"Ich habe keinen Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke…"

Von Susanne Mack |
Fleischliche Kost haben Adam und Eva nicht gekannt. Die Geschichte vom ursprünglichen Garten Eden beschreibt das Ideal einer friedlichen Welt.
"Sehet, ich habe Euch gegeben alle Pflanzen, die Samen tragen, auf der ganzen Erde. Und alle Bäume mit Früchten, die Samen tragen, zu Eurer Speise."

Heißt es im ersten Buch Mose, erstes Kapitel. Fleischliche Kost haben Adam und Eva nicht gekannt. Die Geschichte vom ursprünglichen Garten Eden beschreibt das Ideal einer friedlichen Welt.

Berger: "Ja. Das ist die urchristliche oder auch urjüdische Vision. Dass am Anfang unter den Lebewesen kein Streit, kein Kampf, kein Töten und Sterben war. Und das spätere Kämpfen, Töten, Sterben, Fressen und Gefressenwerden, das kommt erst nach dem so genannten Sündenfall."

Joachim Berger vom Vegetarierbund Deutschland. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema "Vegetarismus und Religion" und hat dazu in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert.

Adam und Eva müssen den paradiesischen Garten bekanntlich verlassen - wegen Verstoß gegen die göttlichen Anweisungen.

Fitschen: "Zugleich ist aber dem Menschen die Herrschaft über die Schöpfung anvertraut und dementsprechend auch der für ihn nützliche und sinnvolle Umgang damit."

Klaus Fitschen, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Leipzig.

"Füllet die Erde und machet sie Euch untertan!" heißt es im ersten Buch Mose, Kapitel eins. War das die göttliche Erlaubnis oder gar der Befehl an den Menschen, sich zum Herrn der Welt aufzuschwingen und mit anderen Lebewesen zu verfahren, wie es ihm beliebt? Tiere zu töten und sich wie selbstverständlich von ihrem Fleisch zu ernähren?

"Macht Euch die Erde untertan!" könnte ja auch heißen: "Ich, Jahwe übergebe Euch Menschen die Verantwortung für alles Leben auf der Erde. Tragt Sorge für den Erhaltung und die Pflege der Schöpfung! "

Berger: "Ja. Und das ist im Grunde die Diskussion, was in diesem Satz drinsteckt. Und gerade von Seiten der Kirchen heute wird ja diese schöne Version gefördert und auch immer wieder in die Öffentlichkeit gebracht. Aber die Praxis in unserer Gesellschaft, und gerade auch von den Christen, ist leider eine andere."

Schon unter den großen Propheten der hebräischen Bibel findet sich einer, der auf den sorgfältig-respektvollen Umgang mit allen Lebewesen setzt.

"Wer einen Stier schlachtet, gleicht dem, der einen Mann erschlägt."

Heißt es bei Jesaja, Kapitel 66.

Klaus Fitschen: "Wenn man den Zusammenhang liest, stößt man auf ein typisches Stück prophetischer Rede, nämlich die Kultkritik. Es geht darum, dass keine Opfer dargebracht werden sollen, also Tieropfer. Sondern dass das wahre Opfer der rechte Glaube ist, die rechte Verehrung des wahren Gottes."

Jesaja lebte im achten Jahrhundert vor Christus, seine Auffassung war außergewöhnlich für diese Zeit. Für ihn ist das traditionelle Schlachten von Tieren zum Zweck des Gottes-Opfers eine sinnlose Greultat, Jahwe hat keinen Gefallen daran.

"Und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht! Denn Eure Hände sind voll Blut!"

Lässt Jahwe seinem Volk durch Jesaja übermitteln.– Aber wendet sich der Prophet etwa auch gegen das Fleischessen ? Eine interessante Frage, die sich anhand des Textes aber nicht eindeutig entscheiden lässt.

Fitschen: "Es werden ganz natürlich im Alten Testament und in der Zeit des Alten Testaments Tiere getötet, um sie zu essen."

Bemerkt Klaus Fitschen. Joachim Berger allerdings gibt zu bedenken, Jesaja war eine Ausnahmeerscheinung unter den jüdischen Propheten:

"Jesaja ist jemand, der eine große Friedensvision beschrieben hat. Diesen Satz "Schwerter zu Pflugscharen!", der ist ja ziemlich bekannt geworden. Aber seine Friedensvision geht ja noch viel weiter. Er sieht auch, dass es zum Frieden zwischen Mensch und Tier kommen möge."

Solch großer Frieden, meint Joachim Berger, ist nur möglich, wenn die Menschen auf fleischliche Nahrung verzichten. Es liegt nahe, dass Jesaja das Fleischessen suspekt gewesen ist, explizit allerdings wendet er sich nur gegen den Genuss von Schweinefleisch.

Die Juden waren mehrheitlich Fleischesser. Nur das Blut der Tiere durfte nicht verzehrt werden. Darum auch das Schächten, eine Art des Schlachtens, die den Tierkörper vollständig ausbluten lässt. Denn das Blut, so glauben die Israeliten, trägt die Seele eines Lebewesens.
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Fitschen: "Das kann man schon in der Geschichte vom Mord an Abel sehen. Kain schlägt Abel tot, sein Blut schreit von der Erde. Also, im Blut ist die Seele."

Im Übrigen war es nicht notwendig, die Israeliten zur vegetarischen Lebensweise zu bekehren. Die große Mehrheit des Volkes lebte, im Alltag zumindest, ohnehin von Pflanzenkost.

Klaus Fitschen: "Der gemeine Mann hat gegessen: Getreide, Gemüse, Olivenöl und dann eben diese Brotfladen, das was heute die Pizza ist. Fleisch ist keine Selbstverständlichkeit gewesen, und so es welches gab, war es ein Festmahl. Das gilt bis in die Neuzeit. Die Menschen haben normalerweise das gegessen, was auf dem Acker wuchs. Und haben das Tier nicht umgebracht, das ihnen Milch und Eier gab."

Jesaja prophezeit ein Gottesgericht über Menschen, die andere Lebewesen vorsätzlich quälen und töten – ob nun zu kultischen Zwecken oder aus purer Lust an der Macht. Egal, ob sie nun ihresgleichen Blut vergießen oder das von Tieren.

"Jeder Stiefel, der mit Gedröhn’ daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt!"

Fitschen: "Es geht um eine Kritik an Gewalt, und natürlich kann man daraus auch eine Kritik an der Gewalt gegenüber Tieren ableiten. Aber Tiere zu quälen und sie zu essen sind ja zwei völlig verschiedene Dinge, die ja auch in der aktuellen Diskussion um das Schächten immer wieder eine Rolle spielen."
Für Jesaja jedenfalls gilt als ausgemacht: Wer das Mitgefühl für Tiere nicht kennt, dem fehlt auch das Mitgefühl für Menschen. Ein Gedanke, den wir im 20. Jahrhundert bei Theodor W. Adorno wieder finden. Adorno ist überzeugt: Der Mord an Tieren genauso wie der an Menschen bis hin zum Völkermord ist auf den gleichen seelischen Defekt zurückzuführen: Den Tätern mangelt es an Mitgefühl.

"Die stets wieder begegnende Aussage, Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Pogrom. Über dessen Möglichkeit wird entschieden in dem Augenblick, in dem das Auge eines tödlich verwundeten Tieres den Menschen trifft."

Berger: "Adorno und auch Horkheimer sind ja normalerweise bekannt als Vertreter der Frankfurter Schule und sozusagen als geistige Väter der APO. Aber dabei wird vergessen, dass sie zugleich eben auch aus den Quellen der jüdischen Tradition lebten. Und Jesaja und seine große Vision vom Frieden auf Erden, vom Frieden unter allen Lebewesen, die ist ihnen stets geläufig gewesen."

Wie steht es mit Jesus von Nazareth? Der hat tierische Nahrung nicht verschmäht, so steht es jedenfalls im Neuen Testament.

Joachim Berger: "Ja, also, nach den Evangelien, so wie sie uns heute überliefert sind, muss man sagen, dass Jesus auch Fleisch gegessen hat. Wie es in seiner Kultur üblich war, vor allen Dingen Fisch."

Und zusammen mit seinen Jüngern das Osterlamm. So steht’s in Luthers Bibelübersetzung, Matthäus, Kapitel 26. Auch der auferstandene Christus war kein Vegetarier, wie das Lukas-Evangelium bezeugt:

"Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch. Und er nahm es und aß vor ihnen."

Berger: "Bei der Speisung der Fünftausend, da wurden Brot und Fische vermehrt, und auch bei anderen Gelegenheiten wird erwähnt, dass Jesus Fisch gegessen hat. So ist die Überlieferung, und vielleicht war es so."

Berger: "Vielleicht war es aber auch ganz anders. Dass diese Evangelien später, vor allen Dingen im Konzil von Nicäa redigiert worden sind…"

"und die Evangelien im Sinne der Missionierung im römischen Reich dahingehend gestaltet worden sind, dass auch die große Anzahl der Fleisch essenden Nichtchristen, die zu missionieren waren, überzeugt werden konnten."

Meint Joachim Berger. Die vier kanonischen Evangelien der Bibel sind aus einer Anzahl sich widersprechender Texte ausgewählt worden. Aber haben tatsächlich auch "Correctores" Hand angelegt? Klaus Fitschen hält das für unwahrscheinlich:

Fitschen:
"Diese These verdankt sich einer gängigen Legendenbildung. Man findet sie im Internet in islamischen Diskussionsforen, es handelt sich um eine interessengeleitete Legende. Muslime können eben sagen: der Koran fiel vom Himmel, er ist authentisches Wort Gottes. Christen haben sich das irgendwie so zusammengebastelt, haben ihre Überlieferung verfälscht, sie haben sie verdorben. Das, was in den Evangelien heute steht, ist erst nachträglich so festgelegt worden auf dem Konzil von Nicäa 325. Und wenn es dann auch noch bei Dan Brown steht in "Sakrileg", muss es ja stimmen.

Tatsache ist, dass kein Wort davon stimmt. Die Evangelien sind sehr alt, sie stammen aus dem ersten Jahrhundert, und sämtliche konkurrierenden Schriften sind uns wohl bekannt. Und in diesen ist Christus auch keinesfalls ein Vegetarier. Das einzige Interesse, das andere konkurrierende Schriften haben, ist, Christus als einen auf die Erde gekommenen Gott zu kennzeichnen, der mit dieser Welt und dieser Materie nichts zutun hat, der auch nicht gekreuzigt wird, der mit dem bösen Fleisch, Fleisch hier im Sinne von Körperlichkeit, nichts zutun hat, der auch nicht trinken muss, der einfach eine Lichtgestalt ist.

Das entspricht nicht dem historischen Zeugnis der Evangelien, das ist einfach eine spätere Deutung, die Jesus Christus zu einem Geistwesen machen will. Der muss dann weder Fleisch noch sonst was essen."

In der Umgebung des Jesus von Nazareth aber hat es Menschen gegeben, die sich der Askese verschrieben hatten. Von Johannes dem Täufer zum Beispiel heißt es im Markusevangelium, Kapitel 1, er habe sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt. Und Jacobus, ein Bruder des Jesus von Nazareth, soll nur Pflanzenkost gegessen haben.

Joachim Berger: "Es gibt diesen Geschichtsschreiber namens Hegesipp, da ist es in einer Quelle überliefert. Jacobus, von dem wird eben berichtet, dass er tierische Nahrung nicht zu sich genommen hat, und als Leiter der frühen christlichen Gemeinde in Jerusalem war er sicher nicht der einzige. Es wird auch andere gegeben haben, die so gelebt haben, es wird aber wiederum auch andere gegeben haben, die sich fleischlich ernährt haben. Das war im frühen Christentum uneinheitlich."

Hätte man die Abstinenz von fleischlicher Nahrung den Christen generell zu Pflicht gemacht, wäre Roms Kaiser Konstantin wohl kaum zum Christentum konvertiert.

Berger: "Vermutlich nicht. Und überhaupt auch die römische Oberschicht, die sich ja dann auch zum Christentum bekannt hat, zum Teil sicher auch aus opportunistischen Gründen in der Spätzeit. Aber auch die vielen einfachen Leute rund ums Mittelmeer, die ja im Laufe der Jahrhunderte und dann bis hin zu uns Germanen hier im Mittelalter, die dann alle Christen geworden sind, die wären das sicher nicht geworden, wenn das mit einer vegetarischen Lebensweise verbunden gewesen wäre. Das wäre ihnen zu fremd gewesen. Also, ich denke, es ist ganz auszuschließen, dass das Christentum als eine vegetarische Religion diese Ausbreitung hätte finden können."

Immerhin – im Neuen Testament finden sich auch Gedanken, die auf einen Christus deuten, dem nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere am Herzen liegen. Im ältesten der Evangelien, bei Markus, heißt es:

"Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur!"

Aller Kreatur also, nicht nur den Menschen, sollen Christus’ Jünger das Evangelium übermitteln. Denn – so steht es im Brief des Paulus an die Römer – "wir wissen, dass alle Kreatur mit uns seufzt und sich ängstigt".

Klaus Fitschen: "Kreatur" ist ja die Übersitzung eines griechischen Begriffes, lateinisch ‚creatura’. Was gemeint ist, ist die Schöpfung insgesamt, die geschaffene Welt, das All mit allen Lebewesen."

Paulus Briefe an die Römer bringen auch zum Ausdruck, dass es in den urchristlichen Gemeinden Streit gegeben haben muss darüber, ob man nun Fleisch essen soll oder nicht. Der Apostel empfiehlt in dieser Sache folgendes:

"Es ist besser, Du isst kein Fleisch und trinkst keinen Wein und tust nichts, woran Dein Bruder Anstoß nimmt."

Vor allem das so genannte "Götzenfleisch" ist es gewesen, dessen Verzehr vielen Christen suspekt erschien.

Fitschen: "Paulus hat das Problem, dass die Christen zu großen Gastmählern gehen, auf denen es das so genannte "Götzenopfer-Fleisch" gibt, also Fleisch, das angeboten wird von potenten Spendern, und das vorher natürlich mit der Sphäre der heidnischen Religiosität in Berührung gekommen ist. Christen gehen da hin und wollen teilhaben an diesen Gastmählern, und es gibt einige, die sagen: "Das dürfen wir eigentlich nicht machen, denn die heidnischen Götter, die haben damit irgendwas zutun." Und Paulus sagt: "Ihr müsst wissen, was ihr tut. Ihr könnt da eigentlich hingehen, das ist einfach Fleisch, die heidnischen Götter gibt’s ja garnicht. Aber wenn es Christen gibt, die daran Anstoß nehmen in eurer Bekanntschaft, die sagen: "Das ist irgendwie sozusagen ‚heidnisch verseucht’!", dann geht da auch nicht hin, bietet denen keinen Anstoß."

Berger: "Offenbar war Paulus normalerweise fleischessend, aber er schreibt, er würde kein Fleisch essen, wenn es den Bruder erzürnt. Das heißt, um des Friedens willen innerhalb der jungen christlichen Gemeinden rät er, dann lieber vom Fleischessen zurückzustehen, um andere Menschen nicht zu verprellen."

Fitschen: "Das Judentum hat seine eigenen Speisevorschriften, die sich ja auch und insbesondere auf Fleisch beziehen, das Christentum hat solche Speisevorschriften nicht. Es entlastet sich an dieser Stelle ganz deutlich, es gibt keine christlichen Speisevorschriften."

Und doch hat es in den Christengemeinden der Spätantike offensichtlich unterschiedliche Ernährungsformen gegeben – darunter eine breite asketische Bewegung, der Fleischgenuss suspekt gewesen ist. Das kann man in den Texten der Kirchenväter nachlesen.

"Erst seit der Sintflut hat man uns die Fasern, die stinkenden Säfte des Fleisches, in den Mund gestopft!"

Schreibt Kirchenvater Hieronymus Ende des 4. Jahrhunderts. An anderer Stelle allerdings, so Klaus Fitschen, meint Hieronymus, man soll es mit der Askese nicht übertreiben.

Fitschen: "Hieronymus ist einer, der in einem Brief einer Römerin rät, dass sie ihrer Tochter auch mal Fleisch zu essen gibt, wenn die schwach auf den Füßen ist. Denn die ganze Askese soll ja nicht den Leib ruinieren."

Wenn man sich bei den christlichen Autoren der Antike umtut, wird einem klar, sie hatten im Allgemeinen ein recht entspanntes Verhältnis zum Thema "Fleischgenuss", meint Klaus Fitschen:

Fitschen: "Es gibt einmal die Position, dass man sagt, man soll mit dem Fleischessen vorsichtig sein, Fleisch ist ein Kennzeichen für Völlerei, und Völlerei ist Sünde. Das hat etwas mit dem christlichen Affekt gegen die Lust zutun, das ist eigentlich stoische Mäßigkeits-Ethik, das macht man eben so, also begnügt man sich sozusagen mit einem Schnitzel. Das Problem ist nicht das Fleisch, sondern die Gier: der Überschwang, das Übermaß.

Natürlich kann man sagen, das Fleischessen gilt in der asketischen Szene als unfein. Gemüse, Kräuter gelten als naturnäher. Klar ist, dass die Asketen viel Gemüse essen, viel Getreide essen und auf Fleisch verzichten. Das ist ja das, was wir in unseren Fasten-Riten auch wieder finden. Dass man zuerst mal auf Fleisch verzichtet. Weil es kulturgeschichtlich eingewurzelt ist, dass Fleisch die mit Versuchung belastete Speise ist."

Klaus Fitschen: "Benedikt von Nursia zum Beispiel, geistiger Vater der Benediktiner-Ordensregeln, verzichtet ausdrücklich auf den Genuss des Fleisches vierfüßiger Tiere. Und Basilius, im 4. Jahrhundert Bischof von Cäsarea, ernährt sich ausschließlich von Pflanzenkost, weil er der Meinung ist."

"Der mit Fleisch beschwerte Leib wird von Krankheiten heimgesucht. Die Dünste der fleischlichen Speisen verdunkeln das Licht des Geistes!"
Berger: "Dass Christen nur im Ausnahmefall heute Vegetarier sind, vegetarisch leben, das hat sich später entwickelt. Thomas von Aquin mit seiner Lehre hat da viel Unheil angerichtet, so würde ich es nennen, für die weitere Entwicklung im Verhältnis Christen zu Tieren, zu anderen Lebewesen."

Joachim Berger. Nach der mittelalterlichen Lehre des Thomas von Aquin haben Tiere keine Seele. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts lieferte dieser Gedanke in europäischen Rechtssystemen die - oft verschwiegene - Begründung dafür, dass Tiere von ihren Besitzern wie "Sachen", sprich leblose Gegenstände behandelt werden dürfen. Erst im Jahre 1990 gab es in der Bundesrepublik beispielsweise eine Gesetzesreform, die Tieren, weil sie Lebewesen sind, in Zukunft bestimmte Rechte zubilligt. Menschen können sie stellvertretend für Tiere einfordern.

"Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir.
Alle Geschöpfe streben nach Glück wie wir.
Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir."

Schreibt Franziskus von Assisi. Wie Thomas von Aquin ein Mann der Kirche des Hochmittelalters - aber mit einer anderen Meinung, was den gottgewollten Umgang des Menschen mit Tieren betrifft. Die moderne Hirnforschung gibt dem Heiligen Franziskus recht. Inzwischen haben verschiedene Wissenschaftler bestätigt: Im Vergleich zum Menschen mangelt es einem Säugetier, nehmen wir das Schwein, zwar an Rationalität - aber ein Schwein fühlt anscheinend kaum anders als Du und ich.

Fitschen: "Das leuchtet natürlich ein, und selbstverständlich empfinden Tiere Schmerz und Qual, daran zweifelt ja niemand. Und dass unsere heutige moderne Nahrungsmittelproduktion es möglich macht, Tiere so zu mästen, dass wir das eben "Massentierhaltung" nennen. Und dass es Menschen gibt, die sagen, um den Preis dieser Qual will ich meine Nahrung nicht essen, das ist auch selbstverständlich."

Berger: "Also, das Gefühlsleben von Menschen und Tieren, allen voran Säugetieren ist sicher ähnlich, nicht identisch, aber ähnlich. Und ähnlich genug, um allen Anlass zu haben, mit Tieren fürsorglich umzugehen."