"Ich habe nie danach getrachtet, Künstler zu werden"

Von Christiane Hillebrand |
Er ist mit seinen Werken auf der ganzen Welt zu sehen, zum ersten Mal allerdings stellt Ibon Aranberri auf der dokumenta aus. Vertreten ist er in Kassel mit zwei Arbeiten: "politica hydraulica" ist eine Sammlung von Industriefotografien und "exercises on the north side" ein 16-mm-Film, in dem Aranberri unser gegenwärtiges Verhältnis zur Natur hinterfragen möchte.
"Als Architekt baust du keine Wände mit deinen eigenen Händen, du setzt keine Steine aufeinander, du beschäftigst dich mit Strukturen und Gestaltung."

Und so ähnlich ist das auch bei Ibon Aranberri. Er benutzt Fotos, ist aber kein Fotograph, er verwendet Filmausschnitte, nennt sich aber nicht Filmemacher. Er zeigt Bilder, ist aber kein Maler.
Er ist Künstler, obwohl er nie vorhatte, einer zu werden.

"Nein, nein, nein, ich glaube, ich bin Künstler geworden, weil ich nichts anderes konnte. Vielleicht? Es waren wohl eher die Umstände, ich habe nie danach getrachtet, Künstler zu werden. Und ich bin es eigentlich auch nicht im handwerklichen Sinne. Ich finde es auch komisch, mich selbst als Künstler zu bezeichnen."

Ibon Aranberri hat es nicht eilig. Er schlendert über den Flur der Neuen Galerie in Kassel, auf dem Weg zu seinen Ausstellungsräumen.
Er ist klein, bewegt sich langsam, wirkt nachdenklich und aufmerksam. Hingucker sind die ausgefallenen schwarz-weißen Schuhe. Im Kontrast dazu trägt er Jeans und einen grauen Pulli. Die langen dunkelblonden Haare hat der Spanier zu einem Zopf zusammengebunden. Und unter einer beigefarbenen Schirmmütze luken wache Augen hervor. Wenn er lächelt, dann zeichnen sich Grübchen in seinem jugendlichen Gesicht ab. Und er lächelt oft.

"Ja, warum nicht? Humor, Ironie, das ist auch ein Werkzeug, um zu verstehen."

Ibon Aranberri wurde in Itziar-Deba im Baskenland geboren, 1969. Er hat Kunst studiert: in Spanien, Italien und – im Rahmen eines Forschungsprogramms – in Japan. Hier hat ihn vor allem interessiert, wie Künstler in Japan westliche Elemente mit der Tradition ihres eigenen Landes verbinden, wie sich die Kulturen einander angenähert haben. Heute lebt und arbeitet der 38-jährige in Bilbao.
Nicht verheiratet, keine Kinder.
Und - keine Hobbys, dazu sei gar nicht gar keine Zeit.

"Ich habe keine Freizeit, nein, nein, es ist wahr. Ich glaube nicht daran, dass man Kunst trennen kann. Ich nutze mein Leben für die Kunst."

Die Kunst ist von seinem Leben also nicht zu trennen. Er sieht sie nicht als seinen Beruf an. Früher, ja, da hatte er mal Jobs um Geld zu verdienen, das heißt, eigentlich war es nur einer.

"Lehrer, für Kunst. Das war der erste und letzte Job, den ich hatte."

Als Kunstlehrer hat Aranberri in seiner Heimat in Spanien gearbeitet. Aber auch in vielen anderen Ländern, in Amerika zum Beispiel. Er liebt es, sich mit anderen Kulturen auseinander zu setzen, mit anderen Sprachen. Und was hasst er?

"Scheinheiligkeit und schlechten Geschmack."

"Meine Arbeit wird gewöhnlich als rätselhaft bezeichnet und als obskur, aber so sehe ich die Arbeiten nicht, sicher ist es nichts für jedermann. Gewöhnlich muss das Publikum sich darauf einlassen, zum Mittäter werden, sich damit identifizieren, dann kann man es verstehen. Aber es ist nicht meine Absicht, didaktisch und für jeden transparent zu sein."

Aranberri schaut sich im Raum um. Hier ist seine Arbeit "politica hydraulica" aufgebaut. 46 Industriefotographien unterschiedlichster Größe stehen lose auf dem Boden, gegen die Wand gelegen, dicht bei dicht überlappen sie sich. Man sieht teilweise nur Ausschnitte, manche Bilder sind ganz verdeckt und lassen vieles im Verborgenen. Das weckt die Fantasie sagt Aranberri schmunzelnd. Die Fotos hatte er bei vier Fotographen in Auftrag gegeben. Abgebildet sind Staudämme und Wasserkraftwerke aus der Heimat. Dem Künstler geht es nicht um das einzelne Bild, sondern um die Vielzahl dieser Industriebauten. Sie bergen einerseits Gefahren, symbolisieren aber auch den Fortschritt des Landes.

Aranberri reagiert auf das, was er um sich herum wahrnimmt. Es gibt für ihn keine Inspiration. Keine Geistesblitze. Er will nicht provozieren, er will nicht urteilen und keine Lösungen anbieten. Er setzt sich mit seiner Umwelt und seinem Alltag auseinander und reagiert darauf, natürlich subjektiv, als Künstler. Der Spanier wirkt zufrieden mit sich und der Welt. Ist er es auch?

"Nein, weil ich anspruchsvoll bin, und Idealist, und vielleicht, weil ich Stier bin. Als Stier ist man ehrgeizig und lasterhaft. Manchmal."

Ziele für die Zukunft hat Ibon Aranberri nicht. Für ihn zählt ganz die Gegenwart und das, was er gerade tut.

"Ich glaube nicht an die Zukunft, wie definiert man Zukunft? Ich arbeite in der Jetzt-Zeit. Sich selbst zu finden, das ist das einzige Ziel."