicht. Aber er wirkt natürlich so, wenn er dann auftritt, auf die Bühne springt, Reden hält, die vielleicht intellektuell nicht sehr tiefgehend, aber doch durchaus voller Effekte und massentauglich sind. Das ist etwas, was er eben gelernt hat, und dadurch entsteht der Eindruck, dass da eigentlich ein schon fertiger Politiker auf die Bühne kommt.
Wenn es dann an die Sachen geht, wo es um skrupulöse Arbeit geht, wo man sich einarbeiten muss in schwierige Vorgänge, da tut er sich eben ganz offensichtlich schwieriger. Und das ist ein Problem natürlich, wenn man so wie jetzt eine Bundeswehrreform auch wirklich mit vielen schwierigen Details durchstehen will. Da muss er sich umstellen, wenn er dazu noch die Gelegenheit haben sollte, und vor allen Dingen müsste er sich glaube ich mehr beraten lassen.
Scholl: Seine Popularität, laut Meinungsumfragen, ist immer noch sehr hoch. Sie haben ihn beobachtet bei vielen Auftritten, also mal seine, manche Reden in Hallen und Festzelten, die gleichen eher so Auftritten von Rockstars, also mit AC/DC wird eingezogen, man denkt fast an ein Fußballspiel, also an St. Pauli, und dann schildern Sie also auch eine Atmosphäre von, ja, Begeisterung, Euphorie, manchmal sogar Ergriffenheit. Wie erklären Sie sich die Faszination, die dieser Mann anscheinend für viele Menschen ausstrahlt?
Wehner: Ja Guttenberg ist natürlich ein besonderer Politiker, weil er einer der wenigen Politiker ist, die eben diesen Glanz und Glamour verbreiten. Und dadurch ist er natürlich für viele Leute schon was Besonderes. Er hat das ja auch wie kein Politiker vorher glaube ich in der Geschichte der Bundesrepublik geschafft, ganz tief in die bunten Blätter, in die Yellow Press einzudringen. Also wenn man zum Frisör geht oder zum Arzt, dann kommt man ja schon da an Guttenberg und seiner Frau nicht vorbei.
Und ich glaube, dass aber, also dieses Äußere, der Junge, Sportliche, Unverbrauchte, Frische, Gutaussehende, dass das natürlich nicht alles erklärt, sondern Guttenberg ist natürlich auch … viele intellektuelle, viele bürgerlich konservative Leute haben ihn ja auch zu ihrem Hoffnungsträger erkoren. Guttenberg ist ganz sicher eben auch das Produkt unserer Sehnsüchte, also der Sehnsüchte nach einem Politiker, der ganz anders ist, der gradlinig ist, der nicht grau und langweilig ist, der eine klare Furche zieht, der Klartext redet. Und all dies hat man in ihn hineinprojiziert und deswegen ist es auch für viele jetzt so schwer, sich von diesem Bild zu trennen.
Scholl: Klopfen wir zum Schluss, Herr Wehner, doch noch mal aufs Guttenberg-Barometer: Wie steht es denn heute, steigend oder fallend, bleibt er oder geht er, was meinen Sie?
Wehner: Ich bin skeptisch, dass er das durchstehen kann. Aber man wird es sehen.
Scholl: "Guttenberg", die Biografie, geschrieben von Eckart Lohse und Markus Wehner, ab heute ist das Buch im Handel. Herr Wehner war bei uns zu Gast, erschienen ist das Buch im Droemer-Verlag mit 416 Seiten zum Preis von 19,99 Euro. Herzlichen Dank für Ihren Besuch!
Wehner: Danke Ihnen!