"Ich halte das Experiment der Bayern für hoch interessant"

Moderation: Marie Sagenschneider |
Der Aufsichtsratsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart, Dieter Hundt, erwartet eine spannende Saison. Er sei "mal gespannt, wie das Ergebnis sein wird", sagte Hundt zu den Spieler-Investitionen des FC Bayern in Höhen von rund 70 Millionen Euro, sagte Hundt.
Marie Sagenschneider: Heute Abend 20.30 Uhr. Diesen Termin hat sich jeder Fußball-Fan notiert, denn dann geht die Fußball-Bundesliga-Saison wieder los, und vielleicht verläuft ja auch diese 45. Spielzeit so kurios wie die vergangene, als am Ende doch einigermaßen überraschend der deutsche Meister VfB Stuttgart hieß. Der Auftakt der neuen Saison findet demnach in Stuttgart statt. Der VfB empfängt den Vize, der ja nur knapp gescheitert war: Schalke 04. Das Spiel wird übrigens in 94 Ländern live übertragen.

Kann Stuttgart seinen Coup wiederholen? Was überhaupt ist von der nächsten Saison zu erwarten? Darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Dieter Hundt sprechen. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender beim VfB Stuttgart, hat auch noch einen Nebenjob als Arbeitgeberpräsident. Herr Hundt, ich grüße Sie!

Dieter Hundt: Guten Morgen, Frau Sagenschneider!

Sagenschneider: Gehen Sie davon aus, dass der VfB es ein zweites Mal hintereinander schaffen kann, den Titel zu holen?

Hundt: Ein deutscher Meister hat natürlich nicht von vornherein die Garantie, dass er den Titel verteidigt. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit dem Kern unserer jungen Truppe, die letzte Saison schon diesen fast unglaublichen Erfolg erzielt hat, und mit den Verstärkungen, die wir dazugewinnen konnten, wieder eine ansprechende Leistung auch in der Saison 2007/2008 abliefern werden.

Sagenschneider: Na ja, der FC Bayern bläst ja schon zum Großangriff, hat rund 70 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Da können Sie nicht ganz mithalten, oder?

Hundt: Mit der Investitionshöhe können wir bei weitem nicht mithalten. Das wollen wir auch nicht. Ich halte das Experiment der Bayern für hoch interessant und bin mal gespannt, wie das Ergebnis sein wird. Das Pokalspiel in Burghausen diese Woche zeigt ja schon, wie es vielleicht der Investition entsprechen müsste.

Sagenschneider: Da freut sich der Stuttgarter, weil es Bayern München knapp gelungen ist, Wacker Burghausen zu schlagen. Ein 11-Meter-Schießen war dort nötig. – Wie viel hat denn Stuttgart für Neuzugänge investiert?

Hundt: Wir haben einige Spieler dazugekauft. Den genauen Betrag weiß ich im Moment gar nicht. Wir haben uns verstärkt, mit Sicherheit verstärkt, was auch erforderlich ist, weil die Anforderungen in der neuen Saison mit Champion-Spielen, Bundesliga und Pokal beträchtlich höher sind als in der letzten Saison. Unsere Zielsetzung muss einfach sein, auch in der Champions League eine ordentliche Leistung zu bieten und darüber hinaus in der Bundesliga vorne mitzuspielen.

Sagenschneider: Insgesamt, Herr Hundt, scheint es der Bundesliga im Großen und Ganzen ja hervorragend zu gehen. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie, die wie es der Zufall will, eine Stuttgarter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt hat. Deswegen wollen wohl auch wirklich viele Vereine mehr Geld in die Transfers stecken, auch in die Nachwuchsarbeit. Ist das nötig, um endlich mal wieder bei europäischen Wettbewerben mithalten zu können, denn das ist ja schwierig geworden für die deutsche Liga und die deutschen Mannschaften?

Hundt: Mich erstaunt immer wieder die Argumentation der Vereinsverantwortlichen. Zunächst spielen wir ja alle mit der Zielsetzung, in der Meisterschaft ganz vorne zu sein und uns für europäische Wettbewerbe zu qualifizieren. Wenn die Vereine dann ausscheiden, ist häufig das Argument zu hören, damit können wir uns jetzt wieder voll auf die Bundesliga und das vorrangige Ziel konzentrieren. Ich denke, Zielsetzung eines deutschen Bundesliga-Vereins muss es sein, europäisch zu spielen und dort eben angemessene Erfolge zu erzielen.

Sagenschneider: Wenn das Geld bei ganz vielen Vereinen für die Transfers reicht, dann fragt man sich aber doch, warum nun die deutsche Fußball-Liga so viele Veränderungen plant, bei denen es ja doch hauptsächlich darum geht, mehr Geld in die Kassen zu spülen, also, als da wären Wiedereinführung der Relegationsspiele zwischen erster und zweiter und zweiter und dritter Liga, um den Auf- und Abstieg eben etwas spannender zu machen. Von Abschaffung der Winterpause ist die Rede, Fußball auch unter der Woche, möglicherweise schon Spiele am Mittag. Das sind sehr weit reichende Pläne. Unterstützen Sie die?

Hundt: Ich denke, dass verschiedene Regelungen durchaus überdacht werden müssten. Die Frage ist beispielsweise die lange Sommerpause in der Zeit, in der man den schönsten Fußball eigentlich in unseren Breitengraden spielen kann. Da haben wir Sommerpause beziehungsweise sind untergeordnete Wettbewerbe am laufen. Vielleicht muss auch das eine oder andere ansonsten überdacht werden. Ein Problem der deutschen Bundesliga ist, dass wir im internationalen Vergleich mit Spitzenländern wie Spanien, Italien und anderen deutlich weniger Fernseheinnahmen haben und dadurch im Wettbewerb nicht gerade gleichgestellt werden.

Sagenschneider: Nun ja, aber die Fans werden das natürlich nicht immer gut finden, zum Beispiel nicht die, die gerne mit ihren Mannschaften zu Auswärtsspielen fahren, was natürlich schwierig wird, wenn unter der Woche gespielt wird, möglicherweise auch noch mittags, denn leider muss man ja ab und zu auch noch arbeiten.

Hundt: Es müssen alle Konsequenzen bedacht werden. Wir haben ja jetzt auch die Champions-League-Spiele und die UEFA-Cup-Spiele mitten in der Woche. Vom Grundsatz her bin ich schon der Meinung, dass die Meisterschaftsspiele am Wochenende stattfinden sollten. Aber vielleicht ist tatsächlich die eine oder andere Verbesserung denkbar, die auch zu entsprechenden Mehreinnahmen dann aus den verschiedenen Töpfen führt.

Sagenschneider: Ich habe vorhin schon gesagt, Herr Hundt, dass viele Vereine sagen, sie stecken jetzt mehr Geld und Zeit auch in die Nachwuchsarbeit. Wie sieht das eigentlich beim VfB Stuttgart aus?

Hundt: Beim VfB Stuttgart haben wir diesbezüglich in der letzten Saison ja eine ganz ausgezeichnete Entwicklung vollzogen. Wir hatten über den Verlauf der Saison die jüngste Mannschaft auf dem Feld. Wir haben sehr viele eigene Nachwuchsspieler von den Amateuren und auch aus dem Jugendbereich. Ganz besonders erfreulich ist, dass mit Mario Gomez auch noch einer aus dem eigenen Nachwuchs zum Fußballer des Jahres gewählt wurde. Ich plädiere ganz, ganz nachdrücklich dafür, diesen Weg fortzusetzen, ihn sogar zu intensivieren. Es muss unsere Zielsetzung sein, die herausragenden Spieler aus dem Nachwuchsbereich in der Bundesliga-Mannschaft zu integrieren und mit ihnen Erfolg zu haben.

Sagenschneider: Und suchen Sie jetzt den Nachwuchs vorwiegend in Deutschland, denn mittlerweile ist es ja Usus geworden, sich schon brasilianische Teenies zu verpflichten, um sie dann, wenn aus ihnen etwas geworden ist, teuer zu verkaufen? Was halten Sie von dieser Praxis?

Hundt: In allererster Linie sollten wir uns um unseren eigenen Nachwuchs kümmern. Dass hin und wieder auch mal ein ausländisches Supertalent schon früh an einen Verein gebunden wird, ist legitim und ist in Ordnung. Aber das Hauptaugenmerk muss auf unsere eigenen Nachwuchsspieler gelegt werden.

Sagenschneider: Noch mal zurück zur bevorstehenden Saison. Die letzte war ja wirklich sehr spannend und übrigens hat auch die von mir schon zitierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft festgestellt, dass die Bundesliga in Deutschland mit zu den spannendsten in Europa zählt, weil die Abstände zwischen den guten Mannschaften nicht so riesig sind. Glauben Sie wir werden im nächsten Jahr dort ein Da Capo erleben, also noch mal so eine kurvige, spannende und aufregende Saison?

Hundt: Ich hoffe sehr, dass wir wieder eine spannende Saison erreichen. Im Moment glaubt alles, dass die Frage nur sein wird, mit wie vielen Punkten Abstand hinter Bayern München der Zweite das Ziel erreichen wird. Ich bin mir da noch nicht so sicher. Ich denke, dass wir eine breite Spitze haben mit Schalke, mit Werder. Ich denke, dass Leverkusen und Hamburg wieder eine erfolgreichere Saison spielen werden. Und ich gehe ganz gesichert davon aus, dass auch wir, dass der VfB Stuttgart eine Rolle mitspielen wird.

Sagenschneider: Wie ist denn Ihr Tipp für heute Abend Stuttgart gegen Schalke?

Hundt: Ich tippe auf einen knappen Sieg des VfB Stuttgart mit einem Tor Differenz.

Sagenschneider: Dieter Hundt, Aufsichtsratsvorsitzender des VfB Stuttgart und Arbeitgeberpräsident, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen, Herr Hundt.

Hundt: Ich danke Ihnen, Frau Sagenschneider. Alles Gute!

Sagenschneider: Danke, Ihnen auch.