Salonkomödie der Egomanen
Für ihren Frankreich-Schwerpunkt haben die Ruhrfestspiele in Recklinghausen die Komödie "Ich Ich Ich" von Eugéne Labiche ausgegraben. Das Stück von 1864 über Liebe und Intrigen in einer bürgerlichen Gesellschaft bietet aber nur harmlose Unterhaltung.
Eugéne Labiche und Georges Feydeau waren die Könige des französischen Lustspiels im 19. Jahrhundert. Für die Theater in Paris schrieben sie eine Komödie nach der anderen, manchmal waren es zehn Stücke im Jahr. Wenige davon haben überlebt. Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen haben diesmal eine Frankreich-Spielzeit ausgerufen und starteten mit einer selten aufgeführten Komödie von Labiche: "Ich Ich Ich". Martin Kusej, frisch verlängerter Intendant des Münchner Residenztheaters, hat die Premiere inszeniert.
Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht. Nach diesem Motto lebt Monsieur Dutrecy, ein reicher Junggeselle mit vollem Weinkeller und leerem Herzen. Das stört ihn aber nicht, er braucht nur Gesellschaft beim Essen. Sein Arzt hat ihm gesagt, das sei gesünder. Der Doktor übrigens besitzt ein großes Grundstück, dessen Wert bald steigen wird, weil die Stadt dort einen großen Boulevard bauen will. Dutrecy möchte das Gelände gern kaufen, natürlich zu einem niedrigen Preis und versucht mit allen Mitteln, seinen Hausarzt übers Ohr zu hauen.
Die Jungen setzen auf Liebe und Romantik
Nur das Geld zählt in der bürgerlichen Gesellschaft, die Eugène Labiche in seiner 1864 uraufgeführten Komödie "Ich Ich Ich" karikiert. Als Gleichnis für die Gegenwart taugt das Stück nur bedingt. Denn es ist nur die Generation der Väter, die dem puren Egoismus huldigt. Die jungen Leute dagegen setzen auf Liebe und Romantik, die traditionellen Werte. Und siegen am Schluss, indem sie die Alten mit deren eigenen Tricks schlagen. Thérèse, die Nichte Monsieur Dutrecys, kommt aus dem Internat nach Hause. Eigentlich will er sie möglichst gewinnbringend verheiraten. Aber dann bekommt er selbst Lust, die Schöne zu ehelichen und spinnt Intrigen gegen den Verlobten.
Eugéne Labiche schrieb Komödien in Massenproduktion, fast 180 davon hat er verfasst. Für Originalität blieb da keine Zeit, auch "Ich Ich Ich" folgt ganz den bekannten Konventionen des Genres.
Martin Kusej unternimmt in seiner Inszenierung nichts, um die Boulevardmaschinerie zu ironisieren, zu stören oder zu durchleuchten. Im Gegenteil, auf einer fast leeren, von einem Halbkreis aus hellen Vorhängen begrenzten Bühne lässt er das Ensemble des Münchner Residenztheaters fröhlich chargieren und Pointen servieren. Manche Dialoge entwickeln zynischen Biss, wenn sie das eiskalte Spiel mit den Gefühlen der anderen beschreiben.
Seit breites Grinsen verwandelt sich in eine Wutmaske
Die virtuosen Schauspieler haben ihre Momente. Nora Buzalka spielt als Thérèse hinterlistig naiv mit ihren körperlichen Reizen, um nicht zurück ins Internat zu müssen. Wenn Götz Schulte als Arzt gerade noch rechtzeitig erfährt, dass er betrogen werden soll, verwandelt sich sein breites Grinsen in eine Wutmaske. Und Oliver Nägele spielt Dutrecys Geschäftsfreund mit diabolischer Leichtigkeit als noch größeren Egoisten. Markus Hering versieht die an einen Antihelden Molières erinnernde Hauptfigur mit geistiger und körperlicher Agilität.
Dennoch läuft der Spielwitz des Ensembles oft ins Leere, weil einfach nicht erkennbar ist, was Martin Kusej mit dem Stück erzählen will. Auch ästhetisch liefert er nur einen flauen Kompromiss zwischen den commedia-artigen Übersteigerungen, mit denen Herbert Fritsch solche Stücke inszeniert und dem konzentrierten Wortwitz einer typischen Salonkomödie. Was bleibt, ist harmlose Unterhaltung, Boulevard auf schauspielerischem Edelniveau. Als nette Note im Spielplan eines Stadttheaters hat das seinen Platz, als Eröffnungsinszenierung der Ruhrfestspiele ist "Ich Ich Ich" eine Enttäuschung.
Weitere Informationen zum Stück finden Sie auf der Homepage.
Weitere Informationen zum Stück finden Sie auf der Homepage.