"Ich heile mich dadurch ein bisschen von meiner eigenen Düsterkeit"
Einen schönen, leichten, beschwingten Abenteuerfilm habe er drehen wollen, sagt Florian Henckel von Donnersmarck über "The Tourist". Mit Angelina Jolie übte er langsames Laufen, und für Johnny Depp musste er in Venedig um Ruhe am Set bitten.
Frank Meyer: Das ist ja nun ein ganz anderer Film als das Melodram "Das Leben der Anderen", jetzt dieser Film "The Tourist", ein Film, der auf Luxus und Unterhaltung setzt und sich selbst nicht so ganz ernst nimmt, so hat das ja Ihre Hauptdarstellerin Angelina Jolie gesagt. Warum hatten Sie Lust auf so einen Film?
Florian Henckel von Donnersmarck: Ja, ich hatte ja gerade mich wieder vier Wochen ins Kloster zurückgezogen und einen Film zu Papier gebracht, der wieder, wie Sie sagten, ein ernstes Melodram geworden wäre, und war gerade dabei, den Film anzugehen, als sich dieses Projekt ergab. Und irgendwie dachte ich mir, gut, wenn ich jetzt wieder so einen ernsten, düsteren Film mache, dann bin ich irgendwie in der Ecke. Und ich hab halt auch irgendwie eine leichtere Seite in mir, die dann nie wirklich zum Zuge kommen würde. Und deshalb hab ich mir gedacht, ich mach einfach zwischendurch so einen schönen, leichten, beschwingten Abenteuerfilm und heile mich dadurch ein bisschen von meiner eigenen Düsterkeit und mache dabei einen Film, der den Menschen hoffentlich auch gefällt.
Meyer: Als ich den so sah, dachte ich, das ist eigentlich wie eine prächtige Schatulle, so eine mit Samt ausgeschlagene Schatulle mit Venedig eben, mit Paris, mit diesen prächtigen Interieurs, die da auftauchen für Ihren Edelstein, für Angelina Jolie. Passt das Bild für Sie?
Henckel von Donnersmarck: Ja, ich hatte halt das Gefühl: Wenn ich jetzt wirklich Jolina Jolie und Johnny Depp habe, zwei der charmantesten, attraktivsten Menschen der Welt, dann muss auch alles andere stimmen, dann müssen die Kostüme genau so schön sein, dann muss es an den schönsten Orten der Welt spielen, in Paris und Venedig. Und dann müssen auch die Bösewichter unglaublich attraktiv sein und genau so schön wie gefährlich. Ja, irgendwie kam dann diese Schatulle zustande, wie Sie es nennen.
Meyer: Angelina Jolie hat erzählt, Sie hätten ihr beim Drehen am Anfang gesagt, sie solle sich langsamer bewegen, damit sie wirklich als das Luxusgeschöpf rüberkommt und als die elegante Erscheinung, die sie ja dann in dem Film ist, und sie schreitet ja tatsächlich gemessen in ihren Seidenkleidern durch diesen ganzen Film. Heißt das jetzt, wir sehen Ihre Vision von Angelina Jolie da?
Henckel von Donnersmarck: Ja doch, eigentlich schon. Also wir haben wirklich bei diesem Film sehr lange einfach Gänge geübt und bestimmte Bewegungen. Und es ging einfach um das bestimmte Timbre in der Stimme und um einen ganz bestimmten Lidschlag. Also diese ganzen formalen Details wurden hier plötzlich sehr wichtig, weil man dadurch diese Figur kennenlernt. Mir war es wichtig, die weibliche, zarte, auch verletzliche Seite von Angelina Jolie zu zeigen, die sie auf jeden Fall auch hat. Also man sieht sie immer als so starke Kampfmaschine, und sicher hat sie auch die Seite, aber ich wollte hier ihre Weiblichkeit präsentieren und ihre luxuriöse Schönheit.
Meyer: Und das lässt eine Angelina Jolie auch mit sich machen, dass Sie sagen, jetzt geh doch mal anders?
Henckel von Donnersmarck: Absolut. Ich meine, jeder Schauspieler ist interessiert daran, etwas Neues auszuprobieren, und wenn jemand kommt und sagt, schau mal, ich zeige dir, wie es geht, dann hören sie erst mal zu. Also das war eigentlich sehr schön.
Meyer: Hat sich die Arbeit unterschieden im Vergleich zu Ihrem ersten Film, den Sie mit deutschen Schauspielern gedreht haben? Jetzt mit diesen Weltstars, da muss es doch Unterschiede geben?
Henckel von Donnersmarck: Also ich würde sagen, wenn man dann wirklich am Set ist und mit dem Schauspieler so arbeitet, dann ist da kein Unterschied. Ich meine, natürlich ist der Unterschied, dass, wenn man mit Angelina Jolie und Johnny Depp dort steht und nicht mit Martina Gedeck und Ulrich Mühe, dann stehen halt auf dem Markusplatz, wo man irgendeine kleine, intime Szene drehen will, 70.000 kreischende Fans und schreien "Johnny and Angie!", und dann muss ich vor jeder Aufnahme das Megaphon nehmen und der Menge sagen, Leute, ich freu mich sehr, dass ihr unsere Schauspieler liebt, ich liebe sie auch sehr, aber wir brauchen einfach vollkommene Ruhe! Bitte, bis ich jetzt Cut sage, ganz, ganz, ganz ruhig sein! – Also, ich glaube, das sind dann die Unterschiede, aber ich glaube, wenn man wirklich mit den Schauspielern arbeitet, dann ist der Star plötzlich gar nicht mehr da, dann sind es einfach nur gute Schauspieler.
Meyer: Johnny Depp ist ja hier eigentlich gegen die Erwartung, die man so an ihn hat, besetzt – sonst ist er ja immer so eine flamboyante Erscheinung in seinen sonstigen Filmen, so ein souveräner, spielerischer, verführerischer Typ –, hier ist er jetzt der Mathelehrer aus der amerikanischen Provinz, jedenfalls die meiste Zeit des Films, und muss so einen Mister Normal spielen. Wie war das für ihn, hat er sich da gerne drauf eingelassen?
Henckel von Donnersmarck: Ja. Ich meine, es war für ihn sicherlich manchmal auch ein bisschen unheimlich, dass er eben keine manierierte Rolle hatte, hinter der er den wahren Johnny Depp verstecken konnte. Aber mir war schon auch wichtig, dass der Zuschauer durch diesen Film auch den wirklichen Johnny Depp ein bisschen besser kennenlernt. Ich glaube, dass diese Rolle näher am wirklichen Johnny Depp ist als irgendeine andere Rolle, die er bisher gespielt hat.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck über seinen neuen Film "The Tourist", der am Donnerstag in unsere Kinos kommen wird. Jetzt ist der Film da, vor einem guten Jahr hatte das Branchenblatt "Variety" gemeldet, dass Sie aussteigen aus diesem Projekt und nicht mehr dabei sind wegen kreativer Differenzen. Was war da eigentlich los?
Henckel von Donnersmarck: Ich glaube, was in dem Branchenblatt "Variety" steht, stimmt manchmal, aber in diesem Fall war es, glaube ich, nur eine übereifrige Berichterstattung über ich sage mal Verhandlungen zwischen meinen Agenten und Anwälten und dem Studio. In Hollywood tritt immer jeder schwerbewaffnet in den Verhandlungsraum und man hat mindestens zwei Anwälte und zwei Agenten, die dann einfach einem links und rechts zur Seite stehen und hoffentlich schneller ziehen und genauer schießen als das Studio. Am Ende ist alles sehr gut zusammengekommen und ich konnte den Film so machen, wie ich wollte, und wie hoffentlich das Publikum will.
Meyer: Sie haben ja im Februar 2007 den Oscar gewonnen in Los Angeles mit "Das Leben der Anderen". Sie sind dann praktisch sofort nach Hollywood gegangen, das Ganze ist jetzt bald vier Jahre her. Diese lange Zeit dazwischen, ist das ein Zeichen, dass es doch auch schwieriger war, dort Fuß zu fassen?
Henckel von Donnersmarck: Na ja, also ich meine, es war so: Der Oscar war im ich glaube Februar 2007, und dann war ich erst mal noch ich würde sagen ein gutes Jahr mit "Das Leben der Anderen" beschäftigt. Weil durch den Oscar konnte der Film natürlich auch in vielen Ländern verliehen werden, die sich sonst für den Film gar nicht interessiert hätten. Und da ich jetzt keine international werbewirksamen Stars hatte, war ich an all diesen Orten, um den Film zu präsentieren, um darüber zu sprechen. Und da ich beim Oscar so sichtbar in Erscheinung getreten war, konnte ich jetzt natürlich nicht sagen, nein, der englische BAFTA oder der französische César sind mir nicht so wichtig, da tauche ich gar nicht auf! Dann hatte ich also ich sag mal bis zum Start der Arbeit am "Tourist" noch anderthalb Jahre.
In der Zeit habe ich ein Drehbuch geschrieben, eben dieses Drehbuch, was ich jetzt 2011 verfilmen werde, das düstere Melodram, wie Sie sagten, und hab aber gleichzeitig auch sehr viele Bücher gelesen. Das war auch ein bisschen eine verwirrende Erfahrung, dass einem plötzlich so viele Drehbücher zugeschickt werden und man die ja auch erst mal lesen muss. Also ich habe sicher ein halbes Dutzend Drehbücher pro Woche zugeschickt bekommen, jedes hat mich ungefähr einen Tag in Beschlag genommen und … Ich weiß nicht, man liest es dann drei Stunden und denkt, egal ob es gut oder schlecht ist, noch den Rest des Tages darüber nach. Und ich weiß nicht, nach mehreren Monaten hab ich dann gesagt, das nimmt einfach zu viel Zeit ein und ist zu mühsam und bringt mich einfach nicht voran, ich lese jetzt nicht mehr!
Dann führte das zu anderen Problemen, weil mich plötzlich irgendwelche Produzenten und Schauspieler anriefen und sagten, was, wir hören, du willst unseren Stoff noch nicht mal lesen? Dann sage ich, na ja gut, also ich schreibe jetzt gerade. Dann sagen sie, ja gut, aber auch: Ich weiß nicht, stell dir vor, Coppola hätte gesagt, ich lese nicht den "Paten", dann wären diese Filme nie entstanden! Dann liest man die dann eine Weile halbherzig. Also bis man in diesem ganzen Spiel dort in Hollywood zwischen Lesen und Schreiben und sich für Projekte entscheiden so das richtige Gleichgewicht gefunden hat, geht einfach einige Zeit ins Land. Ja und dann Ende 2009 ging es dann schon los mit "The Tourist".
Meyer: Jetzt hat man ja das Gefühl, Sie kommen mit einem großen Hollywood-Film im Gepäck – wegen der beiden Hollywood-Stars natürlich, die da ganz an der Spitze stehen –, aber interessant ist ja, dass von der Finanzierung her das ja eigentlich ein europäischer Film ist, mit einem britischen Produzenten, einem französischen Partner. Und ein Filmjournalist hat das schon als Zeichen an der Wand genommen, dass ein solches Starspektakel wie Ihres jetzt nicht mehr notwendigerweise aus Amerika kommen muss!
Henckel von Donnersmarck: Ja ich meine, also unser Film ist ja auch noch weitergehend europäisch, er ist ja wirklich komplett in Europa gedreht, in Paris und in Venedig, und Angelina spielt auch noch eine Britin. Also insofern bleibt alles, wenn man es zusammen nimmt, den deutschen Regisseur, den australischen Kameramann, die französische Cutterin, bleiben nicht mehr sehr viele amerikanische Zutaten. Aber das ist ja auch eines der Missverständnisse über Hollywood: Es ist Hollywood nicht das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie, es ist das Zentrum der Weltfilmwirtschaft. Also es ist einfach ein extrem internationaler Ort, wo viele der Besten aus der ganzen Welt hinkommen, um zusammen Filme zu machen. Und oft sind die amerikanischsten Filme gar nicht so amerikanisch, und die großen Studios – ich meine, Universal wurde von einem schwäbischen Kurzwarenhändler Carl Laemmle gegründet. Das ist einfach ein internationaler Ort, und es kommt dort nicht darauf an, woher du kommst, sondern einfach nur, was du kannst.
Meyer: Aber wie ist das mit Deutschland selbst? Deutschland ist ja für viele Filmleute auch wegen der Filmförderpolitik bei uns wieder attraktiver geworden. Wenn man jetzt nur mal ein Beispiel nimmt: Quentin Tarantino hat ja viel für "Inglorious Basterds" hier gedreht, auch einen deutschen Partner dafür gehabt. Ist Deutschland für Sie interessant?
Henckel von Donnersmarck: Auf jeden Fall! Na ich meine, für mich ist es wirklich so, dass ich das Gefühl habe, dass ich jetzt in Amerika das lernen will, was einfach dieses System mir beibringen kann, und das dann auch wieder nach Deutschland bringen will. Ich möchte auf jeden Fall auch weiter in Deutschland Filme machen und sehe das jetzt einfach als eine Zeit der Lehre an. Noch ist die Lernkurve nicht abgeflacht, aber wenn sie es sein wird, dann komme ich zurück und erzähle die ganzen deutschen Geschichten, die mir auf der Seele brennen. Der deutsche Film hat einen guten Ruf und Deutschland als Filmstandort ist wirklich sehr, sehr, sehr, sehr gut. Und ich gebe Ihnen recht, das liegt auch zum großen Teil an der wirklich vorbildlichen Förderpolitik, die wir auch noch weiter ausbauen müssen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten.
Meyer: Gibt es schon konkrete Pläne für diese Rückkehr?
Henckel von Donnersmarck: Also auf jeden Fall gibt es Stoff, an dem ich arbeite, und Stoffe, die man auch nur in Deutschland und auf deutsch erzählen kann.
Meyer: Jetzt kommt erst mal "The Tourist" am Donnerstag in unsere Kinos. Florian Henckel von Donnersmarck war hier bei uns, der Regisseur. Vielen Dank für das Gespräch!
Henckel von Donnersmarck: Vielen Dank, Herr Meyer!
Florian Henckel von Donnersmarck: Ja, ich hatte ja gerade mich wieder vier Wochen ins Kloster zurückgezogen und einen Film zu Papier gebracht, der wieder, wie Sie sagten, ein ernstes Melodram geworden wäre, und war gerade dabei, den Film anzugehen, als sich dieses Projekt ergab. Und irgendwie dachte ich mir, gut, wenn ich jetzt wieder so einen ernsten, düsteren Film mache, dann bin ich irgendwie in der Ecke. Und ich hab halt auch irgendwie eine leichtere Seite in mir, die dann nie wirklich zum Zuge kommen würde. Und deshalb hab ich mir gedacht, ich mach einfach zwischendurch so einen schönen, leichten, beschwingten Abenteuerfilm und heile mich dadurch ein bisschen von meiner eigenen Düsterkeit und mache dabei einen Film, der den Menschen hoffentlich auch gefällt.
Meyer: Als ich den so sah, dachte ich, das ist eigentlich wie eine prächtige Schatulle, so eine mit Samt ausgeschlagene Schatulle mit Venedig eben, mit Paris, mit diesen prächtigen Interieurs, die da auftauchen für Ihren Edelstein, für Angelina Jolie. Passt das Bild für Sie?
Henckel von Donnersmarck: Ja, ich hatte halt das Gefühl: Wenn ich jetzt wirklich Jolina Jolie und Johnny Depp habe, zwei der charmantesten, attraktivsten Menschen der Welt, dann muss auch alles andere stimmen, dann müssen die Kostüme genau so schön sein, dann muss es an den schönsten Orten der Welt spielen, in Paris und Venedig. Und dann müssen auch die Bösewichter unglaublich attraktiv sein und genau so schön wie gefährlich. Ja, irgendwie kam dann diese Schatulle zustande, wie Sie es nennen.
Meyer: Angelina Jolie hat erzählt, Sie hätten ihr beim Drehen am Anfang gesagt, sie solle sich langsamer bewegen, damit sie wirklich als das Luxusgeschöpf rüberkommt und als die elegante Erscheinung, die sie ja dann in dem Film ist, und sie schreitet ja tatsächlich gemessen in ihren Seidenkleidern durch diesen ganzen Film. Heißt das jetzt, wir sehen Ihre Vision von Angelina Jolie da?
Henckel von Donnersmarck: Ja doch, eigentlich schon. Also wir haben wirklich bei diesem Film sehr lange einfach Gänge geübt und bestimmte Bewegungen. Und es ging einfach um das bestimmte Timbre in der Stimme und um einen ganz bestimmten Lidschlag. Also diese ganzen formalen Details wurden hier plötzlich sehr wichtig, weil man dadurch diese Figur kennenlernt. Mir war es wichtig, die weibliche, zarte, auch verletzliche Seite von Angelina Jolie zu zeigen, die sie auf jeden Fall auch hat. Also man sieht sie immer als so starke Kampfmaschine, und sicher hat sie auch die Seite, aber ich wollte hier ihre Weiblichkeit präsentieren und ihre luxuriöse Schönheit.
Meyer: Und das lässt eine Angelina Jolie auch mit sich machen, dass Sie sagen, jetzt geh doch mal anders?
Henckel von Donnersmarck: Absolut. Ich meine, jeder Schauspieler ist interessiert daran, etwas Neues auszuprobieren, und wenn jemand kommt und sagt, schau mal, ich zeige dir, wie es geht, dann hören sie erst mal zu. Also das war eigentlich sehr schön.
Meyer: Hat sich die Arbeit unterschieden im Vergleich zu Ihrem ersten Film, den Sie mit deutschen Schauspielern gedreht haben? Jetzt mit diesen Weltstars, da muss es doch Unterschiede geben?
Henckel von Donnersmarck: Also ich würde sagen, wenn man dann wirklich am Set ist und mit dem Schauspieler so arbeitet, dann ist da kein Unterschied. Ich meine, natürlich ist der Unterschied, dass, wenn man mit Angelina Jolie und Johnny Depp dort steht und nicht mit Martina Gedeck und Ulrich Mühe, dann stehen halt auf dem Markusplatz, wo man irgendeine kleine, intime Szene drehen will, 70.000 kreischende Fans und schreien "Johnny and Angie!", und dann muss ich vor jeder Aufnahme das Megaphon nehmen und der Menge sagen, Leute, ich freu mich sehr, dass ihr unsere Schauspieler liebt, ich liebe sie auch sehr, aber wir brauchen einfach vollkommene Ruhe! Bitte, bis ich jetzt Cut sage, ganz, ganz, ganz ruhig sein! – Also, ich glaube, das sind dann die Unterschiede, aber ich glaube, wenn man wirklich mit den Schauspielern arbeitet, dann ist der Star plötzlich gar nicht mehr da, dann sind es einfach nur gute Schauspieler.
Meyer: Johnny Depp ist ja hier eigentlich gegen die Erwartung, die man so an ihn hat, besetzt – sonst ist er ja immer so eine flamboyante Erscheinung in seinen sonstigen Filmen, so ein souveräner, spielerischer, verführerischer Typ –, hier ist er jetzt der Mathelehrer aus der amerikanischen Provinz, jedenfalls die meiste Zeit des Films, und muss so einen Mister Normal spielen. Wie war das für ihn, hat er sich da gerne drauf eingelassen?
Henckel von Donnersmarck: Ja. Ich meine, es war für ihn sicherlich manchmal auch ein bisschen unheimlich, dass er eben keine manierierte Rolle hatte, hinter der er den wahren Johnny Depp verstecken konnte. Aber mir war schon auch wichtig, dass der Zuschauer durch diesen Film auch den wirklichen Johnny Depp ein bisschen besser kennenlernt. Ich glaube, dass diese Rolle näher am wirklichen Johnny Depp ist als irgendeine andere Rolle, die er bisher gespielt hat.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck über seinen neuen Film "The Tourist", der am Donnerstag in unsere Kinos kommen wird. Jetzt ist der Film da, vor einem guten Jahr hatte das Branchenblatt "Variety" gemeldet, dass Sie aussteigen aus diesem Projekt und nicht mehr dabei sind wegen kreativer Differenzen. Was war da eigentlich los?
Henckel von Donnersmarck: Ich glaube, was in dem Branchenblatt "Variety" steht, stimmt manchmal, aber in diesem Fall war es, glaube ich, nur eine übereifrige Berichterstattung über ich sage mal Verhandlungen zwischen meinen Agenten und Anwälten und dem Studio. In Hollywood tritt immer jeder schwerbewaffnet in den Verhandlungsraum und man hat mindestens zwei Anwälte und zwei Agenten, die dann einfach einem links und rechts zur Seite stehen und hoffentlich schneller ziehen und genauer schießen als das Studio. Am Ende ist alles sehr gut zusammengekommen und ich konnte den Film so machen, wie ich wollte, und wie hoffentlich das Publikum will.
Meyer: Sie haben ja im Februar 2007 den Oscar gewonnen in Los Angeles mit "Das Leben der Anderen". Sie sind dann praktisch sofort nach Hollywood gegangen, das Ganze ist jetzt bald vier Jahre her. Diese lange Zeit dazwischen, ist das ein Zeichen, dass es doch auch schwieriger war, dort Fuß zu fassen?
Henckel von Donnersmarck: Na ja, also ich meine, es war so: Der Oscar war im ich glaube Februar 2007, und dann war ich erst mal noch ich würde sagen ein gutes Jahr mit "Das Leben der Anderen" beschäftigt. Weil durch den Oscar konnte der Film natürlich auch in vielen Ländern verliehen werden, die sich sonst für den Film gar nicht interessiert hätten. Und da ich jetzt keine international werbewirksamen Stars hatte, war ich an all diesen Orten, um den Film zu präsentieren, um darüber zu sprechen. Und da ich beim Oscar so sichtbar in Erscheinung getreten war, konnte ich jetzt natürlich nicht sagen, nein, der englische BAFTA oder der französische César sind mir nicht so wichtig, da tauche ich gar nicht auf! Dann hatte ich also ich sag mal bis zum Start der Arbeit am "Tourist" noch anderthalb Jahre.
In der Zeit habe ich ein Drehbuch geschrieben, eben dieses Drehbuch, was ich jetzt 2011 verfilmen werde, das düstere Melodram, wie Sie sagten, und hab aber gleichzeitig auch sehr viele Bücher gelesen. Das war auch ein bisschen eine verwirrende Erfahrung, dass einem plötzlich so viele Drehbücher zugeschickt werden und man die ja auch erst mal lesen muss. Also ich habe sicher ein halbes Dutzend Drehbücher pro Woche zugeschickt bekommen, jedes hat mich ungefähr einen Tag in Beschlag genommen und … Ich weiß nicht, man liest es dann drei Stunden und denkt, egal ob es gut oder schlecht ist, noch den Rest des Tages darüber nach. Und ich weiß nicht, nach mehreren Monaten hab ich dann gesagt, das nimmt einfach zu viel Zeit ein und ist zu mühsam und bringt mich einfach nicht voran, ich lese jetzt nicht mehr!
Dann führte das zu anderen Problemen, weil mich plötzlich irgendwelche Produzenten und Schauspieler anriefen und sagten, was, wir hören, du willst unseren Stoff noch nicht mal lesen? Dann sage ich, na ja gut, also ich schreibe jetzt gerade. Dann sagen sie, ja gut, aber auch: Ich weiß nicht, stell dir vor, Coppola hätte gesagt, ich lese nicht den "Paten", dann wären diese Filme nie entstanden! Dann liest man die dann eine Weile halbherzig. Also bis man in diesem ganzen Spiel dort in Hollywood zwischen Lesen und Schreiben und sich für Projekte entscheiden so das richtige Gleichgewicht gefunden hat, geht einfach einige Zeit ins Land. Ja und dann Ende 2009 ging es dann schon los mit "The Tourist".
Meyer: Jetzt hat man ja das Gefühl, Sie kommen mit einem großen Hollywood-Film im Gepäck – wegen der beiden Hollywood-Stars natürlich, die da ganz an der Spitze stehen –, aber interessant ist ja, dass von der Finanzierung her das ja eigentlich ein europäischer Film ist, mit einem britischen Produzenten, einem französischen Partner. Und ein Filmjournalist hat das schon als Zeichen an der Wand genommen, dass ein solches Starspektakel wie Ihres jetzt nicht mehr notwendigerweise aus Amerika kommen muss!
Henckel von Donnersmarck: Ja ich meine, also unser Film ist ja auch noch weitergehend europäisch, er ist ja wirklich komplett in Europa gedreht, in Paris und in Venedig, und Angelina spielt auch noch eine Britin. Also insofern bleibt alles, wenn man es zusammen nimmt, den deutschen Regisseur, den australischen Kameramann, die französische Cutterin, bleiben nicht mehr sehr viele amerikanische Zutaten. Aber das ist ja auch eines der Missverständnisse über Hollywood: Es ist Hollywood nicht das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie, es ist das Zentrum der Weltfilmwirtschaft. Also es ist einfach ein extrem internationaler Ort, wo viele der Besten aus der ganzen Welt hinkommen, um zusammen Filme zu machen. Und oft sind die amerikanischsten Filme gar nicht so amerikanisch, und die großen Studios – ich meine, Universal wurde von einem schwäbischen Kurzwarenhändler Carl Laemmle gegründet. Das ist einfach ein internationaler Ort, und es kommt dort nicht darauf an, woher du kommst, sondern einfach nur, was du kannst.
Meyer: Aber wie ist das mit Deutschland selbst? Deutschland ist ja für viele Filmleute auch wegen der Filmförderpolitik bei uns wieder attraktiver geworden. Wenn man jetzt nur mal ein Beispiel nimmt: Quentin Tarantino hat ja viel für "Inglorious Basterds" hier gedreht, auch einen deutschen Partner dafür gehabt. Ist Deutschland für Sie interessant?
Henckel von Donnersmarck: Auf jeden Fall! Na ich meine, für mich ist es wirklich so, dass ich das Gefühl habe, dass ich jetzt in Amerika das lernen will, was einfach dieses System mir beibringen kann, und das dann auch wieder nach Deutschland bringen will. Ich möchte auf jeden Fall auch weiter in Deutschland Filme machen und sehe das jetzt einfach als eine Zeit der Lehre an. Noch ist die Lernkurve nicht abgeflacht, aber wenn sie es sein wird, dann komme ich zurück und erzähle die ganzen deutschen Geschichten, die mir auf der Seele brennen. Der deutsche Film hat einen guten Ruf und Deutschland als Filmstandort ist wirklich sehr, sehr, sehr, sehr gut. Und ich gebe Ihnen recht, das liegt auch zum großen Teil an der wirklich vorbildlichen Förderpolitik, die wir auch noch weiter ausbauen müssen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten.
Meyer: Gibt es schon konkrete Pläne für diese Rückkehr?
Henckel von Donnersmarck: Also auf jeden Fall gibt es Stoff, an dem ich arbeite, und Stoffe, die man auch nur in Deutschland und auf deutsch erzählen kann.
Meyer: Jetzt kommt erst mal "The Tourist" am Donnerstag in unsere Kinos. Florian Henckel von Donnersmarck war hier bei uns, der Regisseur. Vielen Dank für das Gespräch!
Henckel von Donnersmarck: Vielen Dank, Herr Meyer!