"Ich habe vieles zum ersten Mal getan"
Im brandenburgischen Rheinsberg hat der Autor und Sänger Wiglaf Droste für sechs Monate den Posten des Stadtschreibers übernommen. Der Satiriker schätzt die Natur und die zurückhaltende Art der Einwohner. Fünf Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit stellt er nun einen Rheinsberger Bogen mit eigenen Texten, die in der Stadt entstanden sind, fertig.
Joachim Scholl: Wiglaf Droste aus seiner Kolumne der "Märkischen Allgemeinen Zeitung", diese verfasst er als Stadtschreiber zu Rheinsberg. Und jetzt ist er am Telefon. Guten Tag, Herr Droste!
Wiglaf Droste: Guten Tag, Herr Scholl!
Scholl: Die Nachricht für die Region war in der letzten Woche: Das Bombodrom, der Truppenübungsplatz der Bundeswehr, wird aufgegeben. Und wie wir gerade gehört haben, hat Ihnen dieses lokale Engagement den ersten Ostermarsch Ihres Lebens beschert. Was war das denn für eine Erfahrung?
Droste: Ja, ich hätte nicht gedacht, dass ich noch jemals im Leben "Was wollen wir trinken sieben Tage lang" von den Bots hätte erdulden müssen, aber ich erduldete es. Also Benedikt Schirge, der Pfarrer, der hier 17 Jahre lang eine unglaubliche Koalition geschmiedet hat aus wirklich pazifistischen Alt-Hippies bis hin zu Geschäftsleuten und ihnen klargemacht hat, sie haben ein Interesse, und das ist kein Bombodrom, der lud mich ein zur Ostermarsch-Abschlusskundgebung. So ganz gemeinsam mit den Politikern war das nicht, denn ich hatte das Schlusswort. Vorher wollten sie mir alle unbedingt die Hand geben, anschließend waren sie alle weg. Man hatte einfach noch mal das Vergnügen, darauf hinzuweisen, dass die Sozialdemokratie in Friedenszeiten immer sehr für den Frieden und in Kriegszeiten immer sehr für den Krieg ist und dass auch der Krieg gegen Serbien ohne die Grünen nicht hätte geführt werden können, die da als moralischer Außenbordmotor fungiert haben. Und wenn Vertreter der Linkspartei sich äußern, man nicht weiß, ob gleich die "Bild"-Zeitung mit im Boot ist, denn der eine Vorsitzende ist ein abgehalfteter "Bild"-Kolumnist und der andere macht Werbung eben auch für dieses Blatt. Und ich habe dem Publikum dann mitgeteilt, dass ich mit eigenen Augen schon tote Fische gesehen habe, die es ablehnten, sich in "Bild" einwickeln zu lassen. Das hat das Publikum sehr genossen und die der "Bild" zugetanen Politiker dann weniger. Und dann war diese Sache auch klar.
Scholl: Kommen wir mal zu Ihrem Stadtschreiberposten, Herr Droste. Wie hat man Sie denn in Rheinsberg aufgenommen? Seit März sind Sie der Stadtschreiber von Rheinsberg, zu Rheinsberg muss man sagen.
Droste: Mit neugierigem, vorsichtigem Interesse, auch am Anfang vielleicht mit ein bisschen Manschetten. Es könnte nun sein, dass ein Satiriker sich die Rheinsberger ganz speziell vorknöpft, aber ich bin ja erst mal zum Gucken gekommen und zum Zuhören, und hab mir das also peu à peu hier mit dem Fahrrad, aber auch mit dem Boot, mit dem Kajak oder dem Motorboot diese ganze wunderbare Seenlandschaft erwandert, erradelt, erkajakt, war dann auch in den Sog geraten dieser besonderen geschichtlichen Situation und dass man hier eben wirklich, wenn man will, Tucholsky, Friedrich und Voltaire lesen kann, und habe festgestellt, dass das Beste an Preußen immer noch Sebastian Haffners Buch über Preußen ist, "Preußen ohne Legende". Also bin, glaube ich, so auf verschiedensten Ebenen in die Rheinsberger Gegend eingetaucht.
Scholl: Wo wohnen Sie da?
Droste: Ich wohne im Marstall des Schlosses.
Scholl: Wie ist es?
Droste: Es ist denkmalgeschützt, es ist aber nicht ganz so denkmalgeschützt wie gegenüber im Schloss. Also da könnte man gar nicht wohnen, da würde man alle fünf Sekunden Alarm auslösen.
Scholl: Sie sind ja schon lange ein Großstädter, Herr Droste, haben viele Jahre in Berlin gelebt, jetzt in Leipzig. Das ist ja vermutlich schon was ganz anderes, morgens aufzustehen und ja, Ruhe, die Vögel singen zu hören?
Droste: Ja, ich komme ja vom Land und hab das immer sehr geschätzt. Ja, es ist wunderbar bei offenem Fenster, wenn die Enten einen wecken oder was hier sehr schön ist – auch ein literarisches Thema –, die Wildgänse machen hier Station. Ich hab zum ersten Mal gesehen, wie die Haubentaucher einen ganzen Fisch lebend verschlingen, und das sagt einem dann doch sehr viel über die Natur, wenn man bei diesem, ich glaube, für den Fisch nicht ganz unqualvollen Akt zusieht. Ich finde das hier sehr inspirierend. Man hat nicht als Erstes morgens Müll am Kopf, sondern tritt so der frischen Schöpfung entgegen und gegenüber, und das tut einem wohl.
Scholl: Sie selbst, Sie haben es gerade gesagt, Sie kommen vom Land, Sie sind ja von der Herkunft Ostwestfale. Was ist denn der Rheinsberger für ein Menschenschlag, wie würden Sie ihn charakterisieren?
Droste: Peter Hacks hat gesagt in einem Gedicht am Ende: "Dies von der Mark und von den Märkerinnen, man muss die Reize ihnen abgewinnen." Und Fontane sagte, dass man die Liebe zu Land und Leuten schon mitbringen muss, wenn man herfährt. Das ist beides wahr, denn es sind Leute, die sich einem nicht gleich an den Hals hängen, die sind erst mal zurückhaltend, und das finde ich aber eigentlich auch sehr angenehm. Menschen, die einem gleich ohne Kenntnis der Person und ohne näheres Ansehen oder Anhören erzählen, wie großartig man sei, führen ja eher dazu, dass man guckt, ob das Portemonnaie noch in der Gesäßtasche steckt. Und der Ostwestfale ist da nicht unähnlich. Sehr herzlich, wenn er auftaut, aber er taut eben erst mal auf.
Scholl: Wiglaf Droste, der Stadtschreiber zu Rheinsberg in unserer Sommerreihe "Deutschland, deine Stadtschreiber". Was für Verpflichtungen, Herr Droste, haben Sie denn in Rheinsberg als Stadtschreiber?
Droste: Also mein Gastgeber, Peter Böthig, Leiter des Kurt-Tucholsky-Museums, ist ein Gastgeber alter Schule. Er lädt jemanden ein und lässt seinen Gast tun, was den glücklich macht und behelligt einen nicht mit Repräsentationsaufgaben und -pflichten. Es gibt nur eine Vereinbarung, die man trifft: Am Ende der Zeit wird ein sogenannter Rheinsberger Bogen präsentiert, das heißt, man liefert wirklich ein kleines Schulheft mit entweder einem Text oder verschiedenen Texten ab, die möglichst in dieser Zeit hier entstanden sind. Thematisch ist man da vollkommen ungebunden und frei. Und dieses Heft ist gerade dabei fertig zu werden.
Scholl: Wie wir erfahren haben, waren Sie auch Juror bei einem Blumengedichtwettbewerb. Das war doch sicher auch interessant für Sie als Lyriker, oder?
Droste: Ich habe in Rheinsberg sehr vieles in meinem Leben zum allerersten Mal getan, und das gehört unbedingt dazu. Ich bin vom "Oranienburger Generalanzeiger" gebeten worden, in der Jury eines Blumengedichtewettbewerbs mitzutun anlässlich der Landesgartenschau in Oranienburg, und ich habe das gern angenommen. Ich hatte ein bisschen Furcht, man weiß nicht, was wird eingesendet. Vieles davon sollte in der Zeitung gedruckt werden – wird es da genug geben oder muss man sich hinterher doch ein bisschen schämen? Und ich habe ich sehr gefreut, von den vielen Einsendungen waren ausreichend viele gute dabei, und ich habe durch diese Tätigkeit in der Jury auch erfahren, dass es in Oranienburg einen Literaturverein namens "Vers und Zeile" gibt. Ich meine das ohne jeden Spott. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man im Verein schreibt, aber einen Verein "Vers und Zeile" zu nennen, finde ich anrührend.
Scholl: Das hat schon was. Fünf Monate waren Sie nun Stadtschreiber, Ende Juli läuft das Amt offiziell aus. Was, würden Sie sagen, nehmen Sie denn so mit aus Rheinsberg, mental, atmosphärisch und so?
Droste: Erst mal hab ich um drei Wochen verlängert privat, also nicht das Amt des Stadtschreibers, das will und kann man ja nicht verlängern, sondern ich bin dann einfach… fünf Kilometer weiter habe ich mich eingemietet privat, weil ich’s hier einfach so schön finde. Also insgesamt habe ich noch fünf Wochen hier vor mir und freu mich sehr darauf und genieße einfach diese Mischung aus, ja, Natur, Flora, Fauna. Ich hab hier so viel Schmetterlinge beispielsweise gesehen wie seit meiner Kindheit nicht mehr, und werde also das weiter noch vertiefen. Die Wälder sind jetzt schon voller Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge. Wenn ich Glück habe, kann ich noch die edle Kunst des Fischefangens erlernen. Das nehme ich eigentlich erst mal mit, und dann kann ich nur hoffen, dass es gelingt, wenn man auf andere Weise lebt, die Art und Weise, wie man hier den Tag anfängt, dass man den Kopf wirklich sehr lange erst mal medienfrei hält, nichts hineintut, was da in einen frischen Kopf noch nicht hineingehört, sondern erst mal wirklich guckt, was der liebe Gott, den man einen guten Mann sein lässt, über Nacht wieder angestellt hat und sich dann ganz langsam diesem Paralleluniversum zuwendet, das manche Leute die Realität nennen.
Scholl: Dann wünschen wir Ihnen noch eine schöne Zeit in Rheinsberg.
Droste: Herzlichen Dank!
Scholl: Vielen Dank, Wiglaf Droste!
Droste: Vielen Dank Ihnen!
Scholl: Und unsere Reihe "Deutschland, deine Stadtschreiber", die setzen wir am kommenden Dienstag fort mit dem Lyriker Marcus Roloff, der ist zurzeit auf Schloss Wiepersdorf zu Gast.
Wiglaf Droste: Guten Tag, Herr Scholl!
Scholl: Die Nachricht für die Region war in der letzten Woche: Das Bombodrom, der Truppenübungsplatz der Bundeswehr, wird aufgegeben. Und wie wir gerade gehört haben, hat Ihnen dieses lokale Engagement den ersten Ostermarsch Ihres Lebens beschert. Was war das denn für eine Erfahrung?
Droste: Ja, ich hätte nicht gedacht, dass ich noch jemals im Leben "Was wollen wir trinken sieben Tage lang" von den Bots hätte erdulden müssen, aber ich erduldete es. Also Benedikt Schirge, der Pfarrer, der hier 17 Jahre lang eine unglaubliche Koalition geschmiedet hat aus wirklich pazifistischen Alt-Hippies bis hin zu Geschäftsleuten und ihnen klargemacht hat, sie haben ein Interesse, und das ist kein Bombodrom, der lud mich ein zur Ostermarsch-Abschlusskundgebung. So ganz gemeinsam mit den Politikern war das nicht, denn ich hatte das Schlusswort. Vorher wollten sie mir alle unbedingt die Hand geben, anschließend waren sie alle weg. Man hatte einfach noch mal das Vergnügen, darauf hinzuweisen, dass die Sozialdemokratie in Friedenszeiten immer sehr für den Frieden und in Kriegszeiten immer sehr für den Krieg ist und dass auch der Krieg gegen Serbien ohne die Grünen nicht hätte geführt werden können, die da als moralischer Außenbordmotor fungiert haben. Und wenn Vertreter der Linkspartei sich äußern, man nicht weiß, ob gleich die "Bild"-Zeitung mit im Boot ist, denn der eine Vorsitzende ist ein abgehalfteter "Bild"-Kolumnist und der andere macht Werbung eben auch für dieses Blatt. Und ich habe dem Publikum dann mitgeteilt, dass ich mit eigenen Augen schon tote Fische gesehen habe, die es ablehnten, sich in "Bild" einwickeln zu lassen. Das hat das Publikum sehr genossen und die der "Bild" zugetanen Politiker dann weniger. Und dann war diese Sache auch klar.
Scholl: Kommen wir mal zu Ihrem Stadtschreiberposten, Herr Droste. Wie hat man Sie denn in Rheinsberg aufgenommen? Seit März sind Sie der Stadtschreiber von Rheinsberg, zu Rheinsberg muss man sagen.
Droste: Mit neugierigem, vorsichtigem Interesse, auch am Anfang vielleicht mit ein bisschen Manschetten. Es könnte nun sein, dass ein Satiriker sich die Rheinsberger ganz speziell vorknöpft, aber ich bin ja erst mal zum Gucken gekommen und zum Zuhören, und hab mir das also peu à peu hier mit dem Fahrrad, aber auch mit dem Boot, mit dem Kajak oder dem Motorboot diese ganze wunderbare Seenlandschaft erwandert, erradelt, erkajakt, war dann auch in den Sog geraten dieser besonderen geschichtlichen Situation und dass man hier eben wirklich, wenn man will, Tucholsky, Friedrich und Voltaire lesen kann, und habe festgestellt, dass das Beste an Preußen immer noch Sebastian Haffners Buch über Preußen ist, "Preußen ohne Legende". Also bin, glaube ich, so auf verschiedensten Ebenen in die Rheinsberger Gegend eingetaucht.
Scholl: Wo wohnen Sie da?
Droste: Ich wohne im Marstall des Schlosses.
Scholl: Wie ist es?
Droste: Es ist denkmalgeschützt, es ist aber nicht ganz so denkmalgeschützt wie gegenüber im Schloss. Also da könnte man gar nicht wohnen, da würde man alle fünf Sekunden Alarm auslösen.
Scholl: Sie sind ja schon lange ein Großstädter, Herr Droste, haben viele Jahre in Berlin gelebt, jetzt in Leipzig. Das ist ja vermutlich schon was ganz anderes, morgens aufzustehen und ja, Ruhe, die Vögel singen zu hören?
Droste: Ja, ich komme ja vom Land und hab das immer sehr geschätzt. Ja, es ist wunderbar bei offenem Fenster, wenn die Enten einen wecken oder was hier sehr schön ist – auch ein literarisches Thema –, die Wildgänse machen hier Station. Ich hab zum ersten Mal gesehen, wie die Haubentaucher einen ganzen Fisch lebend verschlingen, und das sagt einem dann doch sehr viel über die Natur, wenn man bei diesem, ich glaube, für den Fisch nicht ganz unqualvollen Akt zusieht. Ich finde das hier sehr inspirierend. Man hat nicht als Erstes morgens Müll am Kopf, sondern tritt so der frischen Schöpfung entgegen und gegenüber, und das tut einem wohl.
Scholl: Sie selbst, Sie haben es gerade gesagt, Sie kommen vom Land, Sie sind ja von der Herkunft Ostwestfale. Was ist denn der Rheinsberger für ein Menschenschlag, wie würden Sie ihn charakterisieren?
Droste: Peter Hacks hat gesagt in einem Gedicht am Ende: "Dies von der Mark und von den Märkerinnen, man muss die Reize ihnen abgewinnen." Und Fontane sagte, dass man die Liebe zu Land und Leuten schon mitbringen muss, wenn man herfährt. Das ist beides wahr, denn es sind Leute, die sich einem nicht gleich an den Hals hängen, die sind erst mal zurückhaltend, und das finde ich aber eigentlich auch sehr angenehm. Menschen, die einem gleich ohne Kenntnis der Person und ohne näheres Ansehen oder Anhören erzählen, wie großartig man sei, führen ja eher dazu, dass man guckt, ob das Portemonnaie noch in der Gesäßtasche steckt. Und der Ostwestfale ist da nicht unähnlich. Sehr herzlich, wenn er auftaut, aber er taut eben erst mal auf.
Scholl: Wiglaf Droste, der Stadtschreiber zu Rheinsberg in unserer Sommerreihe "Deutschland, deine Stadtschreiber". Was für Verpflichtungen, Herr Droste, haben Sie denn in Rheinsberg als Stadtschreiber?
Droste: Also mein Gastgeber, Peter Böthig, Leiter des Kurt-Tucholsky-Museums, ist ein Gastgeber alter Schule. Er lädt jemanden ein und lässt seinen Gast tun, was den glücklich macht und behelligt einen nicht mit Repräsentationsaufgaben und -pflichten. Es gibt nur eine Vereinbarung, die man trifft: Am Ende der Zeit wird ein sogenannter Rheinsberger Bogen präsentiert, das heißt, man liefert wirklich ein kleines Schulheft mit entweder einem Text oder verschiedenen Texten ab, die möglichst in dieser Zeit hier entstanden sind. Thematisch ist man da vollkommen ungebunden und frei. Und dieses Heft ist gerade dabei fertig zu werden.
Scholl: Wie wir erfahren haben, waren Sie auch Juror bei einem Blumengedichtwettbewerb. Das war doch sicher auch interessant für Sie als Lyriker, oder?
Droste: Ich habe in Rheinsberg sehr vieles in meinem Leben zum allerersten Mal getan, und das gehört unbedingt dazu. Ich bin vom "Oranienburger Generalanzeiger" gebeten worden, in der Jury eines Blumengedichtewettbewerbs mitzutun anlässlich der Landesgartenschau in Oranienburg, und ich habe das gern angenommen. Ich hatte ein bisschen Furcht, man weiß nicht, was wird eingesendet. Vieles davon sollte in der Zeitung gedruckt werden – wird es da genug geben oder muss man sich hinterher doch ein bisschen schämen? Und ich habe ich sehr gefreut, von den vielen Einsendungen waren ausreichend viele gute dabei, und ich habe durch diese Tätigkeit in der Jury auch erfahren, dass es in Oranienburg einen Literaturverein namens "Vers und Zeile" gibt. Ich meine das ohne jeden Spott. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man im Verein schreibt, aber einen Verein "Vers und Zeile" zu nennen, finde ich anrührend.
Scholl: Das hat schon was. Fünf Monate waren Sie nun Stadtschreiber, Ende Juli läuft das Amt offiziell aus. Was, würden Sie sagen, nehmen Sie denn so mit aus Rheinsberg, mental, atmosphärisch und so?
Droste: Erst mal hab ich um drei Wochen verlängert privat, also nicht das Amt des Stadtschreibers, das will und kann man ja nicht verlängern, sondern ich bin dann einfach… fünf Kilometer weiter habe ich mich eingemietet privat, weil ich’s hier einfach so schön finde. Also insgesamt habe ich noch fünf Wochen hier vor mir und freu mich sehr darauf und genieße einfach diese Mischung aus, ja, Natur, Flora, Fauna. Ich hab hier so viel Schmetterlinge beispielsweise gesehen wie seit meiner Kindheit nicht mehr, und werde also das weiter noch vertiefen. Die Wälder sind jetzt schon voller Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge. Wenn ich Glück habe, kann ich noch die edle Kunst des Fischefangens erlernen. Das nehme ich eigentlich erst mal mit, und dann kann ich nur hoffen, dass es gelingt, wenn man auf andere Weise lebt, die Art und Weise, wie man hier den Tag anfängt, dass man den Kopf wirklich sehr lange erst mal medienfrei hält, nichts hineintut, was da in einen frischen Kopf noch nicht hineingehört, sondern erst mal wirklich guckt, was der liebe Gott, den man einen guten Mann sein lässt, über Nacht wieder angestellt hat und sich dann ganz langsam diesem Paralleluniversum zuwendet, das manche Leute die Realität nennen.
Scholl: Dann wünschen wir Ihnen noch eine schöne Zeit in Rheinsberg.
Droste: Herzlichen Dank!
Scholl: Vielen Dank, Wiglaf Droste!
Droste: Vielen Dank Ihnen!
Scholl: Und unsere Reihe "Deutschland, deine Stadtschreiber", die setzen wir am kommenden Dienstag fort mit dem Lyriker Marcus Roloff, der ist zurzeit auf Schloss Wiepersdorf zu Gast.